Freitagnachmittag auf dem Feld der Bouschéisser Esch im Burgronn: Während die ersten Schützen bereits für das Fünf-Nationen-Turnier angereist sind und einen ersten Blick auf die Anlage werfen, ist Mariya Klein-Shkolna am Stand ihres Geschäfts Luxarc zu finden, das Material rund um den Bogensport vertreibt. Es ist eine Rolle, in der man sie in Zukunft noch häufiger bei großen Events antreffen dürfte, denn die 27-Jährige hat sich entschieden, einen Schlussstrich unter den Hochleistungssport zu ziehen.
Eine Entscheidung, die auf den ersten Blick ein wenig überrascht. Denn die derzeitige Nummer 23 der Compound-Weltrangliste, die im letzten Jahr sogar bis auf Rang acht geklettert war, gehört aktuell zu den besten Sportlerinnen des Landes. Erst vor knapp einem Monat beendete sie die World Games auf einem starken neunten Rang. Das Multisportevent in Chengdu, bei dem sie die luxemburgische Fahne bei der Eröffnungsfeier tragen durfte, wird damit vorerst ihr letzter großer internationaler Auftritt bleiben. „Die Jahre mit dem Bogenschießen, dem Reisen, der Zeit mit dem Team und den Freunden aus dem Sport waren sicherlich einige der schönsten meines Lebens. Aber auf der anderen Seite kann das, nach so vielen Jahren ohne wirkliche Pause, auch sehr überwältigend sein“, begründet die 27-Jährige ihre Entscheidung.
Energie verschwand
Besonders die Tatsache, dass es im Bogenschießen eine Winter- und eine Sommersaison gibt und wirkliche Erholungsphasen daher selten sind, machte ihr in letzter Zeit zu schaffen. Vor allem da die Kriterien für die Weltrangliste gleichzeitig enorm gestiegen sind. „Ich fing an zu spüren, dass mich das Bogenschießen eher erdrückte, mir die Luft nahm“, gibt sie klar zu verstehen. Vor allem die Zeit mit Familie und Freunden fehlte ihr sehr. Noch mehr, seit sich Ehemann Pit Klein, der bei den Olympischen Spielen in Paris seinen Abschied feierte, im letzten Jahr für eine Karriere beim Militär entschieden hat und sie seither häufiger alleine beim Training an der Linie stand. „Hochleistungsschießen, was 25 Stunden Training und Wettkampfvorbereitung pro Woche einnimmt, und einen Vollzeitjob zu kombinieren, wurde für mich immer schwieriger. Ich spürte, wie die Energie mit den Jahren mehr und mehr verschwunden ist. Das war das Hauptproblem für mich, weil ich für mich selbst hohe Trainingsstandards habe.“
Für mich gilt: Je höher ich will, desto mehr müsste ich trainieren. Aber ich kann nicht einfach den Job kündigen, weil dieser am Ende mein Leben trägt.
Hinzu kam zuerst die große Euphorie, da es die Disziplin des Compound erstmals ins Programm für die Olympischen Sommerspiele 2028 in L.A. geschafft hat, nur um dann der Ernüchterung zu weichen, da es sich am Ende nur um den Mixed-Wettbewerb handelt, für den es gerade einmal zwölf Startplätze gibt. „Wir haben ein starkes Mixed-Team in Luxemburg, aber meine Partner sind in dem Alter, in dem Kinder kommen und die Familie wichtiger wird. Man realisiert, dass auch sie nicht mehr so viel Zeit zum Trainieren haben, während das Niveau im Compound immer mehr steigt und andere Athleten Profiverträge unterschreiben. Für mich gilt: Je höher ich will, desto mehr müsste ich trainieren. Aber ich kann nicht einfach den Job kündigen, weil dieser am Ende mein Leben trägt.“ Ein Gefühl, das die WM-Bronzemedaillengewinnerin im Mixed in den letzten Jahren immer mehr hatte und sie zusehends frustrierte: „Ich sehe, dass ich zu den besten zehn oder 20 Bogenschützinnen der Welt gehöre und das macht mich im Wettkampf dann wütend. Wenn ich an der Schießlinie stehe und weiß, dass ich nicht schlechter bin als andere, aber mir schlichtweg das Training fehlt.“
Immer frustrierender
Ein letztes Mal erlebte sie dies bei den World Games. Auch wenn Klein-Shkolna mit dem neunten Platz zum Abschluss ihrer Karriere durchaus zufrieden ist, so weiß sie, dass auch viel mehr hätte drin sein können. „Bei gutem Wetter kann ich mein hohes Niveau und mein starkes Schießen beibehalten. Aber bei ein wenig Wind wird es schwieriger, da mir durch das fehlende Training auch die Resistenz fehlt.“ Und so ärgerte sie sich schon, dass sie im zweiten Match am Anfang Pech mit den Linien hatte und ihr am Ende gerade einmal ein Punkt zum Stechen fehlte.
