20. November 2025 - 7.12 Uhr
Olympia 1980„Autonomie des Sports“ bestimmte schon einmal die Aktualität: Als das COSL Sport über Politik stellte
Unter der Regierung von Premier Pierre Werner wurde der Olympia-Boykott von Moskau 1980 erst empfohlen, von der Abgeordnetenkammer später in einer Motion verlangt: Es sollte ein denkwürdiger Protest gegen den Einmarsch der Sowjettruppen in Afghanistan werden. Der Ausgang der größten nationalen sportpolitischen Krise ist bekannt: 42 Nationen aus dem Westen, aber vor allem aus der Dritten Welt sowie islamisch geprägte Länder nahmen nicht an Olympia teil, während André Braun (Bogenschießen), Lucien Faber (Leichtathletik) und Roland Jacoby (Sportschießen) nach Moskau reisten. Sportsoldat Roland Bombardella hatte auf die Teilnahme verzichtet.
Der vorausgegangene „dringende Appell“ an das COSL hatte eine monatelange Debatte in Luxemburg ausgelöst – und eine nie dagewesene Krise in der Sportpolitik ausgelöst. Am 22. Mai 1980 gab es Gewissheit: Der COSL-Verwaltungsrat sprach sich mit acht zu vier Stimmen für eine Teilnahme der Luxemburger Sportler an den Sommerspielen von Moskau aus. Das Interesse war riesig: Journalisten rieten öffentlich, wie die einzelnen Mitglieder abgestimmt haben könnten. In der schriftlichen Mitteilung des Dachverbandes hieß es: „Das Nationale Olympische Komitee kam also der Boykottempfehlung der Regierung und des Parlaments nicht nach und gestand den am Vorabend entgegengenommenen Meinungsäußerungen der Verbandspräsidenten keine entscheidende Bedeutung zu.“ Selbst aus der Sportwelt hatte es Druck auf den Verwaltungsrat gegeben. Die Fronten waren verhärtet. Und mittendrin die Athleten. Sie wurden ungewollt zur Zielscheibe für Hass, Kritik und Spott.
Teilnahme mit Einschränkungen
Bis zu diesem Gipfel der Krise hatte das COSL die internationalen Entwicklungen abgewartet. Die Einschreibungen für Moskau mussten erst zwei Monate vor dem Beginn der Wettkämpfe erfolgen (Quelle: kulturgeschicht.lu). „Die Art und Weise, wie Gérard Rasquin (COSL-Präsident) diese Krise meisterte und eine Spaltung der Luxemburger Sportbewegung abwendete, nötigt Respekt ab. Fern jeder Rhetorik, der Sport habe nichts mit Politik zu tun, pochte der Präsident auf die Autonomie des Sports.“
Das COSL hatte allerdings einschränkende Maßnahmen beschlossen: An der Eröffnungsfeier würden weder Luxemburger Sportler noch Offizielle teilnehmen und auch generell beschränke sich die Anwesenheit der Luxemburger Delegation auf rein sportliche Veranstaltungen. So trugen zwei russische Offizielle ein Schild mit der Aufschrift „COSL“ ins Stadion: Der Name Luxemburg tauchte im Stadion nicht auf. Zudem wurde festgehalten, dass keine Flagge gezeigt werden würde – die rot-weiß-blaue Fahne wurde nicht getragen, sondern eine weiße Fahne mit den fünf olympischen Ringen.
