Sechs Jahre ging es gut, nun steht Portugals „Klapperkiste“, wie die wackelige Minderheitsregierung von Premier António Costa im Volk genannt wird, vor dem Ende. Nachdem das Parlament den Haushalt für das kommende Jahr ablehnt hat, steuert das Land auf Neuwahlen zu. Ausschlaggebend war bei der Abstimmung, dass zwei kleine Linksparteien, die den sozialistischen Regierungschef bislang im Parlament gestützt hatten, gegen den Etatentwurf votierten, weil das Budget ihrer Meinung nach zu wenig soziale Akzente setzt.
Costas Sozialisten haben im Parlament nur 108 der 230 Sitze. Insgesamt 117 Parlamentarier aus den Reihen der Konservativen und der Linken stimmten nach zweitägiger Debatte gegen den Haushalt. Fünf weitere Abgeordnete enthielten sich.
Portugals Staatspräsident Marcelo Rebelo de Sousa machte bereits klar, dass er daran denkt, das Parlament aufzulösen und Neuwahlen anzusetzen. Diese präsidiale Vollmacht wird in Portugal als „politische Atombombe“ bezeichnet. Die offizielle Entscheidung will der Staatschef kommende Woche und nach Beratung mit allen Parteien bekannt geben.
Streit um Aufstockung des Mindestlohnes
Ohne Budget, das in 2022 auch durch die EU-Milliardenhilfen für die Überwindung der Corona-Krise finanziert werden soll, sei keine seriöse Politik zu machen, sagte Rebelo de Sousa. Die zweite Amtszeit von Premier Costa, die im Herbst 2019 begann und eigentlich bis 2023 dauern sollte, steht somit voraussichtlich schon nach zwei Jahren vor dem Aus.
Bis zuletzt hatte Ministerpräsident Costa an seine Verbündeten appelliert, ihm nicht die Unterstützung zu entziehen. „Das Letzte, was die Bürger wollen, ist der Sozial-, Wirtschafts- und Corona-Krise jetzt noch eine politische Krise hinzuzufügen“, sagte er.
Doch seine bisherigen Partner, der Linksblock und die Kommunistische Partei, gaben nicht nach. Sie forderten für 2022 eine drastische Aufstockung des Mindestlohnes auf 850 Euro, derzeit liegt er bei 665 Euro. Zudem bestanden sie auf üppigen Zuschlägen für die Rentner. Costa gingen diese Forderungen zu weit, weil diese den wirtschaftlichen Aufschwung und den Schuldenabbau des Staates gefährden würden. Er zeigte sich aber zu maßvollen Erhöhungen bereit.
Das Letzte, was die Bürger wollen, ist der Sozial-, Wirtschafts- und Corona-Krise jetzt noch eine politische Krise hinzuzufügen
Der 60 Jahre alte Costa ist seit 2015 mit seiner sozialdemokratisch orientierten Sozialistischen Partei im Amt. Seitdem konnte er erhebliche politische Erfolge bei der Sanierung des schwer angeschlagenen Staates verbuchen, der lange Zeit als europäisches Sorgenkind galt und 2011 von der EU vor der Staatspleite gerettet werden musste.
Unter Costa erreichte Portugal wieder einen ausgeglichenen Haushalt, der allerdings zuletzt durch die Pandemie erneut ins Minus rutschte. Portugals Wirtschaft wuchs in den letzten sechs Jahren überdurchschnittlich, in 2022 soll die Ökonomie sogar um mehr als fünf Prozent zulegen. Die Zahl der Arbeitslosen halbierte sich während Costas Amtszeit auf sieben Prozent.
Diese Erfolge brachten dem Sozialisten Costa und seiner Mitte-links-Regierung sogar in Brüssel große Anerkennung ein, wo vom „europäischen Musterknaben“ und dem „portugiesischen Wunder“ die Rede war.
Dabei hatte Costa bei seinem Dienstantritt in 2015 das Ende der von Brüssel durchgesetzten harten Sparpolitik angekündigt. So nahm er zum Beispiel Kürzungen für die Beamten und Rentner wieder zurück. Auch der Mindestlohn stieg unter Costa, allerdings in kleinen Schritten. Der Etatentwurf für 2022 sollte diesen Mittelweg aus sozialen Reformen und moderater Haushaltsdisziplin, mit dem er international so viel Beifall erntete, fortsetzen.
Konservative streiten unter sich um Parteiführung
Ob vorgezogene Wahlen, die im Januar stattfinden könnten, neue Mehrheiten ergeben werden, ist derzeit eher unwahrscheinlich. Laut Umfragen liegen Costas Sozialisten zehn Prozentpunkte vor den Konservativen, die in Portugal unter dem Namen Sozialdemokratische Partei firmieren und gerade einen Streit um die Parteiführung ausfechten.
Auch Kommunisten und Linksblock, die bisherigen Mitfahrer der „Klapperkisten“-Regierung, können sich wenig Hoffnung auf Stimmengewinne machen. Sodass es gut möglich ist, dass auch die Neuwahl keine stabile Regierung und damit keine Lösung der portugiesischen Machtkrise bringen wird.
De Maart
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