Kaum war die streitbare Düsseldorferin Marie-Agnes Strack-Zimmermann Ende Januar zur Spitzenkandidatin der FDP in Deutschland gewählt, priesen ihre Parteifreunde ihre Qualitäten als „Eurofighterin“. Das ist nicht nur ein Wortspiel. Das ist auch der Names eines Kampfjets. Und Kampf, das liegt der 66-jährigen Verteidigungspolitikerin. Noch am Mittwochmorgen fuhr sie in Berlin heftigste Attacken auf Politiker der eigenen Koalition, wurde sie von ihnen umgehend als „bösartig“ qualifiziert. Am späten Nachmittag ließ sie sich in Brüssel von den Liberalen zur Spitzenkandidatin auf Europaebene wählen. Und auch da war sie immer noch im Wahlkampfmodus – mit Betonung auf Kampf.
Den führt sie vor allem gegen das, wofür die anderen beiden europaweiten Spitzenkandidatinnen aus Deutschland stehen: Ursula von der Leyen von der Europäischen Volkspartei und Terry Reintke von den europäischen Grünen. Besonders scharf geht sie die amtierende Kommissionschefin an. Europa brauche mehr von der Freiheit und weniger von der Leyen, lautet ihre Parole, und damit positioniert sie sich umgehend an der Spitze der europäischen Liberalen als wahrnehmbarer als andere Parteifreunde.
Drei Spitzenkandidaten
Es gehört zum Charakteristikum der in der Renew-Fraktion zusammengeschlossenen liberalen Parteifamilien, dass sie sich selten auf eine gemeinsame Position festzulegen vermögen. Sie haben es auch wieder nicht geschafft, mit einer einzigen Spitzenkandidatur in den Wahlkampf zu ziehen. Immerhin konnten sie die Anzahl der Teammitglieder für die Spitzenkandidatur von sieben auf drei senken. Sandro Gozi ist der eine; der Italiener wird von der Europäischen Demokratischen Partei ins Rennen geschickt. Valérie Hayer ist die andere: die Französin ist von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron an die Spitze der Renew-Fraktion gesetzt und nun auch als Spitzenkandidatin für die Renaissance-Partei bestellt worden.
Strack-Zimmermann ist damit eigentlich die Dritte im Bunde. Doch als das Trio am Abend im Königlichen Museum von Brüssel der Öffentlichkeit präsentiert wurde, war Strack-Zimmermann die Nummer eins. Ihre Alde-Partei (Allianz der Liberalen und Demokraten für Europa) stellt derzeit nämlich zwei von drei liberalen Abgeordneten im Europaparlament. Und deshalb wird die neue Deutsche in Europa auch nach den Wahlen deutlich mehr Einfluss haben, als wäre sie einfach nur als Newcomerin aus dem Bundestag nach Europa gewechselt.
Anti-von-der-Leyen-Wahlkampf
Zunächst hatte kaum einer damit gerechnet, dass Strack-Zimmermann liberale Wähler nicht nur in Deutschland, sondern ebenfalls in vielen anderen EU-Ländern ansprechen soll. Wieder waren zwei andere vor ihr so gut wie gesetzt. Die meisten Blicke hatten sich auf die populäre Regierungschefin Kaja Kallas aus Estland gerichtet. Als Plan B galt der frühere luxemburgische Premierminister und jetzige Außenminister Xavier Bettel. Als jedoch beide abgesagt hatten und die Alde nach jemandem suchte, der aus dem Stand genügend Aufmerksamkeit für die liberale Sache erzeugen könnte, rollte schon bald der deutsche „Eurofighter“ an den Start in den europäischen Himmel.
Flankiert wird sie dabei von einem europäischen Programm, das als Ziel von Renew im nächsten Parlament eine Regulierungspause beim ökologischen Umbau des Kontinentes verlangt. Erst müssten die schon verabschiedeten Gesetze umgesetzt werden, um Bürger und Unternehmen nicht zu überfordern. Zudem geht es den Liberalen um eine Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen in Europa und eine Reduzierung des Einflusses für die extreme Rechte. Wiewohl auch die EVP-Spitzenkandidatin von der Leyen ein Programm mitträgt, das den ambitionierten Reformen ihrer ersten Amtszeit eine Atempause vorzuschreiben versucht, könnte es nach den Wahlen wegen der Anschlussfähigkeit zu rechtspopulistischen Parteien zum großen Krach in Brüssel kommen.
Von der Leyen hat nicht ausgeschlossen, auch mit solchen Kräften vom rechten Rand zusammenzuarbeiten, die prodemokratisch, proeuropäisch und proukrainisch sind. Auf der anderen Seite braucht sie nicht nur die Stimmen ihrer eigenen Parteienfamilie und die der Sozialdemokraten, sondern auch die der Liberalen, um erneut Kommissionschefin werden zu können. 2019 bekam diese „Ursula-Koalition“ eine knappe Mehrheit im Parlament zusammen. Das dürfte nach einem Anti-von-der-Leyen-Wahlkampf Strack-Zimmermanns deutlich schwieriger ausfallen und auf zusätzliche Zugeständnisse der EVP-Spitzenkandidatin hinauslaufen. Schon verlangen einzelne liberale Parteien, auf eine Wiederwahl von der Leyens zu verzichten, wenn sie nicht Schlüsselbereiche ihres Green Deals wieder zurückzunehmen bereit ist.
Bei der Vorstellung Strack-Zimmermanns waren nicht nur die beiden Regierungschefs Alexander de Croo aus Belgien und Kaja Kallas aus Estland zugeschaltet. Es gaben auf der Bühne gleich fünf liberale Kommissarinnen und Kommissare aus der aktuellen Von-der-Leyen-Kommission dem neuen liberalen Trio Rückendeckung.
De Maart
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