Hartes Erwachen beim Bol d’OrChris Leesch und sein Team feiern Titel, werden aber tags drauf disqualifiziert

Hartes Erwachen beim Bol d’Or / Chris Leesch und sein Team feiern Titel, werden aber tags drauf disqualifiziert
Noch am Sonntag dachte das Team um Chris Leesch (l.), den Bol d’Or gewonnen zu haben … Foto: FIM EWC

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Auf dem Circuit Paul Ricard fand beim Bol d’Or wieder ein dramatisches Rennen mit einem atemberaubenden Ende statt, das Rac41 Chromeburner und Chris Leesch zum Sieg in der seriennahen Kategorie Superstock führte – eigentlich. Wegen 0,15 Litern im Tank wurde der Titel jedoch aberkannt. 

Fast schon prophetisch hatte ein übermüdeter, fiebernder und gleichzeitig überglücklicher Chris Leesch am Sonntagabend mit der Medaille als World-Cup-Sieger um den Hals resümiert: „Die Woche in Le Castelet war eine Achterbahnfahrt mit einem Umschwung in letzter Minute.“ Doch diese Woche der Entscheidung zog sich in den Montag und seine Abschiedsworte kann er nicht mehr umsetzen: „Es sind so viele Emotionen mit dem Titelgewinn und jetzt ist für mich Erholung angesagt. Ich bin einfach zu müde zum Feiern und habe hohes Fieber, aber ich werde nachfeiern.“ Doch der Reihe nach.

Von der 25. Startposition wegen einer Qualifikation mit kleineren technischen Problemen startete Leesch stark auf der leicht feuchten Strecke, war nach der ersten Runde 17. und blieb beim Wechseln auf Trockenreifen auf seiner Honda Fireblade sitzen. Nach dem doppelten Stint übergab er nach anderthalb Stunden den Lenker als Elfter und zweiter im Superstock. Alles lief nach Plan, während unter den Titelanwärtern die Polesetter von Tecmas-BMW und No Limits Honda früh mit technischen Problemen ausschieden.

Nach zwei Stunden machte aber auch die #41 Mucken und Leesch erzählt: „Wir hatten den Titel bereits etwas aufgegeben, da wir mit einem Problem am Licht viel Zeit verloren. Wir mussten zweimal in die Box, haben zwei Runden verloren. Wir konnten die zwei Runden aber wieder aufholen und waren heute Morgen in der gleichen Runde wie die Führenden.“ Eine halbe Stunde vor Rennende blendete die Regie das entscheidende Duell um die Krone der World Cups ein: Chris Leesch lag rund drei Sekunden hinter der #55 von National Motos und wer von beiden als Erster über die Ziellinie fährt, sollte Meister, der andere Vizemeister werden. Doch alle Trümpfe hatte National Motos.

Bittere Disqualifikation

Diese fuhren den ganzen Bol d’Or ähnliche, oft leicht schnellere Rundenzeiten wie Rac41 und aufgeholt hatte man bei einem folgenlosen nächtlichen Sturz und in einer Safety-Car-Phase am Morgen mit einem gleichzeitigen, aber schnelleren Fahrerwechsel, der eine halbe Runde brachte. Doch die Honda-Konkurrenz hatte beide Zwischenwertungen gewonnen, Rac41 wurden nach acht und 16 Stunden Dritte sowie Zweite und lagen im World Cup jetzt einen Punkt zurück. Und vor allem musste Chris Leesch noch einmal in die Box, National Motos hatte bereits nachgetankt.

Zum Sieg fehlten nur noch gut 50 von über 3.500 Rennkilometer als die Nummer 55 plötzlich langsamer wurde und an die Box fuhr. Offensichtlich kränkelte der Motor und nach einigen Minuten humpelte die Honda nur noch zur Zielgeraden, um auf die erlösende Zielflagge zu warten. Als Zweiter hinter Team 33 drosselte Wayne Tessels sofort das Tempo, sie mussten nur noch über die Ziellinie. Das ganze Team wartete am Boxenzaun und Chris Leesch schildert: „Ein wenig unerwartet konnten wir zum Schluss so doch noch den Titel feiern. Es ist grandios. Es war natürlich ein enorm emotionaler Moment, als Wayne als Erster, also Zweiter im Rennen über die Ziellinie fuhr.“ Zwischendurch liefen nicht nur ihm Glückstränen über die Wangen, im Interview stammelte der sonst so souveräne Teamchef Julien Diguet überglücklich von einem Kindheitstraum, konnte seine überbordende Freude nicht in Worte fassen.

Am Montagmorgen folgte sein unerwartetes und souveränes Statement: „Hier ist das Bild (vom Teamchef mit dem World Cup), von dem ich träume, aber leider ist es nicht mehr aktuell. Mit schwerem Herzen teile ich mit, dass wir vom Bol d’Or 2023 disqualifiziert wurden, weil der (24 Liter fassende) Tank um 0,15 Liter nicht konform war.“ Anschließend lobte er sportlich die korrekte Entscheidung und die Konkurrenz für Fairplay und Unterstützung. National Motos habe den Titel genauso verdient und Team 33 Louit Moto habe die Disqualifikation und den eigenen Titelgewinn am späten Abend nicht kommuniziert, weil sie ihn nicht legitim fänden. Ein wenig trotzig findet auch er: „Denn selbst wenn wir offiziell die Krone nicht behalten, so weiß jeder, dass wir sie gewonnen haben.“ Jetzt gelte es, die bittere Pille zu schlucken und 2024 für einen zweiten Titel vorzubereiten.

In der umkämpften EWC-Weltmeisterschaft gewann Yoshimura SERT Motul auf Suzuki mit am Ende nur noch zwei Fahrern den Bol d’Or und Yamalube YART Yamaha holten als Vierte den Titel.