Wenn Christine Majerus über den Cyclocross spricht, dann überkommt sie ein Lächeln. „Ich wollte Spaß im Winter haben, das hat lange sehr gut funktioniert. Trotz vieler schwieriger Momente war es letztlich immer die Freude am Cyclocross, die überwog“, schildert die Allrounderin. „Wir haben nie die Ernsthaftigkeit des belgischen Cyclocross-Zirkusses angenommen. Die tollen Momente im Camper oder in gammeligen Hotels bereue ich nicht. Mal war uns kalt, mal waren wir frustriert, mal froh. Für mich war es die richtige Wahl, Cyclocross zu fahren. Den Winter in Trainingslagern zu verbringen, hätte mich sowohl physisch als auch mental zerstört. Der Cyclocross war etwas Besonderes: All die Reisen, das habe ich selbst organisiert. Ich hatte Jean-Claude (Anen) als Mechaniker bei mir, sowie Marco (Lux) bis zur WM in Beles. Das war meine eigene Routine, mit den Leuten, die ich mochte, mit meiner Familie und Freunden.“
Majerus arbeitete sich nicht nur auf der Straße in die Weltspitze, sondern auch im Cyclocss. Höhepunkt ihrer Cross-Laufbahn war die Heim-WM 2017 in Beles, gefolgt von der denkbar knapp verpassten Medaille ein Jahr später im niederländischen Valkenburg. Im Gegensatz zu den meisten ihrer Konkurrentinnen war die Herbst-und-Wintersaison für die Luxemburgerin mehr als nur eine willkommene Abwechslung während der Vorbereitung auf die nächste Straßensaison.
Ihre Freude an der kraftraubenden Disziplin auf unwegsamem Gelände ist untrennbar mit den ersten Ausfahrten mit ihrem Stammverein SaF Cessingen verbunden. Nach ihrem Wechsel von der Leichtathletik zum Radsport gehörte das Austesten des fahrbaren Untersatzes in Wald und Wiese dazu. Vor 18 Jahren begann die bis heute andauernde Zusammenarbeit mit Trainer Michel Zangerlé, der mittlerweile Präsident des Vorstadtvereins ist.
Siebte bei der Heim-WM
Bei ihren ersten Landesmeisterschaften in den Jahren 2007 und 2008 kam sie hinter Nathalie Lamborelle und Suzie Godart ins Ziel. Im Folgejahr erreichte Godart in Dippach das Ziel 19 Sekunden vor der damals 21-Jährigen. Ihr erstes Rot-Weiß-Blaue Trikot konnte sich Majerus dann zwölf Monate später auf dem „Holleschbierg“ in Hesperingen überstreifen. Es war der Beginn ihrer rekordverdächtigen Serie von zwölf Cross-Titeln in Serie. Anfang dieses Jahres musste sie die Überlegenheit von Marie Schreiber, am Ort ihres ersten Triumphs, anerkennen.
Über die Zeit wurden die internationalen Resultate stetig besser. Am 31. Januar 2015 fuhr sie im tschechischen Tabor als Neunte ihre bis dahin beste Weltcup-Platzierung heraus. Top-10-Ergebnisse wurden danach fast zur Gewohnheit. Regelmäßig stand sie bei internationalen Wettbewerben auf dem höchsten Treppchen, wie beim Neujahrsquer in Petingen, wo sie gleich fünfmal erfolgreich war. Die Einzelkämpferin hatte sich in der erweiterten Weltklasse etabliert.

Die Weltelite im Cyclocross war am 28. und 29. Januar 2017 in Beles zu Gast. Bei ihrer Heim-WM gelang es der Vorzeigeathletin, sich bei schwierigsten Bodenverhältnissen von ihrer besten Seite zu zeigen. Vor einem entfesselten Publikum überquerte sie den Zielstrich auf dem hervorragenden siebten Platz, lediglich 1:21 hinter Sanne Cant (B). „Es war einfach nur schön, so etwas hier in meinem Heimatland erleben zu können. So eine Chance bekommt man nur einmal im Leben und ich denke, dass wir stolz sein können auf das, was wir erreicht haben. Für diese WM habe ich viele Opfer gebracht und ich bin glücklich, dass es in etwa so lief, wie wir uns das erhofft hatten“, sagte die von ihren Gefühlen überwältigte Majerus nach dem Rennen.
Knapp die WM-Medaille verpasst
Noch besser lief es 2018 in Valkenburg (NL). Nachdem die luxemburgische Hoffnungsträgerin nicht optimal in die Saison gestartet war, hatten ihr die letzten Weltcup-Rennen vor dem Saisonhöhepunkt das nötige Selbstvertrauen gegeben. Als Michel Zangerlé den WM-Parcours sah, hatte er gleich ein gutes Gefühl. Dieses wurde noch bestärkt, als Majerus am Start stand: „Man sah es ihr an. Sie war ein Energiebündel, das nur darauf wartete, sich zu entladen.“ Bis in die letzte Runde war Edelmetall, 32 Jahre nach dem dritten Platz von Claude Michely bei der WM in München, greifbar. Den Medaillen-Traum machte die Niederländerin Lucinda Brand jedoch in der letzten Schleife, mit der besten Rundenzeit aller Konkurrentinnen, zunichte.

