EM-QualifikationTina Welter will mit der Handball-Nationalmannschaft „für eine Überraschung sorgen“

EM-Qualifikation / Tina Welter will mit der Handball-Nationalmannschaft „für eine Überraschung sorgen“
Handball-Nationalspielerin Tina Welter hat ihre Profikarriere beendet und spielt in der kommenden Saison wieder in Luxemburg Archivbild: Le Quotidien/Luis Mangorrinha

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Die Luxemburger Handball-Nationalmannschaft der Damen tritt ab Donnerstag in der ersten Qualifikationsphase zur Europameisterschaft 2022 an. In Pristina trifft die FLH-Auswahl auf Portugal, Kosovo und Zypern. Im Tageblatt-Interview spricht Nationalspielerin Tina Welter nicht nur über die anstehenden Herausforderungen mit der Nationalmannschaft, sondern auch über ihre persönliche Entscheidung, ihre Bundesliga-Karriere im Alter von 28 Jahren zu beenden.

Tageblatt: Sie haben sich vor kurzem von Ihrem Verein Frisch Auf Göppingen verabschiedet. Wie behalten Sie Ihre letzte Saison als Profispielerin in der 1. Bundesliga in Erinnerung?

Tina Welter: Die Saison ist für uns nicht gut gelaufen, wir haben immer nur unten in der Tabelle mitgespielt. Am Ende sollte es dann nicht zum Klassenerhalt reichen. Durch die Corona-Situation war es schwierig. Vor allem im Kampf um den Klassenerhalt ist die Unterstützung der Zuschauer wichtig, um sich immer wieder neu zu motivieren.

Warum haben Sie sich dazu entschieden, Frisch Auf Göppingen nun zu verlassen?

Es gibt mehrere Gründe. Ich habe acht Jahre lang in Deutschland gespielt. Ich hätte zwar die Möglichkeit gehabt, jetzt noch zu einem anderen Verein im Ausland zu wechseln, dies hat sich aber nicht mehr richtig angefühlt. Ich habe mich in den vergangenen Monaten intensiv damit beschäftigt und entschieden, meine Priorität nun auf die Armee zu legen und das Examen zum Unteroffizier zu machen. Zudem will ich eine Trainer-Ausbildung beginnen.
Ich habe zuvor immer gesagt, dass ich mit 30 Jahren zurück nach Luxemburg kommen würde, für mich war es aber jetzt schon der richtige Zeitpunkt, aufzuhören. Auch wenn wir abgestiegen sind, kann ich so meine Karriere im Ausland als Spielerin der ersten Bundesliga abschließen. 

Hätte der Klassenerhalt etwas an Ihrer Entscheidung geändert?

Nein, die Entscheidung stand schon länger fest. Im Januar habe ich schon erste Gespräche geführt, ich wollte den Verein sowieso wechseln. Die Philosophie hat nicht mehr richtig gepasst. Göppingen hat sehr viele junge Spielerinnen im Kader, fast alle Älteren haben den Verein verlassen. Außerdem wollte ich etwas ganz Neues machen. Es gab einige Angebote, aber man muss auch irgendwann anfangen, sich Gedanken um die eigene Zukunft zu machen. 
Wenn sich noch einmal ein Topklub bei mir gemeldet hätte, dann hätte ich vielleicht noch einmal darüber nachgedacht, noch im Ausland zu bleiben. Aber ich bin jetzt eigentlich mit meinem Entschluss zufrieden und freue mich darauf, zurück nach Luxemburg zu kommen – und mich dort auf Familienplanung und Karriere zu konzentrieren. 

Handball werden Sie aber auch in Luxemburg weiter spielen …

Ja, ich weiß aber noch nicht, wo. Es laufen ein paar Gespräche, aber ich will mich jetzt noch nicht festlegen und mich vorerst auf die EM-Qualifikation konzentrieren. Das hat jetzt erst mal Priorität. Ich will mir auch Zeit nehmen, mir alle Angebote und Projekte anzuhören – eine Entscheidung treffe ich erst Mitte oder Ende Juni.

Es ist uns wichtig, ohne Druck zu spielen

Tina Welter, über die anstehenden Qualifikationsspiele

Der Fokus liegt also erst einmal auf der Nationalmannschaft – im März haben Sie bereits mit der FLH-Auswahl in der WM-Qualifikation gespielt. Gegen Israel, die Ukraine und die Slowakei gab es drei Niederlagen. An welchem Bereich hat die Mannschaft seitdem gearbeitet?

