Joseph S. Blatter genoss sichtlich gerührt die Standing Ovations der Delegierten der afrikanischen Fußball-Konföderation CAF. Der Schweizer Präsident des Weltverbandes FIFA ließ sich gerne feiern, denn eigentlich steht er seit Wochen mal wieder mit dem Rücken zur Wand. Und der warme Applaus am Montag in São Paulo tat ganz offensichtlich gut.
Holland-Boss fordert Rücktritt
Ein erster wichtiger europäischer Fußballfunktionär rät FIFA-Präsident Joseph S. Blatter, auf eine erneute Kandidatur als Chef des Weltverbandes im Mai kommenden Jahres zu verzichten. Dies sagte der Vorsitzende des königlich-niederländischen Fußball-Bundes KNVB, Michael van Praag, der Zeitung Volkskrant. „Wenn man 16 Jahre an der Spitze steht, muss man sich fragen lassen, ob man noch etwas hinzufügen muss“, sagte der KNVB-Chef. Das Bild der FIFA habe durch die Vorkommnisse in den letzten Jahren gelitten, „wenige nehmen die FIFA noch erst. Wie man es dreht oder wendet: in der Endverantwortung steht Blatter“.
Mächtiger als die katholische Kirche
Die Korruptions-Anschuldigungen britischer Medien im Zusammenhang mit der Vergabe der WM 2022 an Katar im Dezember 2010 lassen Blatter und Co. nicht zur Ruhe kommen. Der Walliser kokettiert gerne damit, dass die FIFA ja im Grunde mächtiger als die katholische Kirche sei. Weltreligionen gebe es einige, die FIFA sei einzigartig. Und so versucht er, eine Wagenburgmentalität in „seiner“ FIFA-Familie aufzubauen. Und dabei scheut er sich nicht, mit deutlichen Worten seine Gegner aufs Korn zu nehmen. Ein Sturm sei gegen die FIFA wegen der WM-Vergabe an Katar – schon „Katargate“ genannt – heraufgezogen. „Traurigerweise spielen Diskriminierung und Rassismus eine Rolle, das verletzt mich“, sagte Blatter vor dem gestern begonnenen FIFA-Kongress in São Paulo.
Die FIFA müsse alles bekämpfen, was den Beigeschmack von Rassismus und Diskriminierung habe. CAF-Chef Issa Hayatou (Kamerun), einst ein entschiedener Gegner Blatters, begab sich auf Schmusekurs: „Ich bin sehr zufrieden mit dem, was Präsident Blatter gesagt hat. Wir unterstützen ihn, und ich war sehr glücklich über das, was er den Delegierten erzählt hat.“ In einer offiziellen Pressemitteilung lobt die CAF denn auch den FIFA-Präsidenten fast überschwänglich als denjenigen, der sich immer für die Entwicklung des afrikanischen Fußballs eingesetzt und stark gemacht habe. „Missionar“ Blatter soll also offenbar weiter wirken dürfen!
Fünfte Amtszeit
Wenig zimperlich geht Blatter indes mit den Kritikern um. Vor allem die Enthüllungen der britischen Medien machen ihm und seinen Getreuen schwer zu schaffen, dementprechend attackierte er diejenigen, die es wagen, sein FIFA-Konzept infrage zu stellen. Denn immer noch läuft das System Blatter wie geschmiert … „Sie wollen zerstören, nicht nur das Spiel, sie wollen auch die Institution zerstören, weil unsere Institution so stark ist“, wetterte er und meinte damit die wiederholten Medien-Attacken auf „seine“ FIFA. Diese bietet allerdings aufgrund des Filzes, der sich über die Jahre angesammelt hat, auch genug Angriffsfläche. Seit 1998 thront der ehemalige FIFA-Generalsekretär an der Spitze des Weltverbandes. In São Paulo, wo am Donnerstag das WM-Eröffnungsspiel zwischen Brasilien und Kroatien stattfindet, wird allgemein erwartet, dass Blatter seine Kandidatur für eine fünfte Amtszeit im Mai 2015 in Zürich offiziell macht.
Bereits zuletzt hatte der Eidgenosse in einem Interview angekündigt, weitermachen zu wollen, wenn dies von den Delegierten der Mitgliedsverbände gewünscht werde. Seine Auftritte vor der afrikanischen und der asiatischen Konföderation am Montag in São Paulo und die Reaktionen seiner Zuhörer dürften Blatter bestärkt haben, nochmals anzutreten.
Der FIFA-Boss versteht es nach wie vor meisterhaft, den kleinen Mitgliedsverbänden das Gefühl zu geben, enorm wichtig zu sein. Seine seit Jahren mit Millionensummen aufgelegten Entwicklungsprogramme haben ihm den Ruf des „Missionars“ eingebracht.
De Maart
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