„Als ich jünger war und nach Luxemburg kam, dachte ich, dass ich für immer so, auf diesem Level, schießen würde“, blickt Klein-Shkolna auf ihre Anfangszeit zurück. „Doch irgendwann kommt einfach das Leben dazwischen. Man wird erwachsen, es kommen andere Verantwortungen, andere Prioritäten.“ Und auch wenn das Bogenschießen in den letzten Jahren populärer geworden ist, so gibt es für die Schützen selbst in Sachen Preisgelder kaum etwas zu holen, dabei sind die Ausgaben für Material – ein komplett ausgestatteter Bogen kostet etwa 4.000 Euro – und Reisekosten vergleichsweise hoch. „Ich werde nicht dafür bezahlt und wenn man etwas freiwillig macht, muss es einen auch erfüllen“, meint die 27-Jährige, die dankbar für jegliche Unterstützung, wie die vom COSL, ist, aber auch betont, dass der Weg über die Sportsektion der Armee keine Option für sie gewesen sei.
Fokus aufs Coaching
Auch wenn mit dem Hochleistungssport erst einmal Schluss sein wird, so wird Mariya Klein-Shkolna dem luxemburgischen Bogenschießen dennoch nicht ganz verloren gehen, denn zum Spaß wird sie sicherlich noch zum Bogen greifen und was ihren Shop betrifft, muss sie sowieso weiterhin auf dem aktuellsten Stand bleiben. Mit ihrem Verein, den Bouschéisser Esch, verfolgt sie zudem auch noch andere Pläne: „Ich möchte wieder mehr Zeit ins Coaching investieren. Wir haben ein großes Projekt in unserem Klub, um sowohl junge als auch erwachsene Bogenschützen zu fördern.“ Die 27-Jährige weiß auch in diesem Bereich, wovon sie redet, denn es war sie, die die jungen Nachwuchsschützinnen Lea Tonus und Kenza Pop, die nun in den Startlöchern stehen, im Jugendkader lange Zeit betreut hat.
Ich möchte mich einfach nicht mehr zwingen müssen, mehr zu schießen als ich möchte, und Spaß an meinem Sport haben
Dass die gebürtige Ukrainerin in den letzten Jahren im luxemburgischen Bogenschießen bei den Damen neue Standards gesetzt, es sogar auf ein komplett neues Level gehoben hat, das ist nicht abzustreiten. Lagen die Nationalmannschaftskriterien bei ihrer Ankunft bei 630 bis 640 Punkten, so liegen sie heute um die 675 bis 680. „Ich weiß noch, dass ich damals gefragt habe, ob das nicht eher die Punkte für Recurve sind“, gibt sie mit einem Lachen zu. Doch zu diesem Zeitpunkt gab es im Großherzogtum vor allem Hobbyschützinnen. Und so hofft sie für die Zukunft, dass sich das luxemburgische Bogenschießen auch weiterhin kontinuierlich nach vorne entwickelt. „Ich bin gespannt, wohin der Weg von Kenza und Lea gehen wird. Wenn sie mich brauchen sollten, werde ich auf jeden Fall für sie da sein.“
Ein Vorbild war Mariya Klein-Shkolna für den FLTA-Nachwuchs in den letzten Jahren auf jeden Fall, doch nun freut sie sich erst einmal auf ein Leben mit weniger Leistungsdruck: „Ich möchte mich einfach nicht mehr zwingen müssen, mehr zu schießen als ich möchte, und Spaß an meinem Sport haben.“
De Maart







Sie müssen angemeldet sein um kommentieren zu können