Wir haben den Fokus auf die Defensive gelegt, daran müssen wir noch ein bisschen arbeiten. Eigentlich haben wir aber an allen Bereichen ein bisschen gefeilt. Wir haben uns auf die drei Gegner eingestellt und unser System an sie angepasst. Wir haben auch analysiert, was wir zum Beispiel damals gegen Israel alles falsch gemacht haben und was gegen die Ukraine gut lief. Wir haben die Fehler, die wir im März begangen haben, aufgearbeitet, sodass wir den Wettbewerb diesmal ganz anders angehen werden.
Es ist uns wichtig, ohne Druck zu spielen. Denn gegen Israel haben wir uns im März im Voraus viel zu viele Gedanken gemacht, weil wir wussten, dass die Möglichkeit bestand, zu gewinnen. Dies dürfen wir diesmal nicht zulassen, wir müssen einen kühlen Kopf bewahren.
Wir wissen, dass wir nicht Favorit sind, diese Rolle nimmt Portugal ein. Wir werden ohne Druck in den Wettbewerb gehen und versuchen, die mentale Einstellung, die wir im März gegen die Ukraine und die Slowakei gezeigt haben, zu wiederholen. Wichtig ist, dass wir zusammenhalten und Fehler vermeiden. Wir wollen natürlich gewinnen, dürfen uns aber gleichzeitig keine falschen Hoffnungen machen. Wir werden uns nicht wieder, wie gegen Israel, bereits im Voraus verrückt machen.

Portugal, Kosovo und Zypern heißen die drei Gegner in der EM-Quali. Worauf wird es gegen diese drei Teams ankommen?

Wir wissen nicht genau, welches System die drei Teams gegen uns anwenden werden. Portugal spielt gerne Sieben-gegen-sechs. Die Spielerinnen sind individuell stark und nutzen jede Lücke aus. Sie spielen aber auch kollektiv sehr gut zusammen. Sie spielen immer nach dem gleichen Schema, darauf haben wir uns intensiv eingestellt. Wir versuchen, dieses zu brechen, denn dann fehlen ihnen die Alternativen. Deutschland hat schon gezeigt, dass man so gegen Portugal gewinnen kann. Es ist aber schwer im Voraus zu sagen, ob sie auch gegen uns mit diesem System spielen.
Bei Kosovo ist die Situation ein bisschen anders. Dort gibt es viele Spielerinnen, die zwar gut individuell spielen – in der Defensive haben sie aber Schwierigkeiten, als Kollektiv zu arbeiten. Sowohl Portugal als auch Kosovo haben jedoch sehr erfahrene Spielerinnen. 
Zypern kennen wir noch gar nicht. Solche Mannschaften sind aber auf keinen Fall zu unterschätzen.

In der WM-Qualifikation haben Sie erst in der letzten Partie gegen den stärksten Gegner gespielt. Diesmal wartet der schwerste Gegner gleich am Anfang. Sehen Sie dies als Vor- oder Nachteil?

Ich persönlich glaube, es ist gut, dass wir sofort gegen den schwersten Gegner spielen. Wir müssen im ersten Spiel gegen Portugal nämlich wirklich alles geben. Wenn der stärkste Gegner aber als letztes wartet, dann besteht das Risiko, dass die Luft schon raus ist. Dies ist uns im März gegen die Slowakei passiert. Zunächst konnten wir noch mithalten, danach gerieten wir aber unter die Räder. Physisch ist es nämlich für viele Spielerinnen anstrengend, an drei aufeinanderfolgenden Tagen zu spielen. 

Das Motto lautet, ohne Druck zu spielen, gibt es dennoch eine Zielsetzung?

Natürlich. Wir wollen für eine Überraschung sorgen. Im Handball kann es schon mal vorkommen, dass der Favorit verliert. Die Gegner werden sich wahrscheinlich auf uns vorbereitet haben und auch wenn ich persönlich nicht daran glaube, kann es sein, dass wir unterschätzt werden. 
Wir müssen aber realistisch bleiben. Mit Portugal erwartet uns ein sehr erfahrener und schwieriger Gegner, das Ziel lautet deshalb, wenigstens zwei von drei Spielen zu gewinnen. Ich persönlich will natürlich alle Spiele gewinnen.
Es ist in diesem Fall aber auch schwierig, unsere Ziele in Zahlen wiederzugeben. Wenn es am Ende nicht für Siege reicht – wir aber trotzdem gute Spiele gezeigt haben –, dann müssen wir die Erfahrungen mitnehmen und daraus für die kommenden Länderspiele lernen. Nur so können wir uns Jahr für Jahr weiterentwickeln.

Die Quali-Spiele im März wurden in der Coque ausgetragen, diesmal dürfen Sie nach Pristina (Kosovo) reisen. Freuen Sie sich auf die Reise oder wären Ihnen Heimspiele lieber gewesen?

Natürlich ist es immer am schönsten, zu Hause zu spielen. Ich freue mich aber auch darauf, diesmal auswärts anzutreten. Wir hätten uns aber vielleicht eher erhofft, nach Portugal reisen zu dürfen (lacht). Wir freuen uns auf jeden Fall auf die Reise, dadurch wächst man auch als Team enger zusammen. 
Für Sightseeing bleibt aber nicht viel Zeit, unser Fokus liegt darauf, die Tage konsequent für Training und die Spiele zu nutzen.