Dienstag4. November 2025

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Vereinte NationenWeitere Debatte über eine permanente Präsenz von Deutschland im UN-Sicherheitsrat

Vereinte Nationen / Weitere Debatte über eine permanente Präsenz von Deutschland im UN-Sicherheitsrat
Sowohl die Zusammensetzung des UN-Sicherheitsrates als auch das Prinzip des Veto-Rechts werden seit geraumer Zeit als ein Anachronismus aus Zeiten des Kalten Krieges angesehen – allerdings nicht von den fünf ständigen Mitgliedern des Rates Foto: AFP/Timothy A. Clary

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Deutschland strebt schon länger nach einer stärkeren Rolle in der Welt. Jetzt hat sich der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj für eine permanente deutsche Präsenz im UN-Sicherheitsrat starkgemacht. CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen hält dieses Ziel derzeit für nicht realistisch

Wolodymyr Selenskyj sprach aus, was Olaf Scholz auszusprechen vermieden hatte. Nein, nicht „Taurus“-Marschflugkörper aus Deutschland an die Ukraine, denn in dieser Frage werde aktuell noch „sehr genau“ geprüft, „wie das zum Einsatz kommen kann“, so Außenministerin Annalena Baerbock in New York. Doch der ukrainische Präsident beschrieb in seiner Rede als Gast vor dem UN-Sicherheitsrat eine Position, die frühere Bundesregierungen unmissverständlich als Ziel in ihren Koalitionsvertrag geschrieben hatten: einen ständigen Sitz für Deutschland im UN-Sicherheitsrat.

Schon 2014 hatte der damalige Außenminister Frank-Walter Steinmeier betont, Deutschland sei zu groß, um Weltpolitik nur von der Seitenlinie zu kommentieren. Die Ampel-Regierung formuliert in ihrem Koalitionsvertrag allgemeiner: „Eine Reform des VN-Sicherheitsrates bleibt ebenso unser Ziel wie eine gerechtere Repräsentanz aller Weltregionen.“ Doch Scholz dürfte innerlich zugestimmt haben, als Selenskyj just vor dem Gremium, das über den Weltfrieden wachen soll, eine größere Rolle Deutschlands auf der Weltbühne ansprach. „Deutschland ist zu einem der wichtigsten globalen Garanten für Frieden und Sicherheit geworden“, so Selenskyj im UN-Sicherheitsrat. „Dies ist eine Tatsache. Fakt ist auch, dass Deutschland einen Platz unter den ständigen Mitgliedern des Sicherheitsrates verdient, dass Lateinamerika dort dauerhaft vertreten sein muss und auch die pazifischen Staaten.“

Fakt ist ebenso: Deutschland ist zweitgrößter Beitragszahler zum gesamten UN-System und zweitgrößter bilateraler Geber humanitärer Hilfe. Die Bundesregierung verweist dabei auch auf eine lange Tradition deutscher Beteiligungen an zahlreichen UN-Friedensmissionen und betont „den für wichtige Zukunftsfragen entscheidenden UN-Standort Bonn“. Deutschland kandidiert für die Jahre 2027/2028 erneut für einen nicht-ständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat, betont dabei die Notwendigkeit der Reform des Sicherheitsrates und spricht sich für „eine angemessene Repräsentanz afrikanischer Staaten und der zentralen Beitragsleister“ aus, wie es auch Scholz in New York betonte, ohne dabei explizit Deutschland zu erwähnen. Das übernahm dann – abgesprochen oder nicht – Selenskyj und provozierte damit umgehend eine Reaktion von Polen, Nachbar der Ukraine im Westen und Nachbar Deutschlands im Osten. Der polnische Verteidigungsminister Mariusz Blaszczak nannte den Vorstoß von Selenskyj für Deutschland „ziemlich seltsam“ und „eine große Enttäuschung“.

Reform des Systems derzeit unrealistisch

Außenministerin Baerbock betonte in New York erneut das Interesse von Deutschland an einem ständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat. „Auch wir können uns vorstellen, ein permanentes Mitglied zu sein“, sagte die Grünen-Politikerin am Rande der UN-Vollversammlung. „Aber nicht aus Eigeninteresse, sondern im Zuge einer großen Modernisierung, die insgesamt die Realitäten des 21. Jahrhunderts stärker mit berücksichtigt.“ Deutschland hatte sich schon vor Jahren mit Brasilien, Indien und Japan als G4-Partner zusammengeschlossen, um eine Reform des Sicherheitsrates anzuschieben.

Der CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen rät dagegen der Bundesregierung, aktuell vom Ziel eines ständigen deutschen Sitzes im UN-Sicherheitsrat Abstand zu nehmen. „Das Ziel einer Reform der UN mit dem eigenen Anspruch auf einen ständigen Sitz im mächtigsten Gremium zu verknüpfen, ist nicht hilfreich. Deutschland sollte sich auf die Reform des Systems konzentrieren“, sagte Röttgen dem Tageblatt. Allerdings sei eine Reform der UN-Institutionen „vollkommen unrealistisch für die absehbare Zukunft. Keine der fünf Veto-Mächte des UN-Sicherheitsrates ist hierzu bereit.“ Der CDU-Politiker sprach sich dafür aus, die Vereinten Nationen so zu nehmen, wie sie seien. Denn: „Eine andere wird es so schnell nicht geben und sie bleibt trotz allem eine unersetzliche Errungenschaft.“