UkraineZweistündiger Video-Gipfel zwischen Biden und Putin brachte weder Durchbruch noch Truppenabzug

Ukraine / Zweistündiger Video-Gipfel zwischen Biden und Putin brachte weder Durchbruch noch Truppenabzug
Ukraines Präsident Wolodymyr Selenski zeigte sich gestern zufrieden mit dem Spitzengespräch Biden-Putin Foto: Valentyn Ogirenko/Pool/AFP

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In der Ukraine herrschte am Mittwoch große Freude darüber, dass Joe Biden während des zweistündigen Video-Gipfels mit Wladimir Putin standfest geblieben sei und nicht nachgegeben habe.

Staatspräsident Wolodymyr Selenski sprach am Rande eines Treffens mit dem kroatischen Regierungschef Andrej Plenkovic in Kiew gar von einem „Sieg der Ukraine“ bei dem Videogipfel. Eine weitere Erklärung zu dieser Einschätzung verweigerte der Ukrainer mit Verweis auf ein Telefongespräch mit Biden am heutigen Donnerstag. „Ich will zuerst mit dem US-Präsidenten über sein Gespräch mit Putin sprechen“, sagte Selenski.

Weniger optimistisch klang es am Mittwoch in Selenskis Präsidentenpalast. Michailo Podolek ließ verlauten, dass der Video-Gipfel „keine Sensation“ gebracht habe. Der Vertreter der Präsidialadministration dankte jedoch den USA für ihre Unterstützung und der Verteidigung der Souveränität und territorialen Integrität der Ukraine.

„Das Gespräch zwischen Biden und Putin läuft an sich schon auf eine Abschreckung und De-eskalation hinaus“, wendete der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba den Gipfel ohne Durchbruch zum Positiven. Nun sei es aber wichtig, gemeinsam mit den USA und der EU ein Abschreckungspaket auszuarbeiten, mahnte Kuleba an.

Kontext: Biden hatte Putin schwere wirtschaftliche Nachteile im Fall einer Invasion in die Ukraine in Aussicht gestellt. Er drohte für diesen Fall weitere Waffenlieferungen an Kiew und eine deutliche Verstärkung der NATO-Ostflanke in Polen, Rumänien und dem Baltikum an sowie eine Verlegung neuer US-Truppen in die Gegend. Dazu äußerte Biden offenbar die Hoffnung, dass die neue deutsche Regierung unter Kanzler Olaf Scholz im Fall einer russischen Invasion die inzwischen fertiggestellte, aber noch nicht in Betrieb genommene Gaspipeline North Stream 2 durch das Baltische Meer aufkündigen würde.

Kein Angebot aus Moskau

Putin hatte in dem Gespräch mit Biden erneut das Vordringen der NATO nach Osten in die Nähe von Russlands Grenzen kritisiert und Garantien gefordert, dass die Ukraine, Georgien und Moldawien nie der NATO beitreten könnten. Diesen Ansinnen entgegnete die amerikanische Vize-Außenministerin Victoria Nuland bereits am Dienstag. „Die NATO ist für jede europäische Demokratie offen“, sagte sie noch vor dem Putin-Biden-Gespräch. Falls sich Russland ändere, könne es ebenfalls der NATO beitreten, bot Nuland Putin an.

Auch Putin blieb in dem Gespräch indes hart und versprach weder einen Truppenrückzug noch weniger Druck auf Kiew. An westliche Wirtschaftssanktionen habe sich Russland gewöhnt, spielte er diese Drohung Bidens herunter. Laut Angaben der US-Geheimdienste hat Russland an der Ostgrenze zur Ukraine 100.000 Soldaten und viel Armee-Material konzentriert. Dazu könnten sehr schnell weitere 75.000 Soldaten kommen, heißt es in Washington. Die USA halten auch nach dem Gespräch weiterhin eine russische Invasion der Ukraine im Januar für möglich. Putin bestritt solche Absichten.

Polnische Kommentatoren freuten sich am Mittwoch über Sicherheitsgarantien für eine weitere Stärkung der NATO-Ostflanke. Das angesehene Warschauer „Zentrum für Osteuropastudien“ (OSW) sah allerdings die Video-Konferenz eher als Erfolg für Russland, da Moskau ein solches Gespräch offenbar erzwingen konnte. OSW wies ebenfalls darauf hin, dass der Kreml versucht sein könnte, das Videogespräch zwischen Putin und Biden als Beginn von Verhandlungen über die Zukunft der Ukraine darzustellen.