Yuriko Backes: Die vier Herausforderungen

Für die Ministerin für Gleichstellung und Diversität, Yuriko Backes, müssen vier große Herausforderungen gemeistert werden, damit jeder Mensch einen Sport betreiben kann – und zwar ohne Diskriminierung, Barrieren und mit den gleichen Chancen und Voraussetzungen. Ihre Aufzählung begann mit der Kampfansage an die Stereotypen: Aussagen wie: „Du läufst wie ein Mädchen“ sind verletzende Aussagen, die veraltete Rollenbilder unterstützen. Punkt zwei behandelte die Inklusion und Diversität: „Sporteinrichtungen müssen zugänglicher gemacht werden.“ Es könne zudem nicht sein, dass besonders die Trainingszeiten der Frauen nicht kompatibel mit einem geregelten Tagesablauf seien. Zudem müssten auch die Probleme des LGBTQ-Bereichs nicht vernachlässigt werden.
Ihr dritter Punkt bezog sich auf die Zusammensetzung der Sportwelt: Die Überzahl an Männern in Vereinen, Komitees, auf den Trainerbänken und den Zuschauerreihen würde keinen Fortschritt erlauben. „Wo nur Herren entscheiden, stellt sich die berechtigte Frage, ob den Sorgen junger Sportlerinnen Rechnung getragen wird. Wenn die Frauen teils bessere Trainingszeiten hätten, würde das zur Visibilität beitragen und den Frauensport weiterbringen, auch bei Sponsoren.“ Sie startete gleichzeitig einen Aufruf an die Zuschauer: „Wir können alle helfen, indem wir uns mehr Spiele von Frauen anschauen.“ Ein Sonderlob erhielt übrigens der Handballverband. Dort gibt es seit 2017 die gleichen Prämien, zudem würden Schiedsrichter auf bis zu 20 Prozent ihrer Löhne verzichten, die dem Frauensport zugutekommen.
Eine weitere Herkulesaufgabe wird es sein, geschlechterbasierte Gewalt, Cyberbullying und Hass in den sozialen Medien in den Griff zu bekommen. „Wir dürfen null Toleranz für Gewalt haben, sei sie psychisch, emotional oder homophob. Jede Form davon kann Einfluss auf die mentale Gesundheit der Menschen haben.“ Gemeinsam mit dem Bildungsministerium wird derzeit an Projekten gearbeitet, um junge Kinder für das Thema zu sensibilisieren.
Eine Anlaufstelle für Gewaltopfer
Yuriko Backes hatte gute Nachrichten im Gepäck: Opfer von Gewalt jeglicher Art sollen in Zukunft eine zentralisierte Anlaufstelle bekommen. Ein Pilotprojekt ist in Arbeit und soll in Kürze vom Ministerium für Gleichstellung und Diversität vorgestellt werden. Das Konzept ist international bereits bekannt: An dieser zentralen Stelle sollen medizinisches Personal, Sozialarbeiter, Psychologen, Polizei und Anwälte bei der Ankunft der Opfer eng zusammenarbeiten. Dies ermöglicht den betroffenen Personen einerseits, sich nicht selbst um die nötigen Schritte kümmern zu müssen, und gleichzeitig entfällt der Druck, die Leidensgeschichte mehrmals an unterschiedlichen Orten wiedergeben zu müssen.
Georges Mischo: Subsidien für gutes Handeln

Arbeits- und Sportminister Georges Mischo schließt nicht aus, Verbände und Vereine für gutes Verhalten zu belohnen: „Ich mache mir Gedanken darüber, wie man Subsidien einführen könnte, damit Sportklubs sich noch mehr für die Gleichstellungsprinzipien einsetzen.“ Für den 50-jährigen Politiker müsste Gleichberechtigung 2024 eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein, doch man sei noch weit davon entfernt. „Im Sport gibt es immer wieder Ideen und Initiativen, aber wir müssen weiter in diesem Bereich arbeiten.“ Beispielsweise am Erscheinungsbild von unterschiedlichen Disziplinen, die nach wie vor männlich oder weiblich konnotiert seien.
Mischo hob die Parität bei den Olympischen Spielen hervor: 2024 gab es in Paris erstmals die gleiche Anzahl an weiblichen und männlichen Teilnehmern. „Das hat sich dann auch im Team Lëtzebuerg zurückgespiegelt – und das nicht nur in den typischen Frauen- und Männersportarten.“ Mit Liz Conzemius und Katrin Kohl hätte Luxemburg zudem zwei starke Damen im Para-Sport. „Das sind alles Beispiele, die für Toleranz, Respekt und Widerstandsfähigkeit stehen. Wir können stolz auf diese Errungenschaften sein, aber noch entsprechen sie eben nicht der Norm. Wir haben Fortschritte gemacht, aber zufriedengeben werden wir uns nicht“, fügte er hinzu. Der erste Schritt, um Mädchen und Frauen Platz und Chancen in Führungspositionen zu öffnen, sei eine zusätzliche Visibilität zu schaffen. „Die ‚Equality moves‘-Kampagne spielt eine große Rolle, um gegen Diskriminierung aktiv zu sein.“
„Equality moves“: Eine gemeinsame Kampagne für das gleiche Ziel
Die „Equality moves“-Kampagne ist ein gemeinsames Produkt der beiden betroffenen Ministerien. Der Titel ist bewusst gewählt und soll den ständigen Wandel und die Entwicklung zu Gleichstellungsthemen darstellen.
Den konkreten Start gab es schon im Sommer auf Kino-Leinwänden, im Fernsehen und auf Social Media. Der kurze Clip wurde bewusst in die sportlichen Monate rund um Fußball-EM, Tour de France und Olympia platziert. „Living my best life“ heißt der Song – ein Ohrwurm – der alle Menschen für Sport und Bewegung motivieren soll. Es wurden bewusst keine Schauspieler, sondern nationale Athleten ausgewählt, die Stereotypen den Kampf ansagen.
In den nächsten Wochen werden weitere Videos lanciert. Tischtennisprofi Eric Glod spricht dabei über sein Coming-out und fehlende Vorbilder, Fußballspielerin Amy Thompson räumt mit Vorurteilen auf. In einem anderen Clip erzählt Sandra Schwinninger von Hürden als ehrgeizige Para-Schwimmerin. Das Video von Elias Scheer, der im falschen Körper geboren wurde, ist bereits auf Facebook zu sehen.
Norma Zambon: „Es geht uns alle etwas an“

