Von Liège-Bastogne-Liège berichten Kim Hermes, Petz Lahure (Text) und Marcel Nickels (Fotos)
Erstens kommt es anders, und zweitens als man denkt. Nicht Topfavorit Philippe Gilbert, nicht Andy oder Frank Schleck und schon gar nicht Weltmeister Cadel Evans gewann gestern die 96. Auflage von Liège-Bastogne-Liège. Als Sieger ließ sich vielmehr der Kasache Alexandre Vinokourov „bejubeln“. Er hatte seinen Namen bereits im Jahr 2005 ins Palmarès geschrieben.
Für die vielen belgischen und Luxemburger Radsportferventen endete der dritte Ardennenklassiker demnach mit einer Enttäuschung. Die einen hatten fest mit einem Erfolg Gilberts gerechnet, die andern hofften, dass Andy oder Frank Schleck aufs Podium steigen könnten.
Träume sind Schäume! Gewiss ist es schön und auch nicht verboten, immer wieder Siege oder zumindest einen Sprung aufs Treppchen von unsern besten Fahrern zu erwarten, doch sollten wir uns ein für alle Mal mit der Realität auf dem Terrain abfinden. Gestern sind 198 Fahrer in Liège gestartet. Die meisten von ihnen wollten gewinnen, keiner absichtlich verlieren.
„La classe“?
Am Ende durfte sich (wie immer) nur einer „feiern“ lassen. Eine Apotheose war das gestern im Zielbereich von Ans aber nicht, denn auf das oberste Treppchen stieg der Kasache Alexandre Vinokourov, ein Fahrer, den die Organisatoren, das Publikum und die Journalisten liebend gern in den „bas-fonds“ des Klassements gesehen hätten.
Und das hatte seinen Grund. „Vino“, der Liège-Bastogne-Liège bereits 2005 für das T-Mobile-Team gewonnen hatte, wechselte über Liberty Seguros (2006) zu Astana (2007). Trotz vieler Gerüchte um ihn und seine Mannschaften konnte ihm kein Doping nachgewiesen werden. Am 24. Juli 2007 aber kam heraus, dass er bei seinem Erfolg im Einzelzeitfahren der 13. Tour-Etappe sowie drei Tage später auf der 15. Etappe (vor Kim Kirchen) positiv auf Fremdblutdoping getestet worden war. Danach wurde er für zwei Jahre gesperrt, Kirchen zum Sieger der 15. Etappe erklärt.
Vinokourov gab zuerst den definitiven Rücktritt vom Radrennsport bekannt, bevor ihn wieder die Lust am Pedalieren überkam. Zwei Tage vor Liège-Bastogne-Liège gewann er den Giro del Trentino. Am Samstag reiste er nach Belgien an und ging zu Bett, ohne sich die Strecke anzusehen. So einfach scheint das also zu sein. Zumindest bei den internationalen Medien aber hat der Kasache kaum Vertrauen aufgebaut. „Wie solches möglich sei?“, wurde er bei der Pressekonferenz gefragt – „Vinokourov, c’est la classe“, war die karge Antwort. „Quand on a la classe, on peut gagner!“
„Vinokourov hat einen Fehler begangen und wurde dafür bestraft“, meinte Tour-Direktor Christian Prudhomme. „Die Strafe ist abgesessen, doch bedeutet das aber noch lange nicht, dass der Name Vinokourov keine Probleme für die Tour darstellt.“
Kein Glück
Die Entscheidung bei Liège-Bastogne-Liège fiel rund 18 km vor dem Ziel, als Vinokourov attackierte und in seinem Rad den Russen Alexandr Kolobnev (2. der WM 2007 und 2008) nach sich zog. Kaum jemand räumte dieser Flucht Chancen ein, umso mehr Philippe Gilbert sich wenig später auf und davon machte, um die beiden Leader zu jagen. Der Belgier aber war bald mit seinem Latein am Ende, weil Alejandro Valverde (übrigens auch einer, den keiner auf dem Podium haben wollte) und Cadel Evans ihn konterten. Vorne strebten Vinokourov und Kolobnev dem Ziel ungefährdet entgegen.
Auch Andy und Frank Schleck mussten 15 km vor der Ankunft einsehen, dass der Erfolg vom Vorjahr nicht zu wiederholen war (siehe nächste Seite). Andy Schleck hielt Wort und attackierte in der „Côte de la Roche-aux- Faucons“, doch klebte Philippe Gilbert förmlich an seinem Hinterrad. Frank Schleck konnte seinem Bruder in dem Augenblick nicht behilflich sein, weil er nach Problemen mit seinem Wechsler und seinen Bremsen dem Feld hinterherrennen musste und dabei viel Kraft verlor. „Es fehlte uns erneut ein Quäntchen Glück“, meinte Frank.
Andy Schleck beendete das Rennen auf dem sechsten Platz, Frank Schleck wurde Neunter. Für die beiden Luxemburger gab es demnach bei den Ardennenklassikern zwar keinen Podiumsrang, dafür aber vier Top-Ten-Plätze (Frank 7. beim Amstel, 9. in Liège; Andy 9. in Huy, 6. in Liège). Beide sammelten in dieser Woche 70 Weltranglistenpunkte. Das dürfte Luxemburg nun im „World Ranking“, das am heutigen Montagnachmittag veröffentlicht wird, unter die 20 ersten Nationen verhelfen.
P.L.
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