Die Afrikanerinnen befinden sich seit sechs Wochen im Trainingslager im grenznahen Bitburg. Nur wenige Informationen dringen an die Öffentlichkeit. Kurz vor dem ersten großen Auftritt auf Weltniveau ist die Stimmung innerhalb des Teams auf dem Höhepunkt. Untergebracht ist die Nationalmannschaft in der Bitburger Sportschule. Das Areal liegt abgelegen und nur ein Mann mit Rasenmäher beeinträchtigt die Idylle am Nachmittag. In der Empfangshalle hängen Wimpel von vielen renommierten Vereinen, die ihre Zelte in Bitburg aufgeschlagen haben. Die Liste geht von Manchester United, Besiktas Istanbul und einigen Bundesligisten bis hin zu … Koeppchen Wormeldingen.
Am Frühstücksbuffet stehen sieben Bücher aneinandergereiht. Darunter zwei Biografien der beiden deutschen Torjäger Uwe Seeler und Ulf Kirsten. Es scheint, als solle dies eine Anregung zum Toreschießen für die Mädels vom Äquator sein.
Trainer Marcelo Frigerio, ein Brasilianer mit italienischen Vorfahren, kommt ins Foyer und wartet auf Spielerin und Übersetzerin Doceline Theolore. Die 29-jährige Mittelfeldspielerin ist die „Veteranin“ im Team und kann Englisch. Die meisten Teammitglieder sprechen entweder spanisch oder portugiesisch, beides Landessprachen in Äquatorialguinea. Marcelo Frigerio gibt sich bedeckt, wenn es um Taktik und Ziele seiner Mannschaft geht: „Unsere Spielweise ist fast allen Teilnehmern unbekannt. Das soll auch so bleiben, denn dadurch können wir uns Vorteile verschaffen.“
Frostig
Er selber hat sich mit den Gegnern aus der Gruppe D (Brasilien, Australien und Norwegen) akribisch auseinandergesetzt. Vom deutschen TV-Sender ZDF ließ er sich Videobänder zukommen, die Norwegerinnen beobachtete er bei einem Testspiel in Mainz und die Brasilianerinnen kennt er sowieso. Er war nämlich 2001 bei der Sommeruniversiade in Peking Trainer der brasilianischen Auswahl. Aus dem damaligen Team sind bei der WM in Deutschland Rosana und Aline Pellegrino dabei.
Trotz oder gerade wegen der starken Gegner überlässt die zweitstärkste Mannschaft Afrikas nichts dem Zufall. Bereits vor sechs Wochen zog das Team in die Bitburger Sportschule ein. Die Anfangszeit war hart für die Frauen aus der südlichen Hemisphäre. „Bei uns sind es zurzeit 35 bis 40 Grad. Wir mussten uns erst mal an das hiesige Klima gewöhnen“, erklärt Trainer Frigerio. Auch der Koch der Sportschule, der mittlerweile von allen nur noch „pollo“ (spanisch für Huhn) genannt wird, musste sich anpassen. Vor allem scharf und viel Huhn, Nudeln und Reis sollten es sein.
Pausini
Seitdem die Frauen sich an die Bedingungen gewöhnt haben, geht es stetig bergauf. „Wir sind in Bestform. Ich habe ein ganz anderes Team als noch vor Wochen vor mir stehen. Auf mentaler und taktischer Ebene hat die Mannschaft enorme Fortschritte gemacht“, so Frigerio weiter.
Die deutsche Disziplin haben die Afrikanerinnen in sechs Wochen Bitburg allerdings noch nicht verinnerlicht. Gestern war das Abschlusstraining für 17.00 Uhr geplant. Nach und nach trudelte die Truppe ein.
Genoveva Anonman, Stürmerstar der Mannschaft, gibt noch kurz vor dem Training ein Interview. „Ich bin so nervös, aber wir alle haben richtig Lust, so schnell wie möglich zu spielen“, sagt die 22-Jährige mit einem breiten Lächeln. Sie ist nicht nur auf dem Platz, sondern auch daneben eine der auffälligsten Spielerinnen. Mit ihren grünen Cornrows und ihren dicken weißen Kopfhörern ragt sie aus der Masse. Am liebsten hört die Stürmerin vor Spiel und Training Balladen der italienischen Schmusesängerin Laura Pausini. „Das entspannt mich, das mag ich“, sagt die zukünftige Spielerin des deutschen Spitzenklubs Turbine Potsdam. Trainer Frigerio ist jedenfalls begeistert von seinem Kapitän: „Genoveva ist sehr charismatisch und versprüht Patriotismus.“
Bürde
Sie selbst muss mit nur 22 Jahren den WM-Neuling anführen und weiß, welche Bürde sie mit sich trägt. „Das ist schon schwer. Vor allem, wenn ich als Kapitän die älteren Mädels ansprechen muss. Aber es klappt immer besser“, sagt sie und geht um 17.15 Uhr Richtung Fußballplatz, obwohl das Training bereits eine Viertelstunde früher hätte anfangen sollen. Aber keine Panik, die Teamkolleginnen sind auch noch nicht alle da. Gegen 17.30 Uhr haben sich alle versammelt und gehen zu Fuß in Richtung Platz: singend, hüpfend, tanzend. Der Rhythmus liegt den Äquatorialguineanerinnen im Blut. Die meisten tragen Handschuhe und Mütze. „So was brauch ich nicht mehr, an das Wetter habe ich mich längst gewöhnt“, sagt Genoveva Anonman lachend.
Gute Stimmung und Unbeschwertheit sind die Markenzeichen der Mannschaft. Doch in den letzten Wochen und Monaten erschwerte eine Diskussion um das Geschlecht einzelner Spielerinnen ihnen das Leben. Trainer Frigerio wiegelt ab: „Wir sind überraschend stark geworden, deshalb haben einige afrikanische Trainer das Gerücht in die Welt gesetzt. Ich könnte aber genauso gut behaupten, dass deren Spielerinnen männlich aussehen …“
Heute am frühen Morgen reiste die Mannschaft nach Augsburg, wo am Mittwoch das erste Vorrunden-Spiel gegen Norwegen stattfindet. Es wird ein harter Weg für den Underdog, und dessen sind sich alle bewusst. „Wir wollen die anderen Teams überraschen, danach können wir weitersehen“, so Nationaltrainer Frigerio abschließend.
De Maart

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