Die FLVB-Präsidentin, die in Esch den „Service des sports“ leitet, basierte sich in ihrer Präsentation auf bekannte Zahlen aus dem Jahr 2021. Damals hatte die Minettemetropole eine Studie von Enrica Pianaro präsentiert, die sich mit konkreten Statistiken der nationalen Sportlandschaft beschäftigte. Bei den 51 teilnehmenden Verbänden waren damals 88.686 Männer und nur 32.407 Frauen lizenziert. Auch bei der Zusammenstellung der Posten mit Verantwortung gab es flagrante Differenzen: Nur 9% der Verbände hatten eine Präsidentin an der Spitze, nur 29% der Sekretariatsposten wurden von Frauen besetzt. Bei den Besetzungen in den Vorständen der Verbände war die Beobachtung die gleiche: 454 Männer gegenüber 121 Frauen.
Zudem kritisierte die FLVB-Präsidentin Ungerechtigkeiten bei Prämien für (Profi-)Sportler und nationale Schiedsrichter, deren Einnahmen in Luxemburg teils weit auseinandergehen. Anhand von Karikaturen wollte Norma Zambon dann beweisen, dass Medien Sportlerinnen zudem nicht die gleiche Vitrine zur Verfügung stellen würden.
Beim Volleyball setzte man in den vergangenen Jahren darauf, ein Gleichgewicht im Vorstand herzustellen – freigewordene Posten mit Frauen zu besetzen – und bei der Außendarstellung darauf zu achten, dass die Damen und Herren gleichwertig im Fokus stehen. Schwer sei allerdings weiterhin die Suche nach Trainerinnen. Deshalb auch die Aussage: „Das Thema geht uns alle etwas an.“
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Dr. Sandra Heck: Dem Drop-out den Kampf ansagen

Als Vertreterin des „Institut national de l’activité physique et des sports“ (Inaps) lag Dr. Sandra Heck besonders die Ausbildung und Präsenz von Frauen in Führungspositionen am Herzen. „Ideen werden diverser, wenn die Vertretung in diesen Posten es auch werden. Frauen sind noch zu oft unterrepräsentiert.“
Heck konnte anhand von IOC-Zahlen zwar belegen, dass sich die Anzahl von internationalen Trainerinnen bei Olympischen Spielen innerhalb von zwölf Jahren mehr als verdoppelt hat (von 11% auf 23%), dennoch brauche es noch mehr Vorbilder, damit dieser Weg zur Normalität wird.
Sie präsentierte ebenfalls brandneue Ergebnisse einer Lunex-Studie, bei der sechs Trainerinnen (Fußball, Basketball, Kajak, Bogenschießen) aus dem Luxemburger Sport zur Verfügung standen. Der Grund für ein Karriereende als Coach seien finanzieller Natur (fehlende Anreize), mangelnde Unterstützung und weniger Chancen bei Bewerbungen sowie das Gefühl, eine Quotenfrau zu sein. Auch das fehlende Mentoring wurde als Grund für den Drop-out genannt. Auf die Frage, warum es in den Verbänden Barrieren für Diversität gebe, meinten die Befragten, dass es auf eine Gleichgültigkeit bei der Föderation zurückzuführen wäre und gleichzeitig auch mangelndes Verständnis für Herausforderungen. Zudem seien Elternzeiten oder Auszeiten nicht immer vereinbar gewesen. Lösungsvorschläge wären daher: mehr Unterstützung, vor allem für Mütter, mehr Bildungsprogramme und bessere Einstellungspraktiken sowie eine gleiche Bezahlung.
De Maart

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