Nach ihrem zehnten Platz bei der WM 2021 am Strand von Ostende musste Majerus einige Rückschläge hinnehmen. „In den letzten drei Jahren wollte ich mehr Cross fahren, aber es ist zu viel Scheiße passiert. Wegen Verletzungen habe ich mein Ranking verloren, dazu kamen Covid und eine Mononukleose. Die letzten drei Winter waren zum Vergessen“, schildert die Radsportlerin, die nur allzu gut weiß, dass Cyclocross auf höchsten Level nur unter optimalen Bedingungen möglich ist. „Ich wollte im Cross immer Spaß haben, aber das ist mir die letzten Jahre nicht mehr gelungen. Zuletzt bin ich dann nur in Luxemburg gefahren. Ich war hier, um Spaß zu haben und nicht um Leistung zu zeigen. Ich wollte mit den Leuten, die ich mochte, eine gute Zeit verbringen – in meiner Herzensdisziplin“, gibt die 37-jährige zu verstehen.
Ein symbolisches letztes Rennen
Nichtsdestotrotz ist ihr Trainer voll des Lobes über seine Musterschülerin: „Christine will immer das Maximum herausholen. Auch wenn sie sagt, dass sie entspannt an die Sache herangeht, heißt das nicht, dass ihre Erwartungen an sich kleiner werden. Sie ist sehr ehrgeizig. Christine besticht durch ihre Regelmäßigkeit. Sie hat es geschafft, sehr lange auf einem hohen Niveau zu fahren, und das in einer Disziplin, die den Athletinnen sowohl physisch als auch psychisch alles abverlangt. In den letzten Jahren hat sie von ihrer großen Erfahrung profitiert und ist mental kontinuierlich stärker geworden“, so Zangerlé.
Den Ehrgeiz von Majerurs unterstreicht auch der ehemalige Cyclocross-Nationaltrainer Michel Wolter: „Christine ist sehr zielstrebig. Wenn sie sich etwas in den Kopf gesetzt hatte, wollte sie das unbedingt umsetzen. Sie musste sich selbst organisieren, da damals alles weniger professionell war. Die Unterstützung durch die Armee hat ihr dabei geholfen.“

Majerus hätte gerne mehr gemacht. „Aber mein Körper hat ,Stopp‘ gesagt. Darauf muss man hören. Ich hatte meine Zeit im Cyclocross. Auf der Straße könnte ich noch zwei oder drei Jahre mitfahren, aber nicht im Cross. Aber es ist die beste aller Disziplinen. Symbolisch ist deswegen vielleicht auch mein letztes Rennen in Diekirch mit der Armee. Das ist wichtig für mich und auch für die Armee. Einerseits freue ich mich, andererseits auch nicht, weil es danach vorbei sein wird“, so Majerus mit gemischten Gefühlen, etwas mehr als einen Monat, bevor sie am 16. November im Trikot der Armee den definitiven Schlussstrich unter ihre Karriere zieht.
Eine Karriere in sechs Etappen
Zum Karriereende von Christine Majerus am kommenden Sonntag blickt das Tageblatt in einer sechsteiligen Serie auf verschiedene Aspekte der Karriere der Radsportlerin zurück:
1. Etappe (8. Oktober 2024): Die Anfänge
2. Etappe (9. Oktober 2024): Der Weg an die Weltspitze
3. Etappe (10. Oktober 2024): Die Liebe zum Cyclocross
4. Etappe (11. Oktober 2024): Reaktionen von langjährigen Wegbegleitern
5. Etappe (12. Oktober 2024): Ausgeprägter Sinn für Gerechtigkeit
6. Etappe (14. Oktober 2024): Das große Interview
Simac Ladies Tour: Wiebes gewinnt 2. Etappe
Europameisterin Lorena Wiebes (SD Worx Protime) hat am Mittwoch die 2. Etappe der Simac Ladies Tour (2. WWT) gewonnen. Im Sprint setzte sie sich vor Elisa Balsamo (Lidl-Trek) aus Italien und ihrer niederländischen Landsfrau Charlotte Kool (dsm) durch. Die Etappensiegerin profitierte von der Vorarbeit ihres Teams, an der auch Christine Majerus beteiligt war. Die Luxemburgerin beendete die Etappe als 50. mit sieben Sekunden Rückstand. In der Gesamtwertung führt die Siegerin des Zeitfahrens von Dienstag, Zoe Backstedt. Die Britin ist allerdings seit Mittwoch ohne Teamkollegin unterwegs. Das Etappenrennen endet am Sonntag.
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