Montag3. November 2025

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Radsport-WMChristine Majerus startet in Zürich: Erst die Zweifel, dann der Fokus

Radsport-WM / Christine Majerus startet in Zürich: Erst die Zweifel, dann der Fokus
Christine Majerus wird am Sonntag zum letzten Mal eine Straßen-WM bestreiten Foto: FSCL

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Christine Majerus nimmt am Samstag ihr letztes WM-Straßenrennen in Angriff. Die 37-Jährige, die nach der Saison ihre sportliche Karriere beenden wird, war sich jedoch lange unsicher, ob sie in Zürich starten soll. Letztendlich startet sie an der Seite von Nina Berton und Marie Schreiber ins WM-Rennen. Dem Tageblatt verrät sie, warum sie ihre Teilnahme in Zürich lange hinterfragte und was sie von ihrer letzten Saison hält.

So richtig wusste Christine Majerus nicht, was sie mit dem Straßenrennen bei der Weltmeisterschaft anfangen sollte. Einerseits wäre es ihre letzte Chance auf ein WM-Straßenrennen. Andererseits ist es eben Zürich. Und das bedeutet: ein Parcours für Kletterer. Auf den 154,1 Kilometern von Uster zum Sechseläutenplatz sind immerhin 2.384 Höhenmeter zu überwinden. „All die Jahre bin ich mit Zielen oder Ambitionen zu einer WM gefahren“, sagt Majerus. „Bei Rennen wie einer EM, einer WM oder Olympia ist es wichtig, mit Ambitionen ins Rennen zu starten. In meinem Alter fahre ich nicht mehr zu einem Rennen, um Erfahrung zu sammeln. Ich weiß, dass ich in Zürich nicht viel machen kann. Deswegen ist es mir schwergefallen, in der Schweiz zu starten.“ 

Dazu kommt, dass Majerus aktuell nicht in der besten Verfassung ist. „Ich habe nicht mehr die Form von Juli oder August. Das ist auch zu diesem Zeitpunkt der Saison normal. Ich weiß, dass ich am Samstag nicht bei den Besten mitfahren werde. Dann überlegt man sich genau, ob es sich lohnt, die WM mitzufahren. Es ist sicher, dass ich kein Akteur im Rennen sein werde. Und ich will immer Akteur sein. Ich wollte das Rennen eigentlich nicht fahren.“ Am Ende haben die Verantwortlichen der FSCL Überzeugungsarbeit leisten müssen, um Majerus an den Start zu bekommen. 

Eine Frage der Art und Weise

Mit Nina Berton, Marie Schreiber und Majerus geht die FSCL-Frauenriege am Samstag zu dritt an den Start. Berton startet wie Majerus in der Elite-Konkurrenz, Schreiber wird bei den Espoirs gelistet. Das Rennen der beiden Alterskategorien findet jedoch gleichzeitig statt. „Vielleicht kann ich Nina oder Marie helfen“, sagt Majerus. „Aber um realistisch zu sein: Die Strecke ist so schwer, dass ich nur am Anfang helfen kann. Im Berg muss jeder selbst drücken. Aber wenn ich meinen Teil machen kann, werde ich das tun. Ich bin jetzt trotz allem fokussiert, mich so gut es geht in Zürich zu präsentieren. Wenn ich starte, dann gebe ich immer mein Bestes, auch wenn kein großes Resultat herausspringen wird.“ 

Doch auch die Möglichkeit einer Ausreißergruppe bietet sich Majerus. „Wenn eine Gruppe geht und ich die Chance habe, mitzugehen, werde ich es versuchen. Ich muss bei diesem Rennen so lange es geht dabei bleiben. Am Ende geht es für mich mehr um die Art und Weise, wie ich das Rennen fahre, als um das Ergebnis.“ Ihr letztes Rennen, das EM-Straßenrennen, beendete Majerus auf Platz 10. Doch die 37-Jährige weiß, dass dies keine Referenz für die WM ist. „Die Rennen sind nicht vergleichbar. Das EM-Rennen war eins der einfachsten der Saison. Es war einfach nur ein Sprint, da kann ich mich immer gut aus der Affäre ziehen.“ 

Karriereende rückt näher

Langsam merkt Majerus nun selbst, dass sich ihre Karriere dem Ende zuneigt. „Ich kann nicht abstreiten, dass mir das immer bewusster wird. Ich habe gesagt, dass ich die Saison bis zum Ende seriös fahren werde, das tue ich auch. Aber nach den zwei großen Saisonzielen, der Tour de France und Olympia, läuft der Körper etwas langsamer, was aber normal ist. Ich war für die beiden Rennen sehr fokussiert, das hat mental viel Energie gekostet.“

