DeutschlandSPD-Parteitag mit großer Ungewissheit am Wochenende

Deutschland / SPD-Parteitag mit großer Ungewissheit am Wochenende
Das SPD-Führungsduo Saskia Esken und Lars Klingbeil hat derzeit keinen leichten Stand Foto: Michael Kappeler/dpa

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Gibt es einen Haushaltsentwurf bis zum Wochenende, oder nicht? Diese Frage schwebt über den Vorbereitungen für den SPD-Bundesparteitag, der am Freitag beginnen soll. Von der Antwort hängt vieles ab, auch wenn die Parteispitze sich betont gelassen zeigt.

Es soll ein Zufall im Terminkalender sein, dass der SPD-Bundesparteitag am kommenden Wochenende exakt zwei Jahre nach der Wahl von Olaf Scholz zum Bundeskanzler stattfinden wird. Zwei Jahre nach dem Start der Ampel-Koalition, die damals schon kurze Zeit später durch den russischen Angriffskrieg in der Ukraine in sehr schwieriges Fahrwasser geraten war. Und seitdem mit vielerlei Krisen zu kämpfen hat.

Ganz aktuell mit einer Haushaltskrise. Denn noch steht in den Sternen, ob sich SPD-Kanzler Scholz, Finanzminister und FDP-Chef Christian Lindner und Vizekanzler und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) auf einen Haushaltsentwurf bis zum Wochenende einigen können. Eine der zentralen Fragen dabei für die Sozialdemokratie: Wird es gelingen, insbesondere Christian Lindner davon zu überzeugen, die Schuldenbremse zumindest für einzelne Bereiche des Bundeshaushaltes auch für das Jahr 2024 auszusetzen? Wenn nicht, könnte sich unter den 600 erwarteten Delegierten in Berlin rasch schlechte Stimmung breitmachen.

Beim letzten großen, ordentlichen Präsenzparteitag im Jahr 2019 war die SPD noch in einer ganz anderen Verfassung gewesen. Damals hatte es mit Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans erstmals die Wahl einer Doppelspitze gegeben. Und damals hatte man noch versucht, Bedingungen für den Fortbestand der großen Koalition zu formulieren. An eine SPD-Kanzlerschaft glaubten wohl die wenigsten im Saal. Beim abgespeckten Parteitag 2021 war es dann anders, Scholz triumphierte, doch der russische Überfall auf die Ukraine mit allen dramatischen Folgen für die Energieversorgung und die internationale Friedensordnung waren so noch nicht absehbar. Esken kandidiert nun erneut für den Vorsitz, an ihrer Seite Lars Klingbeil, der seit 2021 mit ihr an der Spitze der Partei steht.

In diesen Tagen, zwei Jahre nach Scholz’ Kanzlerwahl, steht die Ampel-Koalition in der Haushaltskrise nun unter einem großen Entscheidungsdruck. Wenn der Bundeshaushalt 2024 noch in diesem Jahr verabschiedet werden soll, müssen sich SPD, FDP und Grüne angesichts von Milliardenlöchern nach dem Haushaltsurteil des Bundesverfassungsgerichts bald auf den weiteren Kurs einigen.

Umfragewert sind derzeit im Keller

Umstritten sind mögliche Einsparungen vor allem bei den Sozialausgaben, in der SPD will man das mit allen Mitteln verhindern. Und so erwarten Scholz voraussichtlich so oder so heftige Debatten über mögliche Kürzungen. Denn dass Lindner die teilweise Aussetzung der Schuldenbremse möglich machen würde, ohne auf Einsparungen auch bei Sozialausgaben zu pochen, ist nicht zu erwarten. Sollte also ein Ampel-Kompromiss bis zum Wochenende stehen und dies beinhalten, gäbe es heftige Gegenwehr aus der gesamten SPD. Käme Scholz ohne Kompromiss, dürfte es beim Parteitag viele Redebeiträge mit Warnungen vor einem Kahlschlag des Sozialstaats geben.

Nach den Worten von SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert wird die Partei aber auch losgelöst von der Tagespolitik ihr Profil schärfen wollen. Es geht darum, die Partei fit zu machen für die anstehende Europawahl, für mehrere Landtagswahlen im Osten der Republik und natürlich auch schon für die nächste Bundestagswahl. Die Umfragewerte der SPD und die Beliebtheitswerte des Kanzlers sind derzeit im Keller. Kühnert verweist zwar auch auf Umfragetäler zur Mitte der Wahlperioden während Angela Merkels (CDU) Regierungszeit. Doch die SPD kommt derzeit nur auf Werte zwischen 14 und 17 Prozent – ein klarer Ausdruck der Unzufriedenheit, der auch einige SPD-Abgeordnete um eine Wiederwahl bangen lässt. Kühnert erklärt sich die aktuell schlechten Werte damit, dass Wahlversprechen von Scholz, für die viele bei der SPD das Kreuz gemacht hätten, wegen äußerer Faktoren und Krisen bislang nicht eingehalten werden konnten, oder in ihrer Wirkung etwa wegen Inflation und Kaufkraftverlusten nicht spürbar bei den Menschen ankamen.

Es rumort in der Partei

Mit allgemeinen Kostensteigerungen hat auch die SPD selbst zu kämpfen. So wird der Bundesparteitag rund zwei Millionen Euro kosten – und damit etwa 200.000 bis 300.000 Euro mehr als beim letzten ordentlichen Parteitag im Jahr 2019. Die Preissteigerung sei verhältnismäßig gering und wäre deutlich höher ausgefallen, hätte man nicht sämtliche Posten noch einmal auf den Prüfstand gestellt, hieß es.

Beim Parteitag will die SPD nach vorn schauen, Kräfte sammeln, weg vom Reagieren, hin zum Agieren: Man hofft auf eine Rede des Kanzlers, die sozialdemokratische Orientierung bieten möge, Visionen enthalten soll, wie es in den nächsten Jahren weitergehen könnte mit einer SPD-geführten Regierung.

Doch es gibt intern große Unzufriedenheit mit dem bisherigen Kurs von Scholz, insbesondere in der Migrationspolitik. Am Samstag will daher die Parteispitze einen weiteren Antrag einbringen, in dem viele Aspekte aus kritischen Anträgen von der Basis etwa zu Abschiebungen, der Seenotrettung oder Asylverfahren in Drittstaaten gebündelt werden könnten. Für die Parteispitze und den Kanzler wird es daher voraussichtlich kein Kuschel-Parteitag. In der SPD rumort es.