DeutschlandSahra Wagenknecht stellt politisches Projekt vor

Deutschland / Sahra Wagenknecht stellt politisches Projekt vor
Sahra Wagenknecht dürfte eine Partei gründen, die mit ihr steht und fällt Foto: AFP/John MacDougall

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Jetzt ist es offiziell: Sahra Wagenknecht und mehrere Mitstreiter spalten sich von der Linken ab. Die neue Partei soll bei der Europawahl 2024 und vielleicht auch bei den Landtagswahlen im Osten antreten. Wie es jetzt weitergeht und was die neue Partei antreiben wird.

Die mediale Aufmerksamkeit für Sahra Wagenknecht ist enorm, der Saal der Bundespressekonferenz an diesem Montagmorgen fast so voll wie bei einer Kanzler-Sommerpressekonferenz. Denn das, was die bisherige Linken-Politikerin verkünden wird, könnte die politische Landschaft in Deutschland und auch das Fraktionsgefüge im Bundestag über einen langen Zeitraum neu justieren. „Bündnis Sahra Wagenknecht“ (BSW) heißt der Verein, den die 54-Jährige nun aus der Taufe gehoben und damit der Linkspartei einen kräftigen Schubs in Richtung Abgrund gegeben hat.

Mit einem kleinen Team an Verbündeten will Wagenknecht aus dem Verein BSW zum Jahreswechsel 2024 eine eigene Partei gründen und dann auch Landesverbände aufbauen. Dass der Verein ihren Namen bekommen hat, erklärte Wagenknecht am Montag mit dem Ziel, schneller Bekanntheit erlangen zu wollen. Das sei aber nur temporär, sagte Wagenknecht. Die Partei, so ist herauszuhören, soll dann wohl nicht mehr ihren Namen tragen. Man wolle eine Partei auf den Weg bringen, die sich „für die nächsten 40 oder 50 Jahre“ im deutschen Parteiensystem etabliere, sagte Wagenknecht. „Ich kann Ihnen versprechen, so lange werde ich garantiert nicht mehr Politik in Deutschland machen.“

Nach der Gründung zu Jahresbeginn soll die neue Partei bei der Europawahl im Juni antreten. Offen ist noch, ob sie auch an allen drei Landtagswahlen im September 2024 in Sachsen, Thüringen und Brandenburg teilnehmen wird.

Abtrünnige sollen Mandate niederlegen

Zu Wagenknechts Vorstandsteam gehört die Bundestagsabgeordnete Amira Mohamed Ali, die bis vor Kurzem noch Fraktionschefin der Linken im Bundestag war, der Abgeordnete Christian Leye, der Unternehmer Ralph Suikat sowie der ehemalige Geschäftsführer der Linken in Nordrhein-Westfalen, Lukas Schön. Sie sind allesamt bereits aus der Linkspartei ausgetreten, wollen dieses Jahr aber noch in der Bundestagsfraktion bleiben, wenn diese es zulässt. Insgesamt waren mit Wagenknecht zehn Abgeordnete der Linksfraktion aus der Partei ausgetreten. Fraktionschef Dietmar Bartsch und Linken-Parteichef Martin Schirdewan forderten sie am Montag auf, ihre Mandate niederzulegen. Andernfalls wäre dies ein „höchst unmoralischer Diebstahl“ der Sitze, zitierte Schirdewan eine Erklärung der drei einzigen direkt gewählten Linken-Abgeordneten Gesine Lötzsch, Sören Pellmann und Gregor Gysi. Diese verlangten ebenfalls von den aus der Partei ausgetretenen Abgeordneten, ihre Mandate abzugeben. Dann könnten andere Linken-Politiker in den Bundestag nachrücken.

Für den Fall, dass Wagenknecht und ihre neun Unterstützer der Aufforderung nicht nachkommen, schloss Schirdewan aber auch nicht aus, dass die Ausgetretenen noch bis Jahresende in der Fraktion bleiben. Dabei geht es um die Zukunft der mehr als 100 Fraktionsbeschäftigten, wie Schirdewan deutlich machte. „Das Interesse der Beschäftigten dieser Fraktion ist uns eine Herzensangelegenheit.“ Bartsch sagte, die Fraktion werde souverän und in Ruhe entscheiden, ob die Abweichler zunächst in der Fraktion bleiben könnten.

Für Wagenknecht und ihre Mitstreiter geht es nun vor allem darum, mit dem neuen Verein Spenden für die Gründung der neuen Partei zu sammeln und deren Strukturen aufzubauen. Alle betonten, mit dem Versuch gescheitert zu sein, den Kurs der Linken zu ändern – Wagenknecht verwies explizit darauf, dass wegen des ausgebliebenen Kurswechsels die Linkspartei zuletzt immer wieder herbe Wahlniederlagen hinnehmen musste.

Keine gemeinsame Sache mit der AfD

Inhaltlich will Wagenknecht „wirtschaftliche Vernunft“, „soziale Gerechtigkeit“ und „Frieden“ in den Vordergrund ihrer Politik stellen. Sie kritisierte erneut scharf die Ampel-Koalition als „schlechteste Regierung“. In der Wirtschaftspolitik nannte sie die Sanktionen gegen Russland mit Blick auf die hohen Energiepreise einen Fehler, plädierte für den Bezug russischen Pipeline-Gases und warnte vor einer Abwanderung wichtiger Industrien. Man müsse auch wegkommen von einem „blinden, planlosen Öko-Aktivismus“, sagte sie. Beim Thema Migration kritisierte Wagenknecht, ungeregelte Zuwanderung verschärfe Probleme an Schulen vor allem in ärmeren Wohngebieten. Sie sprach sich aber auch für die zuletzt beschlossenen Maßnahmen auf europäischer Ebene aus.

Angesprochen auf den Nahost-Konflikt forderte sie, die Interessen der Palästinenser zu berücksichtigen und von einer israelischen Bodenoffensive im Gazastreifen abzusehen. „Ich hoffe, dass es einen anderen Weg gibt.“ Israel habe selbstverständlich das Recht, sich gegen die Angriffe der Terrormiliz Hamas zu verteidigen. Zugleich fügte sie hinzu: „Gaza ist ein Freiluftgefängnis seit vielen Jahren.“ Wer in diesem Bild der „Gefängniswärter“ sei, wollte sie auf Nachfrage nicht klar sagen. Sie mache sich Sorgen, dass der Konflikt weiter eskaliere, sagte Wagenknecht. Mit ihrem politischen Programm will Wagenknecht besonders Wähler von der AfD zurückholen. Zugleich schloss sie aus, dass ihre neue Partei künftig gemeinsame Sache mit der AfD machen werde.

Leila
24. Oktober 2023 - 8.55

Dass Wagenknecht Ralph Suikat für ihre zukünftige Partei gewinnen konnte, spricht für sich und wenn diese umbenannt wird, ist alles im Lot