Der Gaza-Krieg provoziert eine neue Antisemitismuswelle. Deren Protagonisten ignorieren, dass die Tragödie in Gaza, Terroristen aus Gaza am 7. Oktober mit dem Massaker an Juden auslösten.
Epizentrum des judenfeindlichen Bebens: die Türkei. Dort veröffentlichte der AKP-Politiker Süleyman Sezen nach dem Hamas-Terror eine Videobotschaft diesen Inhalts: „Inshallah, wenn die Welt von den Juden befreit ist, wird es Frieden und Ruhe geben.“ Und: „Ich bete dafür, dass Gott Hitler Barmherzigkeit und Gnade schenkt.“
Der Provinzpolitiker der Region Samsun könnte mit Missachtung gestraft werden, stünde er nicht für einen Trend, dessen Vorhut Staatschef Recep Tayyip Erdogan bildet und der am Bosporus parteiübergreifende Tradition hat. Da dies nicht ohne Einfluss auf die türkische Diaspora ist, trifft es sich gut, dass die Landeszentrale für Politische Bildung in Hamburg ungeachtet türkischer Proteste eine wissenschaftliche Analyse mit dem Titel „Antisemitismus in und aus der Türkei“ veröffentlicht hat. Das von der Hamburger Turkologin Corry Guttstadt herausgegebene Werk mit Beiträgen zahlreicher — auch türkischstämmiger — Experten zeichnet auf knapp 550 Seiten ein erschreckendes Bild. „Regierungspolitiker verbreiten antisemitische Verschwörungstheorien, beliebte TV-Serien tragen Antisemitismus in türkische Wohnzimmer, Schulen, Universitäten und Kulturfestivals werden nach einschlägigen antisemitischen Autoren benannt“, heißt es in der Studie. In Schaufenstern hingen Schilder mit der Aufschrift „Zutritt für Juden verboten“. Selbst in der demokratischen Opposition riefe das aber „so gut wie keine Reaktionen“ hervor.
Juden als Sündenböcke
Ein tiefer Blick in die türkische Geschichte liefert Erklärungen, wenn auch keine Rechtfertigung für den tief verwurzelten Judenhass. Religion und Nationalismus bilden eine giftige Melange, ein hierzulande bekanntes Phänomen, welches am Bosporus freilich völlig unaufgearbeitet ist. Juden wurden, so die Analyse, „als Totengräber des Osmanischen Reichs“ gebrandmarkt. Hinzu kam als weiteres Narrativ das der „Dönme als heimliche Herrscher der Türkei“. Diese gelten als kryptojüdische Gemeinschaft, die nach außen hin den Islam praktiziert.
„Scharnier zwischen Islamisten und Nationalisten“, so die Studie, bildete der 1983 verstorbene Necip Fazil Kisakürek. Der antisemitische Dichter propagierte einen „islamischen großen Osten“ mit der Türkei als Zentrum. Das entspricht neo-osmanischen Träumereien im Umfeld Erdogans, der 2002 die Frage, welche Persönlichkeit ihn besonders beeinflusst hätte, so beantwortet hatte: Necip Fazil Kisakürek.
Apropos türkische Diaspora: Der Kölner Plural-Verlag präsentiert Kisakürek als „großen Mann des Denkens und Handelns“. Der Verlag gehört der Milli-Görüs-Gemeinschaft, deren antisemitisch tickender Gründer und Ex-Premier Necmettin Erbakan ebenfalls Inspirator Erdogan war.
Vermeintliche „Marionette Israels“
Solche Prägungen lassen die Interpretation des 2016 gescheiterten Putschversuchs als jüdisches Komplott geradezu logisch erscheinen. So karikierte die Islamisten-Zeitung „Yeni Akit“ den von Erdogan zum Drahtzieher erklärten Prediger Fetullah Gülen als Hund an der Leine eines Juden. Das ist doppelt absurd: Gülen ist Muslim und hatte selbst gepredigt, die Juden müssten „bis zum Jüngsten Tag in Erniedrigung und Schande verharren“.
Ähnlich verhält es sich mit einem anderen Erzfeind Erdogans, Abdullah Öcalan: Der inhaftierte Chef der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) wird gern als „Marionette Israels“ diffamiert, hat aber selbst den Holocaust damit erklärt, „dass Juden, wo immer sie hinkommen, alle anderen befeinden und Konflikte schüren“.
