Mittwoch5. November 2025

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RumänienUnmut über den Urs: Streit über die Erhöhung der Abschussquoten von Braunbären

Rumänien / Unmut über den Urs: Streit über die Erhöhung der Abschussquoten von Braunbären
Ein europäischer Braunbär auf der Suche nach Futter Foto: Freepik

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60 Prozent der europäischen Braunbären leben in Rumänien. Während Jäger und Schäfer für höhere Abschussquoten streiten, fordern Umweltschützer einen verstärkten Schutz: Nicht Überpopulation, sondern die Ausholzung der Wälder sei der Grund, dass sich Mensch und Bär immer öfter ins Gehege kommen.

Das Konterfei von Rumäniens mächtigem Nationaltier prangt auf Stadtwappen, Briefmarken und Bierflaschen. Doch obwohl sich im waldreichen Karpatenstaat rund 60 Prozent der europäischen Braunbären außerhalb Russlands tummeln, ist der eigentlich populäre „Urs“ in seiner Heimat keineswegs unumstritten: Es sind die Klagen über vermehrte Bärenattacken, gerissene Schafe, verwüstete Maisfelder und geplünderte Bienenstöcke, die vor allem Hirten, Landwirte und Jäger höhere Abschussquoten für „Problembären“ fordern lassen.

Der nahende Winter lässt Rumäniens größte Waldbewohner selbst im sonnenüberfluteten Herbst nicht ruhen. Auf der Suche nach Nahrung, um sich genügend Fett für ihre mehrmonatige Winterruhe anzufuttern, werden die Sohlengänger aber nicht nur auf abgelegenen Waldlichtungen gesichtet. Ob Meister Petz die Autofahrer an Karpatenstraßen um Futter anbettelt oder in waldnahen Wohngebieten die Müllcontainer plündert: Mensch und Wildtier rücken sich im rumänischen Bäreneldorado immer dichter auf den Pelz.

Ungefährlich sind die vermehrten Begegnungen zwischen Bär und Mensch keineswegs. Laut im Frühjahr veröffentlichten Erhebungen des Umweltministeriums wurden zwischen 2016 und 2021 insgesamt 154 Bärenattacken registriert, bei denen 14 Menschen getötet und 158 verletzt wurden. Ausgerechnet der frühere Umweltminister Barna Tanczos von der ungarischen Minderheitenpartei UDMR mimt im Karpatenstaat denn auch den entschlossenen Bärenhäscher. Das Parlament stehe „in der Pflicht, den Schutz der Bürger zu gewährleisten“, plädiert er für höhere Abschussquoten: Die Volksvertretung werde schließlich „von Menschen, nicht von Bären gewählt“.

Schwindender Lebensraum

Doch nicht nur an den Bären, sondern auch an deren Zählung scheiden sich in Rumänien die Geister. Während der Bestand von der Fachwelt auf rund 6.000 Tiere und von einigen Umweltschützern gar nur noch auf 4.500 Bären geschätzt wird, spricht Bukarest von 7.000-8.500 und die Jagdverbände gar von bis zu 11.000 Tieren. Während die Jagdlobby für höhere Abschussquoten streitet, fordern Bärenfreunde einen verstärkten Schutz: Nicht Überpopulation, sondern die Ausholzung der Wälder und der damit schwindende Lebensraum sei der Grund, dass sich Mensch und Bär immer öfter ins Gehege kommen würden.

Seit 2016 ist die bei ausländischen Großwildjägern lange sehr populäre Trophäenjagd auf den geschützten Bären in Rumänien grundsätzlich eigentlich verboten. Dennoch mussten bisher jährlich rund 120-140 als „Problembären“ ausgemachte Sohlengänger ihr Leben und den Pelz lassen.

Obwohl es meist Bärinnen sind, die aus Sorge um ihren Nachwuchs gegenüber Menschen aggressiv werden, werden von den mit dem Abschuss beauftragten Jägern auffällig oft die größeren Bären erlegt: So geriet Prinz Emanuel von Liechtenstein 2021 in die Schlagzeilen und ins Visier der rumänischen Justiz, weil er bei einer Jagdvisite statt einer zum Abschuss freigegebenen Bärin den angeblich größten Bär der Karpaten zur Strecke gebracht haben soll.

Ein „moralischer Bankrott“

Geht es nach dem Willen des nun in die Opposition verbannten Jagdlobbyisten Tanczos, soll es künftig noch mehr Braunbären an den felligen Kragen gehen. Mit dem Ausscheiden seiner Partei aus der Regierungskoalition hatte der erklärte Bärenfeind im Juni zwar seinen Ministersessel räumen müssen. Doch an seinem letzten Amtstag verfügte er kurzerhand „präventiv“ die Vervierfachung der Abschussquote auf knapp 500 Bären pro Jahr.

Die Erhöhung der Bärenjagdquote ohne jede stichhaltige Begründung sei ein „moralischer und wissenschaftlicher Bankrott“, zeigten sich Umwelt- und Tierschutzverbände über das „grüne Licht“ für die verbotene Trophäenjagd entsetzt. Ihre Klagen fanden beim neuen Umweltminister Mircea Fechet (PNL) zumindest teilweise Gehör.

Die von seinem Vorgänger verfügte Erhöhung der Abschussquote hat Fechet auf Empfehlung von Rumäniens Akademie der Wissenschaften wieder auf 220 Tiere pro Jahr abgesenkt. Gleichzeitig will der Minister sich endlich um eine wissenschaftlich zweifelsfreie Feststellung des bislang nur geschätzten Bärenbestands bemühen. Zudem hat der Minister eine Aufklärungskampagne der Bevölkerung zum „Bärenproblem“ angekündigt.

Eindringlich ruft er seine Landsleute dazu auf, das Füttern der Wildtiere zu unterlassen. Einerseits bestehe „täglich das Risiko einer Katastrophe“. Andererseits bedeute das Füttern von Bären oft deren „Todesurteil“, weil sie für „erbetteltes Essen“ ihre natürliche Lebensweise aufgeben würden: „Irgendwann werden sie dann höchstwahrscheinlich erschossen – oder überfahren.“