SlowakeiUmstrittene Strafrechtsreform verabschiedet

Slowakei / Umstrittene Strafrechtsreform verabschiedet
Protest gegen die Strafrechtsreform der Regierung von Robert Fico am Mittwoch in Bratislava Foto: Vladimir Simicek/AFP

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Während draußen Zehntausende gegen die Pläne der Regierung demonstrierten, brachte die von Robert Fico geführte Koalition eine umstrittene Strafrechtsreform durchs Parlament. Kritisiert wird vor allem, dass die Strafen für Korruption künftig deutlich geringer ausfallen sollen als bislang. Vor Jahren musste der Regierungschef wegen Korruptionsvorwürfen zurücktreten. Staatspräsidentin Susana Čaputová erwägt ein Veto gegen die Reform.

Die Demonstrationen gegen die Strafrechtsreform der linkspopulistischen Koalition Robert Ficos reißen nicht ab. Auch am Tag des Parlamentsentscheids, als die Regierungsfraktionen von Smer-SD, der ebenfalls sozialdemokratischen HLAS und der nationalistischen SNS dem neuen Gesetz im Parlament zustimmten, versammelten sich wieder Tausende vor dem Parlament in Bratislava.

Die Reform, die angeblich die Justiz entlasten soll, ist im Wahlvolk mehr als umstritten. Vor allem die Reduzierung des Strafmaßes für Bestechung und Bestechlichkeit empört die Demonstranten wie auch die politische Opposition im Nationalrat. Denn gerade wegen Korruptionsvorwürfen und Verstrickungen in kriminelle Machenschaften musste Robert Fico 2018 den Hut nehmen und den Regierungssessel verlassen. Auslöser waren damals die Proteste nach dem Mord am Enthüllungsjournalisten Ján Kuciak und seiner Verlobten Martína Kušnírová am 21. Februar 2018. Dass sechs Jahre später nicht nur die Hauptakteure der damaligen Regierung wieder im Amt sitzen, sondern ausgerechnet auch noch die Straftatbestände der Korruption mildern wollen, empört die Wähler.

Worum geht es im Einzelnen? Bislang stand auf Bestechlichkeit bis zu einer Höhe von 133.000 Euro eine Freiheitsstrafe von zwei bis fünf Jahren, der Tatbestand verjährte nach fünf Jahren. In der Novelle soll die Freiheitsstrafe auf null bis vier Jahre abgesenkt werden. Auch bei Bestechlichkeit bis zu 700.000 Euro sieht das neue Strafmaß statt bisher sieben bis zwölf Jahren eine Haft von null bis vier Jahren vor. Summen, die darüber hinaus angenommen werden, sollten mit einer Strafe von drei bis zehn Jahren statt wie bisher sieben bis zwölf Jahre geahndet werden. Die Verjährungsfrist für solche Taten verkürzt sich nach der Novelle von 20 auf zehn Jahre.

Kritiker befürchten, dass somit neuen Korruptionsfällen Tür und Tor geöffnet wird. Zudem dürften etliche Straftatbestände aus der Vergangenheit bald der Verjährung anheimfallen und somit Ermittlungen gegen frühere Tätigkeiten von Fico und dessen politischen Weggefährten unter den Tisch fallen.

Strafreduzierung auch bei anderen Taten

Die Protestierenden empören sich auch gegen die Strafreduzierungen bei Diebstahl, Raub, Vergewaltigung und sexuellem Missbrauch von Minderjährigen. Vor allem die Verkürzung der Verjährungsfrist stehe entgegen der langen Aufklärungszeit, die solche Straftaten mitunter erfordern, protestierte die SAS-Abgeordnete Jana Bittó Cigániková in der Parlamentsdiskussion. Die christdemokratische Abgeordnete Martina Holečková nannte die vorgeschlagenen Gesetzesänderungen eine Verhöhnung der Opfer. Verschärft werden soll lediglich die Verfolgung von Drogenstraftaten, hier soll die Strafe von zehn bis 15 Jahre auf acht bis 20 Jahre erhöht werden.

Regierungschef Robert Fico versuchte in einem Fernsehinterview, die Bevölkerung zu beruhigen: „Keine Angst, wer einen Diebstahl über das normale Maß hinaus begeht, wird auch weiterhin im Gefängnis landen“. Was er als „normales Maß“ ansieht, ließ der Premier allerdings offen. Eingedenk dessen, dass Staatspräsidentin Susana Čaputová bereits ein Veto gegen die umstrittene Reform angekündigt hat, lenkte Fico ein. Die Strafrechtsreform sei im Moment noch nicht rechtskräftig und nach dem Widerspruch der Präsidentin werde man im Nationalrat noch Änderungen diskutieren müssen, so der Regierungschef. Doch genau diesen Diskussionsspielraum hatte die Opposition gefordert – und nicht erhalten. Man darf davon ausgehen, dass die Proteste inner- und außerhalb des Parlaments nicht abreißen werden.