Die Muslime in Nordmazedonien seien „zutiefst traurig über den Terroranschlag von Wien“, versicherte die Islamische Gemeinschaft in Skopje in einer über die sozialen Medien verbreiteten Beileidserklärung: „Wir teilen den Schmerz mit den Familien der Opfer und dem österreichischen Volk. Wir verurteilen jede Gewalttat, die darauf abzielt, Menschen das Leben zu nehmen. Der Terror erschüttert die Grundlagen der religiösen Toleranz und weckt Abscheu in der gesamten muslimischen Gemeinschaft.“
Der Attentäter von Wien sei „ein Albaner mit nordmazedonischer Abstammung“, titelte gestern aufgeregt das Webportal von „Aljazeera Balkans“ in Sarajevo. Tatsächlich wurde der vor der Polizei getötete Amokläufer Kujtim F. vor 20 Jahren in Wien geboren. In der österreichischen Diaspora wuchs er auf und geriet auch dort unter den Einfluss islamistischer Kreise: Nach seiner vereitelten Absicht, sich in Syrien dem Islamischen Staat anzuschließen, war er im April 2019 wegen des Strafbestands der Bildung einer terroristischen Vereinigung zu 22 Monaten Haft verurteilt worden.
Vor der Terrorgefahr durch aus Syrien und Irak heimkehrende IS-Kämpfer pflegen zwar auch auf dem Balkan Sicherheitsexperten und Medien regelmäßig zu warnen. Doch verglichen mit Mittel- und Westeuropa nimmt sich die Zahl islamistischer Anschläge in Südosteuropa bisher vergleichsweise bescheiden aus. Stattdessen sind es vor allem entwurzelte Kinder muslimischer Auswanderer in West- und Südeuropa, die europaweit als potenzielle Gefährder immer wieder ins Visier von Ermittlern geraten: Auffällig sind beispielsweise die engen Balkan-Verbindungen von Islamisten in der österreichischen Diaspora, die nicht zum ersten Mal für Schlagzeilen sorgen.
Kontakte nach Wien
2011 hatte der aus dem serbischen Sandzak stammende Islamist Mevludin J. die US-Botschaft in Sarajevo am helllichten Tag mit einer Kalaschnikow beschossen. Als Siebenjähriger war J. mit seiner Mutter nach Wien gelangt, wo er auch den Großteil seiner Jugendjahre verbrachte. Nach einem Banküberfall war er nach Verbüßung seiner Haft in Österreich 2005 nach Serbien abgeschoben worden. Vor seiner Attacke auf die US-Botschaft lebte J. eine Zeit lang in dem bosnischen Dorf Gornja Maoca, das im Vielvölkerstaat als Wahhabiten-Hochburg mit engen Bindungen zu islamistischen Glaubensbrüdern in Wien gilt.
2015 erschoss der bekennende Wahhabit Enes O. in Sarajevo erst zwei Soldaten und dann sich selbst. Wenige Monate zuvor hatte ein islamistischer Selbstmord-Amokläufer im ostbosnischen Zvornik erst einen Polizisten und dann sich selbst getötet. Einerseits sollen sich Bosniens islamistische Hochburgen auch durch Spendengelder aus der österreichischen Diaspora finanzieren. Andererseits lassen sich auf dem Balkan seit den Jugoslawienkriegen der 90er Jahre leicht Waffen beschaffen. Auch dabei scheint Wien als islamistischer Hub zu dienen.
So wurde nach den Anschlägen von Paris 2015 vom Wiener Innenministerium ein „Österreich-Urlaub“ des später in Belgien gefassten Hauptverdächtigen Salah Abdeslam bestätigt. Die französische Justiz forderte damals bei ihren Ermittlungen über Interpol Informationen über die Bosnien-Kontakte „bestimmter Personen“ an: Bosnische Medien werteten dies als Hinweis, dass die Attentäter von Paris sich auch auf logistische Bande zum Balkan stützten.
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