Auch der Provinzpolitiker Sezen wahrte „nur“ eine Tradition. 1969 präsentierte die Zeitung Fedai „die drei größten Judenfeinde der Geschichte“: Sultan Abdülhamid, den antisemitischen Dichter Cevat Rifat Atilhan und Adolf Hitler. Schlagzeile unter den Fotos der Gewürdigten: „Die Menschheit ist euch zu Dank verpflichtet.“ Manche verharren noch heute dankbar im Gebet für Hitler …
* Das Buch ist gegen fünf Euro Schutzgebühr erhältlich bei der Landeszentrale für politische Bildung Hamburg. E-Mail: [email protected]
De Maart
@ luxmann
"Als ob diese etwas mit den ereignissen in Gaza zu tun haetten.". Natürlich hat die Türkei und ihr Präsident damit zu tun. Die Türkei ist einer der finanziellen Unterstützer der Hamas und Erdogan nennt sie eine "Gruppe von Befreiern".
Aber - in diesem Artikel geht es nicht um die Hamas, sondern um Antisemitismus. Wie Ratten kommen sie aus ihren Löchern, die Antisemiten, die sich bisher nicht getraut haben, weil es politisch nicht korrekt war. Plötzlich scheint Antisemitismus wieder salonfähig.
Niemand schlägt auf die Türkei ein. Dieser Artikel informiert nur darüber, dass das Phänomen auch dort auftaucht. Und befremdlich ist eine deutsche Studie absolut nicht. Immerhin gibt es viele Türken in Deutschland und die Gefahr für antisemitische Unruhen ist groß. Und das macht Angst, auch hier in Luxemburg. Schliesslich haben die meisten von uns auch jüdische Freunde und Bekannte, und Deutschland ist nur einen Katzensprung entfernt.
Zu Ihrer Aussage: " Alles wird unternommen um von den verbrechen der israelischen regierung und armee in Gaza abzulenken"
Nein, alles wird unternommen, um von dem Massaker am 7. Oktober abzulenken. Wann haben Sie zuletzt davon gelesen oder Bilder gesehen? Von den Frauen mit blutigem Schritt, die in Autos gezerrt wurden, von den Reihen von Leichensäcken, von den verbrannten Babys, die ... naja, besser die Bilder nicht mehr aufzurufen. Leider tut die israelische Regierung alles, um diese Bilder durch die von umgebrachten Gazaoui zu ersetzen.
Aber wenn eine Regierung in Vorderasien "Kollateralschäden" zum Standard erhebt, rechtfertigt das keinen Antisemitismus, weder in der Türkei noch sonstwo.
Man gilt heute ja schon als judenfeindlich, wenn man es wagt Israels aktuelle Politik auch nur annähernd zu kritisieren.
Seit dem Ende des osmanischen Reiches ,das als Vielvoelkerstaat relegioes tolerant war , muss ein richtiger Tuerke ethnisch Tuerke sein und relegioes ein sunnitischer Muslim .Genozid an den Armenier und assyrischen Christen , die Vertreibung der griechisch orthodoxen Christen die seit ueber 2500 Jahren dort lebten . Fuer Mustafa Kemal Atatuerk war das die Rache Hektors . Die Drangsalierung der Aleviten und Kurden schon lange vor Erdogan .Es sind also nicht nur die 0,02 % Juden in der Tuerkei mit denen die richtigen Tuerken Probleme haben .
@DanV
Dass europaeische juden fuer israelische politik verantwortlich seien habe ich nie behauptet.
Ich finde es nur befremdlich dass eine hamburger landes zentrale fuer politische bildung...oder eher indoktrination...im moment nichts besseres zu tun weiss als auf die tuerkei und seinen praesidenten einzuschlagen.
Als ob diese etwas mit den ereignissen in Gaza zu tun haetten.
Jede Kritik an Juden wird nicht akzeptiert und sofort als Antisemitismus verurteilt!....
@ luxmann
Traurig, dass Sie den Unterschied zwischen israelischer Politik und jüdischen Wurzeln nicht machen können. Glauben Sie wirklich, europäische Juden wären für die israelische Regierung verantworlich?
Nun, dann kann ich Sie aufklären. Europäische Juden sind NICHT für israelische Politik verantwortlich.
@luxman/
Lieber Freund,
"Traurig und lächerlich zugleich was h i e r in der B R D abgeht".
Wir sind h i e r in Luxemburg und nicht in der BRD.
Sie verstehen was ich meine?
Äddi und nicht tschüsss
Alles wird unternommen um von den verbrechen der israelischen regierung und armee in Gaza abzulenken...nun ist Erdogan daran schuld.
Traurig und laecherlich zugleich was hier in der BRD abgeht .