Kevin dos Santos hat die schwere Silbermedaille sicher verstaut. Um seinen Hals baumelt kein Edelmetall mehr, sondern ein Fotoapparat. Der 16-jährige Judoka ist an diesem Nachmittag der offizielle Familienfotograf im Hause Dos Santos. Mutter, Vater und die Freundin fiebern ebenfalls von der Tribüne aus mit, als der COSL-Eliteathlet Claudio dos Santos die Matte der Coque im Finale der -73-kg-Gewichtsklasse ein letztes Mal betritt. „Wenn er sein Judo durchzieht, dann wird er keine Probleme haben“, sagt der junge Differdinger noch – und behält recht.
Während das ganze Showprogramm mit Videos, Lichteffekten und Final-Blöcken für den großen Bruder Routine auf der internationalen Tour geworden ist, war die Feuertaufe für Kevin dos Santos mit viel Nervosität verbunden. Der U18-Kämpfer war bei seinen Auftritten am Morgen „definitiv aufgeregter“. „Es war mein erstes Mal im Final-Block eines so großen Turniers. Das war alles sehr spektakulär.“ Da zahlte sich die Erfahrung des älteren Familienmitglieds aus: „Er hat mir ein paar Tipps mitgegeben und ein bisschen von außen gecoacht. Beim Bodenkampf hat er mich gepusht.“
Seit rund einem Jahr ist Kevin dos Santos nun regelmäßig mit den Nachwuchsathleten der FLAM unterwegs. Die Kleinstaaten-EM im eigenen Land war für ihn ein großes Highlight – und zugleich die Möglichkeit, diesen speziellen Moment mit seinem Bruder zu erleben, dessen Turnierplanung meistens andere Orte vorsieht. „Als kleiner Bruder habe ich es leichter. Er hilft mir, gibt mir Tipps und weiß genau, was ich tun muss, um mich zu verbessern. Nach einem Kampf muss ich mir keine Bilder anschauen, er sagt mir nämlich gleich, was gut war und was nicht. Er ist ein guter großer Bruder.“
Familie und Zusammenhalt wird bei den Differdingern großgeschrieben. Claudio dos Santos ist der härteste Kritiker und gleichzeitig euphorischste Fan seines kleinen Bruders: „Ich war definitiv angespannter, als ich ihm zusehen musste, als ich es vor den eigenen Matches war. Er bringt es irgendwie immer wieder fertig, mich während seiner Kämpfe nervös zu machen. Er hat mich heute (am Samstag) stolz gemacht. Es ist eine Ehre für mich, zu sehen, dass er den gleichen Traum hat. Man sieht einfach, dass es sich lohnt, ihm Sachen zu erklären und sich Zeit für ihn zu nehmen.“
„Fühle mich geehrt“
Nach einem Freilos stand Kevin dos Santos im Viertelfinale. Dort setzte er sich gegen einen Zyprer durch. Auch gegen den Gegner aus Liechtenstein siegte er vorzeitig. Erst im Finale musste er sich gegen einen weiteren Zyprer geschlagen geben. Sein großer Bruder meinte: „Man kann auf diese Leistung aufbauen. Es war erst sein zweiter Wettkampf in dieser neuen Gewichtsklasse. Eigentlich ist er noch drei Kilogramm zu leicht.“ Auch mit der eigenen Leistung und der lautstarken Unterstützung des Coque-Publikums zeigte sich Claudio dos Santos am Abend zufrieden: „Die Erwartungen waren hoch. Wenn man weiter von zu Hause weg ist, hat man nicht diese Unterstützung. Ich fühlte mich geehrt, etwas zurückgeben zu können.“
Um den Judoka war es zuletzt auf der internationalen Bühne ruhiger geworden. Nach seiner Grundausbildung in der Armee hat sich der Athlet neu orientieren müssen, da es nicht zum großen Durchbruch gekommen war. „Ich habe meine Planungen etwas geändert. Wir haben bei den Grand Slam etwas zu hoch gegriffen. Es hat sehr an meinem Selbstbewusstsein genagt, jedes Mal schon nach der ersten Runde die Heimreise antreten zu müssen. Das war nicht einfach.“ Deshalb reisten Dos Santos und Nationaltrainer Jasper Huitsing nur durch Europa. „Wir haben entschieden, uns wieder auf das kontinentale Niveau zu konzentrieren, um wieder neu anzugreifen. Ich war jetzt zweimal sehr nah an der Medaille dran (Platz 5 und 7). Ich hoffe, dass es bald so weit ist und wir uns dann wieder an das Weltniveau herantasten können.“ Doch bevor es so weit ist, muss er in wenigen Wochen noch seinen nationalen Titel verteidigen. Dass die Wachablösung noch nicht für heute und morgen geplant ist, steht fest – doch der kleine Bruder wird weiterhin vom Besten lernen können.
Hochrangige Gäste
Pünktlich zum Finale von Claudio dos Santos war am Samstagabend Sportminister Georges Engel in der Coque erschienen – und wurde Zuschauer des Ippon, mit dem sich der Sportsoldat die Goldmedaille im eigenen Hause sicherte. Auf der VIP-Tribüne war zu diesem Moment ebenfalls der japanische Botschafter mit seiner Ehefrau anzutreffen. H.E. Tadahiro Matsubara ließ sich die Gelegenheit nicht entgehen, selbst ein paar der Medaillen zu überreichen.
Souveräner Auftritt
Die großen Goldmedaillen-Hoffnungen lasteten im Luxemburger Lager auf den beiden internationalen Aushängeschildern Claudio dos Santos und Kenza Cossu. Beide haben ihre Kämpfe allesamt vorzeitig gewonnen und ließen zu keinem Moment Zweifel an ihrer Dominanz bei diesem Turnier aufkommen. Bei den Cadets richteten sich die Blicke auf mehrere Nachwuchstalente: Der Escher Lucas Trapp marschierte regelrecht durch das Turnier, während Micha Welter dreimal gegen den gleichen Gegner antreten musste. Zweimal behielt der FLAM-Athlet die Oberhand und sicherte sich Gold. Bei den U18-Mädchen setzte sich Chloé Schillings durch. Weitere Medaillen gab es für Carla Tavares (Silber) und Kevin dos Santos (Silber), Monique Kedinger gewann Gold bei den -70-kg-Damen.
„Oldies“ aus dem Hut gezaubert
Die letzte Goldmedaille des Turniers gewann Luxemburg am Sonntag im Team-Wettbewerb. Drei Damen und drei Männer traten pro Nation an. Da die FLAM allerdings nur mit vier Senioren für die Einzelkategorien angetreten war, zauberten die Trainer gleich mehrere Überraschungen aus dem Hut. Sowohl Tom Schmit als auch Denis Barboni kehrten für das spezielle Event noch mal auf die Tatamis zurück. Im Finale behaupteten sich die FLAM-Athleten klar 4:0 gegen Zypern und ließen sich gebührend für den Triumph feiern.
De Maart








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