Zum ersten Mal seit zwölf Jahren fühlt sich Thomas Bach „entspannt und erleichtert“. Sagt er zumindest selbst. Denn: Zum ersten Mal in seiner Zeit als Anführer der olympischen Bewegung habe er „kein existenzielles Problem zu bewältigen“, keine Krise zu lösen und keine Olympischen Spiele zu retten. Dafür sind in Zukunft andere zuständig, Thomas Bach hat seinen Teil getan, ihm bleibt nur noch eine Aufgabe: die Übergabe der Macht an eine neue Führungskraft im Internationalen Olympischen Komitee.
Bis zum 23. Juni wird diese – es stehen sechs Männer und eine Frau zur Wahl – sich gedulden müssen, dann erfolgt der Stabwechsel. Und sollte es nicht die von Bach protegierte Kirsty Coventry werden, verliert der deutsche Präsident mit der Entscheidung der 144. IOC-Session am Donnerstag in einem Luxusressort auf der griechischen Halbinsel Peloponnes schlagartig an Einfluss. Sebastian Coe oder Juan Antonio Samaranch haben zumindest andere Vorstellungen von Führung, Finanzen und Gepflogenheiten.
Bach weiß das, versucht, die Vorstöße seiner möglichen Nachfolger jedoch als Wahlkampfgetöse abzutun. „Das ist doch normal: Wenn sich jemand um die IOC-Präsidentschaft bemüht, sucht er nach einer Möglichkeit, Verbesserungsvorschläge zu machen“, sagt Bach. Er habe „dasselbe vor zwölf Jahren getan“.
1991 war Bach ins IOC aufgenommen worden, 2013 wurde er zum Präsidenten gewählt. Sein Erbe lässt er sich nicht kleinreden, das IOC sei, sagt Bach, für die Zukunft bestmöglich aufgestellt, trotz aller Krisen, die er als Präsident habe bewältigen müssen. Kritik an seiner Amtsführung, an der Konzentration der Macht an der Spitze und der Entwertung der Vollversammlung kontert der 71-Jährige.
„Wenn es eine russische Invasion in der Ukraine gibt, können Sie nicht sagen: ‚Okay, warten wir ab und sehen, was die Session in neun Monaten dazu sagt.‘ Bei einer Pandemie können Sie nicht warten. Sie müssen reagieren. Und wenn man eine Krise auf der koreanischen Halbinsel hat und drei Monate später die Olympischen Spiele stattfinden, kann man nicht warten“, erklärte Bach.
Nachsichtiger Umgang mit Russland
Coe will nun die IOC-Mitglieder stärker einbinden, Samaranch sogar auf die Medien zugehen, Bach sieht aber keine Alternative zu seinem Weg. „Wir hatten keine andere Wahl“, sagt er. Überhaupt: Für Selbstkritik sei weder Zeit noch Anlass. Immerhin: „Vielleicht war ich manchmal zu schnell mit Veränderungen, um vor der Welle zu bleiben. Vielleicht habe ich manchmal zu sehr und zu lange an das Gute in manchen Menschen geglaubt“, erklärt Bach.
Wladimir Putin dürfte dazugehören. Der russische Dopingbetrug und der Angriffskrieg auf die Ukraine belasten Bachs Präsidentschaft, für den oft nachsichtigen Umgang mit Russland musste er sich lange rechtfertigen. Mit der Wiedereingliederung in den Weltsport dürfen sich nun andere herumschlagen, auch mit US-Präsident Donald Trump und dessen wirren Vorstellungen von Fairplay auf allen Ebenen.
Thomas Bach hat fertig. Als Präsident. Als IOC-Mitglied. Als die alles dominierende Führungskraft, zu der er sich aufgeschwungen hat. Als Ehrenpräsident dürfte er dem IOC erhalten bleiben.
Zum Abschluss zitiert Bach einen seiner Vorgänger, den Sportfunktionär Willi Daume, Präsident des Deutschen Sportbundes. Der habe einst gesagt: „Die olympische Bewegung ist eine permanente Krise.“ Eine, um die sich Bach nun nicht mehr kümmern muss.
De Maart
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