Auswahltrainer Luc Holtz war angetan von der ersten Hälfte, bemängelt aber auch die Disziplinlosigkeit
einiger Spieler.
Tageblatt: Herr Holtz, Sie hatten Zeit, sich einige Gedanken über das Testländerspiel gegen Ungarn zu machen. Welche Erkenntnisse konnten gewonnen werden?
Luc Holtz: „Unsere Leistung entspricht nicht dem Resultat, deshalb darf man ein wenig enttäuscht sein. Es ist kein Drama, zu verlieren, wir müssen uns alle vom Gedanken entfernen, die Niederlagen einfach so hinzunehmen. Gegen Ungarn habe ich eine sehr interessante erste Hälfte gesehen, in der wir uns Torchancen erarbeitet haben. Das Spiel war eine Bestätigung der Leistungen der letzten Monate.“
„T“: Trotzdem konnte die Mannschaft nach der Pause nicht mehr an die in der ersten Hälfte gezeigte Leistung anknüpfen. Zu diesem Zeitpunkt fiel auch das Tor. Was sind die Gründe dafür?
L.H.: „Wir haben oft Probleme, uns nach der Pause wieder an den Rhythmus einer internationalen Partie zu gewöhnen. Wir haben uns zu passiv verhalten, und es herrschte auch eine gewisse Müdigkeit. In Ballbesitz haben wir zudem schlecht agiert. Schlussendlich haben sich die Ungarn als sehr athletische Mannschaft präsentiert, und es war schwer, in Hälfte zwei noch eine Schippe draufzulegen und vielleicht entscheidende Eins-gegen-eins-Situationen zu gewinnen.“
„T“: In den letzten 20 Minuten lief es wieder besser.
L.H.: „Ich habe einige müde Spieler ersetzt und auch Positionswechsel vorgenommen. Außerdem haben wir das Spiel offensiver ausgerichtet, so dass wir den Ball früher angreifen konnten.“
„T“: In der Pressekonferenz nach dem Spiel hatten Sie Tom Laterza stark kritisiert. Gab es mittlerweile ein klärendes Gespräch?
L.H.: „Es gibt kein Gespräch zu führen. Ich habe ihm mehrmals in der Vergangenheit gesagt, dass er konzentrierter auftreten muss. Irgendwann muss Tom begreifen, dass Länderspiele eine andere Bühne sind, auf der man sich anders als in den Jugendkategorien benehmen muss. Jede Zehntelsekunde kann entscheidend sein. Man kann nicht drei Stunden vor dem Spiel ‚Tralala‘ machen und sich von einem Moment auf den anderen fokussieren.“
Provinzdenken
„T“: Wie stehen die Chancen, dass Tom Laterza gegen Weißrussland trotzdem aufläuft?
L.H.: „Jeder hat die Möglichkeit, zu spielen. Mehr will ich dazu nicht sagen.“ (schmunzelt)
„T“: Auch die Verletzung von Gilles Bettmer ist Ihnen ein Dorn im Auge.
L.H.: „Nach einem Spiel sind die beiden ersten Stunden am wichtigsten für die Erholung. In diesem Moment muss der Spieler sich richtig ernähren und viel trinken. Vor allem für einen Spieler wie Gilles, der physische Probleme hat, ist das wichtig. Ich kann nicht behaupten, dass die Verletzung auf diese Umstände zurückzuführen ist, aber das spielt mit Sicherheit eine Rolle. Ich habe vollstes Verständnis dafür, dass ein Pokalgewinn gefeiert werden will, aber man muss auch wissen, was danach kommt. Ein weiteres Problem ist, dass die F91-Spieler erst nach Mitternacht im ‚Hotel Leweck‘ erschienen sind. Guy Hellers hat darauf gepocht, dass sie an einem Empfang für Sponsoren teilnehmen. Das hat mir nicht gefallen. So leid es mir tut, aber beide Fälle zeugen von Provinzdenken.“
„T“: Durch die Ausfälle von Aurélien Joachim, Gilles Bettmer und Mario Mutsch sind Sie gezwungen, für das Spiel gegen Weißrussland zu reagieren. Wie bewerten Sie die Leistung von Edeljoker Dan da Mota, der erstmals seit Längerem in der Startelf stand?
L.H.: „Er hat eine exzellente erste Hälfte geboten. Es war von Anfang an klar, dass Joël Kitenge später Da Mota ersetzt. Denn diesen Kraftaufwand kann er keine 90 Minuten betreiben. Außerdem wollen wir diese Leistung gegen Weißrussland wiederholen.“
„T“: Ist gegen Weißrussland Dan da Mota nicht doch besser als Joker aufgehoben?
L.H.: „Durch seine Kraft und Schnelligkeit bringt Da Mota Tiefe ins Spiel, das ist sehr wertvoll in den letzten 30 Minuten. Joël Kitenge hat hingegen andere Qualitäten und ist stärker mit dem Rücken zum Tor. Ihm fehlen jedoch der Laufrhythmus und die Explosivität. Beide sind Kandidaten für die Anfangself.“
„T“: Wie soll Gilles Bettmer ersetzt werden?
L.H.: „Seine Verletzung bietet anderen Spielern die Möglichkeit, zu zeigen, dass sie in die Startformation gehören. Im Fußball ist alles möglich, und viele Spieler drängen sich auf. Das ist eine sehr interessante Konstellation für die Zukunft.“
„T“: Wird Massimo Martino als Linksverteidiger Mario Mutsch gegen Weißrussland ersetzen?
L.H.: „Davon kann man ausgehen. Massimo hat sich positiv entwickelt in den letzten Monaten. Vor einiger Zeit ist mit ihm noch zu oft das italienische Temperament durchgegangen. Wenn es nicht lief, wurde er hektisch und nervös. Nun ist er auf seine Leistung fokussiert und stellt für mich mehr als eine Alternative dar. Massimo ist auf dem richtigen Weg.“
„T“: Das Saisonende war für viele Spieler kräfteraubend. Wie sieht die Vorbereitung auf das Spiel gegen Weißrussland aus?
L.H.: „Nach den letzten EM-Qualifikationsspielen haben sich Joachim Löw und Laurent Blanc darüber beklagt, dass ihre Spieler eine Pause brauchen. Ich glaube, das können wir auch für uns beanspruchen. Das soll keine Ausrede im Vorfeld des Spiels sein, aber die Spieler haben schon viele Kräfte gelassen. In den Tagen bis zum Spiel steht vor allem Erholung auf dem Programm. Wir müssen physisch absolut auf der Höhe sein, denn Weißrussland hat nicht umsonst vier Punkte gegen Frankreich geholt.“
De Maart
Sie müssen angemeldet sein um kommentieren zu können