Donnerstag23. Oktober 2025

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SchwedenRegierung führt strengere Corona-Maßnahmen ein

Schweden / Regierung führt strengere Corona-Maßnahmen ein
Auch in Schweden sind immer weniger Menschen in den Geschäften zu finden – wie hier im Gränbystaden-Einkaufszentrum in Uppsala Foto: AFP/various sources/Henrik Montgomery

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Die gelassene Stimmung auf Schwedens lockerem Sonderweg ohne Lockdown und Masken ist vor Weihnachten in spürbare Ängstlichkeit umgekippt. Stockholm führt nun die schärfsten Corona-Restriktionen seit Beginn der Pandemie ein.

Die Stimmung in Stockholm ist angesichts einer großen zweiten Coronawelle deutlich ängstlicher geworden. Immer mehr Menschen tragen freiwillig Masken. Im Einkaufszentrum in Hornstull machen Besucher große Bögen umeinander. Wegen der alarmierenden Situation hat Schwedens Regierung zu Weihnachten die strengsten Coronamaßnahmen seit Beginn der Pandemie eingeführt. Das Land entfernt sich damit immer weiter von seinem bisherigen lockeren Sonderweg.

Monatelang schien die Rechnung mit dem Lockdown-Verzicht zumindest teilweise aufzugehen. In Schweden lebten die Menschen freier als im Rest der Welt. Die Krankenhäuser waren trotzdem zu keinem Zeitpunkt überlastet. Und vor allem: Zwischen Juli und Anfang November fielen die Zahlen der Neuinfizierten, der Fälle auf den Intensivstationen sowie der Corona-Toten. Die Stockholmer schienen Corona zeitweise völlig vergessen zu haben und füllten Badestrände, Bars und Restaurants. In Metropolen seien durch den Lockdown-Verzicht um die „20 bis 40 Prozent der Bevölkerung immun“, meinte der Architekt des Sonderweges, Staatsepidemiologe Anders Tegnell, gegenüber dem Tageblatt.

Doch Ende Oktober, Anfang November hat eine zweite Welle das Land voll erwischt. Von Herdenimmunität kann kaum die Rede sein. Die Zahl der Corona-Toten stieg wieder rasant. Die Zahl der Neuinfektionen ist nur bedingt aussagekräftig, weil es schwer ist, sich in Schweden überhaupt testen zu lassen. Dennoch stieg auch dieser Wert rasant an, von 84.570 Anfang September auf 133.333 Anfang November und 266.896 zu Beginn dieses Monats. Die Dunkelziffer dürfte groß sein.

Stockholm versucht sich deshalb mit einem halbherzigen Lockdown. Ab Weihnachten dürfen sich nur noch vier Personen treffen. Dennoch können sich dann aber immer noch zahlreiche Vierergruppen in den weiter geöffneten Bars, Restaurants, Fitnessstudios und Geschäften begegnen. Ab 20 Uhr darf ab Weihnachten in der Gastronomie kein Alkohol mehr ausgeschenkt werden, was praktisch zur Schließung der meisten Lokale führen dürfte. Schon seit kurzem müssen diese um 22 Uhr schließen. Schulen ab der zehnten Klasse und Universitäten bleiben wie zuvor im digitalen Fernunterrichtsmodus. Kindergärten und Schulen bis einschließlich neunter Klasse bleiben geöffnet.

König Carl Gustaf: Das Land hat „versagt“

Erstmals überhaupt wird nun in Schweden das Tragen von Masken zumindest im Personennahverkehr empfohlen, aber nicht verpflichtend. Das für den lockeren Kurs verantwortliche Gesundheitsamt hält den Effekt von Masken weiterhin für fraglich.

„Lasst Weihnachten nicht zur Ansteckungsquelle werden. Feiert nur mit den Allerengsten. Haltet aus“, so Ministerpräsident Stefan Löfven in einer dramatischen Ansprache. „Dieses neue Restriktionspaket ist das umfassendste, das unter der Corona-Krise vorgelegt wurde“, befindet Mats Knutson, innenpolitischer Kommentator des öffentlich-rechtlichen Senders SVT.

Mit bislang insgesamt über 7.800 Corona-Toten hat das Land im Verhältnis zur Einwohnerzahl von 10,23 Millionen um ein Vielfaches mehr Tote als seine Nachbarländer, die alle in den Lockdown gingen. Das Gesundheitsamt macht dafür aber nicht die Grundstrategie, sondern punktuelle Hygiene-Schwachstellen in der Altenpflege verantwortlich, die eigentlich auch ohne Pandemie funktionieren müssten, weil sehr alte Menschen, vor allem Demenzkranke, grundsätzlich sehr anfällig für Infektionen sind. Das Gesundheitsamt verwies auch darauf, dass einige europäische Länder mit totalem Lockdown mehr Tote relativ zur Bevölkerungsanzahl hatten als Schweden. Dennoch: Schwedens König Carl Gustaf, der sich eigentlich nicht politisch äußern darf, befand kürzlich, dass das Land aufgrund der vielen Corona-Toten „versagt“ habe.