Es war lange Monate ruhig geworden um Michel Erpelding, der in Nordirland beim legendären Gerry Storey große Fortschritte gemacht hatte und eigentlich die Spiele von Tokio anpeilte. Mitte September landete er dann auf einem fünften Platz bei der 58. Militär-WM in Moskau. Der ruhige, bodenständige Athlet erzählt: „Ich habe dem Kasachen im Viertelfinale ein besseres Match geliefert als die späteren Gegner. Es war ein knappes Match und meine Leistung wirklich ok.“ Jener Abzal Kuttybekov wurde Militärweltmeister, ist immerhin 23. der Weltrangliste und es war wohl Erpeldings Pech, nach einem ersten gewonnenen Duell gegen den Kenianer Fredrick Omyango bereits früh auf den stärksten Kämpfer zu fallen.
Erpelding ist ein Einzelkämpfer. Gezwungenermaßen und nicht so sehr, weil am Ende er im Ring die Schläge einstecken muss, sondern weil Boxen in Luxemburg eine völlige Randsportart ist. Es gibt nur sehr wenig Struktur, kaum Unterstützung und keine wirklichen Gegner und Trainingspartner. Auch deshalb ging er mit dem Traum vom Profiboxen und einem klaren Plan nach Irland. Sich für Olympia qualifizieren und dann ins Profilager aufsteigen. „Die Pandemie hat aber alles geändert und eigentlich war anderthalb Jahre kaum was los bei mir“, erzählt er. Zahlreiche Änderungen und auch Absagen von Qualifikationsturnieren versperrten ihm den Weg nach Tokio. Etliche Monate hielt er sich zu Hause in Duelem mit der Arbeit am Boxsack fit. Draußen, unter dem Carport. Da war es bereits eine große Erleichterung, unter weniger strengen Covid-Bedingungen ins Gym seines Central Boxing Club Luxembourg zu dürfen und wieder Sparring kämpfen zu können. Allerdings gegen Anfänger, während sich Abzal Kuttybekov gegen drei Landsmänner verbessern konnte, die noch vor ihm in der Weltrangliste liegen.
Zufall öffnet neue Wege
„Wenn ich mich mit Boxern aus anderen Ländern vergleiche, dann ist ein großer Unterschied, dass die sich um nichts kümmern müssen. Denen wird gesagt, dann Training, dieses Sparring, jene Matches, das Turnier. Ich muss mich um alles selber kümmern“, erzählt Erpelding. Der sich jedoch über die Unterstützung des LIHPS beim Training und der Regeneration nach einer Handverletzung freut. Und ein Zufall öffnete dann neue Wege: „Der dortige Trainer war mit dem früheren schweizerischen Nationaltrainer in einem Kurs und jener suchte für einen seiner Kämpfer einen Sparringpartner.“ Erpelding machte sich gleich auf den Weg und bereits nach jener Woche in der Schweiz fragte er, ob Michael Sommer nicht auch ihn unter seine Fittiche nehmen würde.
Nach einigen Monaten des anstrengenden, aber fruchtbaren Pendelns im Wochenrhythmus zwischen Luxemburg und der Schweiz kam die nächste Wendung. Im Großherzogtum arbeitete mittlerweile ein Trainer, der früher in der rumänischen Nationalmannschaft boxte und 15 Jahre USA-Erfahrung hatte. Nach schneller Eingewöhnung schaffte man in Moskau fast die große Überraschung. „Schade, denn ich hätte da auf internationalem Niveau eine Medaille erreichen können“, bedauert Erpelding, der unter starken Boxern aus dem Ostblock, Lateinamerika und Afrika von seinem kasachischen Gegner anfangs unterschätzt wurde. „Nach 20 Sekunden dachte er sicher ‚Oh Merde‘.“
Erpelding konnte sich auch mit seiner Erfahrung und seinem Stil durchsetzen. „Mein letztes Sparring gegen einen guten Konterboxer hatte ich vor Jahren und so musste ich ständig überlegen, was ich tun sollte“, erklärt der 91-Kilo-Mann. Aus seinem starken Auftritt ergaben sich aber neue Kontakte und mögliche Sparringgelegenheiten. Doch auch mit dem Traum eines kompetenten Heimtrainers bestand weiter ein Problem: „Der Trainer ist wirklich gut, aber die Vorbereitung im Sparring zu Hause grausam. In vier Wochen ist die WM und ich brauche eine bessere Vorbereitung“, befand Erpelding Ende September. Der Rumäne muss jedoch zuerst in seiner Boxhalle Geld verdienen, da es in Luxemburg keinen Posten eines Nationaltrainers gibt, der Erpelding begleiten könnte, ohne dass jener alles bezahlen müsste.

Profikarriere im Blick
Über seinen vorherigen schweizerischen Trainer kam er drei Wochen vor der WM im Trainingslager der Italiener unter, wo er aktuell wie normal dazugehört und sich freut: „Das Training ist megagut. Ich mache viel Sparring mit einem Linkshänder, der Nummer 10 der Welt, und er ist extrem kompliziert zu boxen. Ich hätte lieber den Weltmeister als Gegner. Aber ich komme immer besser klar, kann gegen ihn Treffer landen. Und wenn ich gegen ihn landen kann, dann gegen jeden.“ Jener Italiener unterlag in der Qualifikation dem späteren russischen Silbermedaillengewinner von Tokio nur nach einer umstrittenen Schiedsrichterentscheidung. „Das ist das Niveau, auf dem ich aktuell trainiere, und da will ich hin“, erklärt Erpelding und findet: „Wenn du nicht der Beste werden willst, brauchst du es gar nicht erst zu probieren.“
Auch wenn er bereits verschiedene Optionen hat, weiß Erpelding aktuell nicht, wie es nach der WM weiter geht. Er weiß aber, dass er ohne Medaille bei großen Terminen wie EM, WM oder den Spielen kaum einen ordentlichen Profivertrag in einem guten Stall erhalten kann: „Ich versuche einfach, Resultate zu machen, und schaue dann, welche Möglichkeiten und Verträge ich habe, um eine Profikarriere zu starten.“
De Maart
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