Sonntag26. Oktober 2025

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SerbienSex und ein Video: Geheimdienste mischen im Wahlkampf eifrig mit – im Dienst der Macht

Serbien / Sex und ein Video: Geheimdienste mischen im Wahlkampf eifrig mit – im Dienst der Macht
Serbiens Präsident Aleksandar Vucic während einer Wahlveranstaltung am Wochenende in Belgrad Foto: Andrej Isakovic/AFP

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Serbiens Geheimdienstler mischen bei der Schlammschlacht im Stimmenstreit vor Serbiens vorgezogenen Parlamentswahlen eifrig mit – im Dienst und in enger Kooperation mit der Macht.

Serbiens ranghöchster Würdenträger kündigte den Wahlkampfschlag unter die Gürtellinie persönlich an. Als „menschliche Schande“ schmähte Serbiens autoritär gestrickter Staatschef Aleksander Vucic bei einem TV-Gastauftritt im regierungsnahen TV-Sender Pink vor Wochenfrist den Oppositionspolitiker Djordje Miketic: „Und ausgerechnet so ein Mensch will gute Veränderungen bringen.“ „Über Details“ wolle er zwar lieber nicht sprechen, so der Präsident geheimnisvoll: „Doch er weiß, was ich weiß.“

Bereits am nächsten Tag erhielt der Parlamentsabgeordnete der liberalen Oppositionspartei Zajedno von einer anonymen Telefonnummer einen Screenshot aus einem Videofilm zugeschickt, der ein teilweise verpixeltes Paar beim Sex zeigt. Selbst vermeldete der Abgeordnete hernach auf X, dass ihm 2022 bei einem bei der Polizei angezeigten Einbruch sein Computer entwendet worden sei und er nun mit der Drohung der Veröffentlichung von „privaten Aufnahmen“ politisch erpresst werden sollte. Seine Erklärung: Serbiens Geheimdienst BIA schütze „nicht den Staat, sondern arbeitet für Vucic“.

Es sind die vorgezogenen Parlaments- und Kommunalwahlen am 17. Dezember, die beim EU-Anwärter die Gemüter erhitzen – und offenbar auch Serbiens Schlapphüte elektrisieren. Serbiens Wahlkampf sei immer „schmutzig“, so die unabhängige Wochenzeitschrift Vreme. Doch der derzeitige Stimmenstreit habe die „Schmerzgrenze noch erhöht“: „Die Teilnahme der Geheimdienste war schon früher mehr oder weniger sichtbar, aber nie so stark wie dieses Mal.“

Tatsächlich weiden die regierungsnahen Boulevardmedien den vermeintlichen Sexskandal von Miketic weidlich aus. TV Pink ließ die Sexsequenzen gar in seinem Morgenmagazin über den Äther flimmern – und von SNS-nahen Publizisten „analysieren“. Ihre Schlussfolgerung: An der „Orgie“ des Abgeordneten sei außer einer Prostituierten auch Kokain im Spiel gewesen. „Er schnieft Drogen – und das Volk bezahlt ihn“, titelte hämisch das Schmuddelblatt Informer.

Missbrauch persönlicher Daten

Vucic dementiert zwar, dass der Geheimdienst das „ausgeleckte“ Video in den Umlauf gebracht habe, räumt aber offen ein, dass der BIA dieses analysiert habe: Es handle sich keineswegs um eine geheime, sondern um eine selbst gemachte Aufnahme. Miketic „missbrauche“ seine Privataufnahme, um sich selbst als „Opfer“ darzustellen, behauptet Vucic – und mimt wieder einmal den entrüsteten Unschuldsengel: „Miketic hat sich selbst gefilmt. Und nun soll ich wieder daran schuld sein.“

Laut der Opposition haben die Geheimdienste nicht nur bei dem von ihnen inszenierten Sexskandal und der von ihr beklagten Registrierung von Scheinwählern in der Hauptstadt, sondern auch bei den Belgrader Ablenkungsmanövern auf dem internationalen Parkett ihre Hände im Spiel. So hat Belgrad mitten im Wahlkampf einen kroatischen Diplomaten ausgewiesen: Der Mann soll sich wegen der Kontaktaufnahme zu Journalisten und Oppositionspolitikern der „Spionage“ schuldig gemacht haben.

Beunruhigt zeigt sich die Opposition auch über den Missbrauch persönlicher Daten bei den telefonischen Wahlkampfanstrengungen des berüchtigten SNS-Callcenters. Zu ihrer Empörung fanden sich selbst prominente Schauspielerinnen und Journalistinnen als vermeintliche Unterstützer aussichtsloser Kleinparteien auf deren offensichtlich gefälschten Unterschriftenlisten. Die Opposition argwöhnt, dass die Registrierung sogenannter Phantomparteien aus dem Dunstkreis der Macht nicht nur die Wähler verwirren, sondern Belgrad vor allem zusätzliche Plätze in den lokalen Wahlkommissionen sichern soll.