Auf die Saison blickt Majerus durchaus zufrieden zurück. Beim heimischen Festival Elsy Jacobs (1.2) wurde sie Zweite, doch hervorzuheben ist vor allem der dritte Platz bei der Tour of Britain (2. WWT). Neben ihrer wichtigen Arbeit als Helferin konnte sie also auch selbst Ergebnisse einfahren. „Ich bin wieder auf das Niveau zurückgekommen, das es mir erlaubt, im Finale mit dabei zu sein. Ich habe meine Arbeit mehr als korrekt erledigt und das Frühstück war wirklich gut. In Großbritannien habe ich mich selbst überrascht. Das war sicher nicht das einfachste Rennen im Kalender. Dort auf dem Podium des Gesamtklassements zusammen mit Lotte (Kopecky, Gesamtsiegerin, Anm. d. Red.) zu stehen, war für mich ein Highlight. Ich hatte die Form und habe die Chance vom Team bekommen, sie richtig einzusetzen. Das war eine große Freude für mich.“ 

In Paris schlecht belohnt

Ein bisschen Reue bleibt Majerus vom olympischen Straßenrennen, das sie auf Platz 17 beendete. „Ich kann das Rennen nicht noch mal fahren. In der Vorbereitung habe ich aber alles richtig gemacht. Platz 17 ist halt schlecht bezahlt für die Beine, die ich an dem Tag hatte. Aber das muss ich akzeptieren, es bleibt mein bestes Resultat bei Olympia (Tokio 20., Rio 18., London 21., Anm. d. Red.). Es war aber eine tolle Erfahrung, die besten Olympischen Spiele, die ich mitgemacht habe. Ich glaube, das ist bei vielen Sportlern so und wird bei vielen so bleiben. Man muss Olympia erst mal besser machen, als Paris es getan hat.“ 

Kurz nach Olympia folgte dann die Tour, bei der Teamkollegin Demi Vollering den Gesamtsieg um vier Sekunden verpasste. „Mal gewinnt man, mal verliert man“, resümiert Majerus die Tour. „Wir hatten nicht so viel Glück mit Demi. Mit meiner Leistung war ich aber zufrieden. Ich denke, es lag nicht an mir, dass wir verloren haben (lacht). Ich glaube, das Team kann darüber hinwegsehen. Sie werden es versuchen, im nächsten Jahr besser zu machen – und ich werde ihnen dabei im Fernsehen zuschauen.“ 

Erinnerungen an Norwegen und die USA

Bevor sich Majerus doch auf den heimischen TV-Bildschirm fokussiert, gilt es für sie, einen Monat noch durchzuhalten. In Zürich wird sie ihr 13. WM-Straßenrennen absolvieren – dabei kommen Erinnerungen hoch. „Die ersten Weltmeisterschaften waren für mich doch sehr mühsam“, schmunzelt sie. „Da war ich weit weg vom Schuss, da kam ich mal gar nicht an. Aber das war Teil des Lernprozesses. Ich bin stolz auf den 6. Platz in Bergen (Norwegen 2017, Anm. d. Red.). Da frage ich mich aber immer noch: Was wäre, wenn? Eine Medaille wäre drin gewesen, wenn ich mehr dran geglaubt hätte. Es war eine tolle WM mit einer super Strecke und vielen Zuschauern. Die WM bleibt für mich in bester Erinnerung.“ 

Was Majerus mit einer WM verbindet, ist aber auch ihr Weltmeistertitel, den sie mit ihrem Team im WM-Mannschaftszeitfahren feierte. Bei dem Wettbewerb, der von 2012 bis 2018 ausgetragen wurde, gewann sie 2015 Silber in Richmond (USA), ehe sie ein Jahr später in Doha unter dem damaligen Namen des Teams Boels-Dolmans Weltmeisterin zusammen mit Ellen Van Dijk, Elizabeth Deignan, Chantal van den Broek-Blaak, Evelyn Stevens und Karol-Ann Canuel wurde. 2017 in Bergen und 2018 in Innsbruck reichte es jeweils nur für den zweiten Platz. „Auf diesen Titel hatten wir lange hingearbeitet“, verrät Majerus. „Da bin ich wirklich stolz drauf, dabei gewesen zu sein.“ 

Dass sie Zürich in solcher Erinnerung behalten wird, scheint doch sehr unwahrscheinlich. Vielleicht kann Majerus das Rennen in der Schweiz aber genießen. Lange wird sie nämlich nicht mehr an professionellen Radrennen teilnehmen. Nach der WM in Zürich steht noch die Gravel-WM am kommenden Wochenende in Leuven auf ihrem Programm, ehe sie mit der Simac Ladies Tour vom 8. bis 13.10. ihre Karriere beenden wird.