Das Tageblatt ging damals in der Berichterstattung auf die Wichtigkeit der Standfestigkeit des COSL ein: „Gérard Rasquin ließ während der letzten Wochen und Monate nie Zweifel daran, dass es nicht nur um Ja oder Nein zu den Spielen, sondern darüber hinaus auch noch um die Entscheidungsfreiheit des obersten Sportgremiums in seinem ureigenen Bereich gehe. Wäre dem nicht mehr so, würde die Politik das Sagen und Entscheiden auch in nicht-politischen Bereichen des öffentlichen Lebens in unserer freiheitlichen Gesellschaft haben, dann würden Zustände geschaffen, wie sie in den Ostblockstaaten vorherrschen und uns von unsern Politikern immer angeprangert werden. (…) Auf die Frage, ob der Verwaltungsrat das Gefühl habe, eine Entscheidung ‚contraire à l’intérêt national’, wie die Abgeordnetenkammer-Motion eine Beteiligung qualifizierte, getroffen zu haben, antwortete der COSL-Präsident, das könne er in aller Bescheidenheit verneinen …“
Subsidien als Druckmittel
Einige europäische Staaten hatten ihren Olympischen Komitees mit der Streichung von Subsidien gedroht. Auch in Luxemburg waren die Finanzen ein Dauerthema, wie es der damalige Tageblatt-Journalist und spätere LSAP-Minister Robert Goebbels in seinem Leitartikel im Juli 1980 auf den Punkt brachte: „In dieser Hinsicht spielte die luxemburgische Regierung eine besonders schäbige Rolle. So sprach sich Sportminister Emile Krieps anfänglich gegen einen Boykott aus. ‚Es wäre falsch, die Olympischen Spiele zu boykottieren’, hieß es am 24. Januar 1980 aus ministeriellem Mund, wobei der Minister beteuerte, die Regierung denke nicht daran, dem COSL die Subsidien für die Moskau-Reise zu streichen, denn dies würde ‚unserer demokratischen Auffassung nicht entsprechen’. Dann sprach sich die Regierung dennoch für eine Nichtteilnahme aus und entzog dem COSL den laut Budgetgesetz vorgesehenen Kredit und verweigerte gar unseren Olympia-Sportlern den gesetzlich geschuldeten Sportlerurlaub. Schäbiger und kleinkarierter kann keine Regierung vorgehen! Gleichzeitig wurde eine jämmerliche Kampagne gegen das COSL gestartet, weil dieses es gewagt hatte, sich in einem demokratischen Meinungsbildungsprozess mehrheitlich für die Olympia-Beteiligung auszusprechen.“
Sich dem politischen Druck entgegenzusetzen, war damals keine leichtfertige Entscheidung der Verwaltungsräte. Das Risiko, dass das COSL an der Thematik hätte intern zerbrechen können, war real. Das Ergebnis aber entscheidender: In dem Armdrücken mit der Politik hatte Rasquin, als Spitze des COSL, die stärkere Hand.
Scharfe Kritik des COSL
Es war ein ungewohnt heftiger Gegenwind, wie man ihn lange nicht mehr erlebt hatte: Am 16. Oktober 2025 gab das „Comité olympique et sportif luxembourgeois“ seine Meinung zur Gründung einer weiteren öffentlichen Einrichtung, der „Initiative pour la promotion de l’emploi dans le secteur du sport“ (Ipess), bekannt. Das COSL ging nicht zimperlich mit den Vorschlägen des Sportministers um, kritisierte in seinem offiziellen „Avis“ mangelnde Diskussionsbereitschaft sowie fehlendes Mitspracherecht und stellte die Ipess als potenzielle Gefahr für die Autonomie der nationalen Sportbewegung dar. In dem elfseitigen Dokument werden grundlegende Fragen aufgeworfen: Warum sollten Trainer, die bei der Ipess einen fristlosen Arbeitsvertrag unterschrieben haben, sich später freiwillig einem Verein oder Verband anschließen, der ihnen weniger Sicherheiten bieten kann? Haben Vereine und Verbände Mitspracherecht bei der Auswahl der angebotenen Trainer? Kann man sich auch vorzeitig von einem Trainer der Ipess-Maßnahme trennen?
Das COSL fordert nicht nur Antworten – sondern von allen öffentlichen Akteuren, dass sie verhindern, „dass die Sportbewegung von staatlichen Instanzen abhängig wird und zunehmend ihre Autonomie verliert“. Man müsse dafür sorgen, „dass die Rollenverteilung und Verantwortung der Verbände und des COSL bestehen bleiben“. Aus gegebenem Anlass wurden die Verbände für Donnerstagabend zu einer Diskussionsversammlung eingeladen. Tageblatt-Informationen zufolge sollen einige rezente Gespräche zwischen dem NOK und dem Sportministerium keine zufriedenstellenden Ergebnisse hervorgebracht haben.
De Maart

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