Ausgerechnet Europas überzeugte Dauersolisten fordern grimmig die Solidarität der EU-Partner ein. Als „feindlichen Akt“, der „gegen Ungarn und Serbien gerichtet“ sei, geißelten der ungarische Außenminister Peter Szijjarto und Serbiens Finanzminister Sinisa Mali in einer gemeinsamen Erklärung bereits Mitte Oktober die Entscheidung von Bulgariens Regierung, eine Transitsteuer von 10,2 Euro pro Megawattstunde auf russische Gaslieferungen zu erheben: Der Beschluss bedrohe die Energiesicherheit beider Staaten – und „untergrabe die europäische Solidarität“.
Wegen der Weigerung Sofias, russische Gaslieferungen in Rubel zu bezahlen, hatte Moskau schon im April 2022 einen Lieferstopp gegen Bulgarien verhängt. Russische Transitgaslieferungen an die sehr wohl in Rubel bezahlenden Nachbarstaaten und Ungarn wurden von Bulgarien bisher dennoch problemlos an die Endabnehmer weitergeleitet. Erst jetzt hat Bulgariens neue prowestliche Regierung eine umstrittene Sonderabgabe auf russisches Transitgas eingeführt: Sofias Sanktionssolo hat dessen Endabnehmer kräftig verstimmt.
Die neue Transitsteuer werde nur die Profite der russischen Gazprom schmälern, aber keineswegs Europas Konsumenten treffen, versichert Bulgariens proeuropäischer Premier Nikolai Denkow. Europa könne seinen Gasbedarf auch aus anderen Quellen decken: „Die EU sollte nicht abhängig von russischem Gas sein. Es ist nicht zulässig, europäische Gelder zur Finanzierung des russischen Kriegs gegen die Ukraine zu nutzen.“
Verständnis für Orban und Vucic ist begrenzt
Der Kauf und der Transit von Erdgas aus Russland würden keineswegs den EU-Sanktionen unterliegen, argumentiert hingegen Ungarns Außenminister Szijjarto: „Die Steuer widerspricht den europäischen Regeln, wonach ein EU-Mitglied von einem anderen keine Zölle erheben darf.“ Dies ist ein „großes Problem für uns“, klagt Serbiens autoritär gestrickter Staatschef Aleksandar Vucic: „Dies wird zu einer drastischen Preiserhöhung des Gaspreises führen.“
Auch Bulgariens russophiler Präsident Rumen Radew zeigt sich von der Sondersteuer wenig begeistert. Sofia habe kein Recht auf zusätzliche Sanktionen gegen Russland – abgesehen von denjenigen, die von der gesamten EU abgesegnet worden seien, so seine Argumentation. Trotz rechtlicher Bedenken hat der Staatschef allerdings kein Veto eingelegt, sondern nur beim nationalen Verfassungsgericht die Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Abgabe beantragt.
Gemeinsam haben das EU-Mitglied Ungarn und der EU-Anwärter Serbien die EU-Kommission zu einer Stellungnahme aufgefordert. Brüssel hält sich bisher noch bedeckt. Man werde mit Sofia über die eingeführten Maßnahmen „diskutieren“ und diese „bewerten“, so die etwas vage Auskunft eines EU-Sprechers, der gleichzeitig an die Notwendigkeit der „Einigkeit der EU bei der Unterstützung für die Ukraine“ erinnerte.
Die Erklärung der EU-Kommission, dass es sich bei der bulgarischen Transitsteuer um eine „nationale Maßnahme“ handle, über deren Einkünfte Sofia frei verfügen könne, scheint allerdings die Befürchtungen serbischer Energieexperten zu bestärken, dass das Verständnis in Brüssel für die erklärten Russland-Freunde Orban und Vucic eher begrenzt sei – selbst wenn ihre Klagen über Sofias einseitigen Akt durchaus berechtigt seien.
Skopje verlangt liberalisierte Märkte
Tatsächlich zeigt sich auch die prowestliche Regierung in Nordmazedonien über Bulgariens neue Steuer angesäuert. Der Grund: Der über Serbien am bulgarischen Pipelinetropf hängende EU-Anwärter hat kaum eine Möglichkeit, Erdgas ohne Transitsteuerzuschlag aus anderen Staaten zu beziehen.
Im Gegensatz zu Belgrad und Budapest macht Skopje den Nachbarn zwar nicht generell das Recht streitig, Steuern auf russisches Transitgas zu erheben. Doch Nordmazedonien fordert, die von Bulgarien ausschließlich der Gazprom zugesicherten Förderkapazitäten „freizugeben“, damit das Land auch Gas aus anderen Staaten wie Aserbaidschan beziehen könne.
Falls Brüssel und Sofia bis Ende November Nordmazedonien keine Lösung unterbreiten, wie das Land zuschlagfreies Gas beziehen kann, will Skopje den Fall vor die internationalen Gerichtshöfe bringen. „Wir wollen uns nicht in die Fiskalpolitik Bulgariens einmischen“, versichert der Wirtschaftsminister Kreshnik Bekteshi: „Aber wir pochen auf das Prinzip der völligen Liberalisierung der Märkte.“
De Maart
Tja, es darf auch mal den Putin-Freunden energiemässig auf die Füße regnen. Schade ist Nordmazedonien auch betroffen.