Montag27. Oktober 2025

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BrüsselRechtsstaatsmechanismus: EU-Parlament droht Kommission mit Klage

Brüssel / Rechtsstaatsmechanismus: EU-Parlament droht Kommission mit Klage
Leere Ränge im Brüsseler Parlamentssaal Foto: Stéphanie Lecocq/Pool/AFP

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Das EU-Parlament droht der Europäischen Kommission mit einer Klage, weil sie den Rechtsstaatsmechanismus im Gemeinschaftshaushalt noch nicht zur Anwendung gebracht hat.

Das Parlament betrachte dies als „Untätigkeit“, heißt es in einer Entschließung, die am Donnerstag in Brüssel mit breiter Mehrheit angenommen wurde. Sollte die Brüsseler Behörde ihren Verpflichtungen bis zum 1. Juni nicht nachkommen, werde das Parlament Klage beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) einreichen.

Der Rechtsstaatsmechanismus ist seit Anfang dieses Jahres in Kraft und berechtigt die Kommission, den Mitgliedstaaten bei rechtsstaatlichen Verfehlungen zulasten des Gemeinschaftshaushalts EU-Mittel zu kürzen. Im Fokus standen in diesem Zusammenhang bislang vor allem Polen und Ungarn, die seit Jahren in Brüssel wegen Verstößen gegen die Rechtsstaatlichkeit und demokratische Grundwerte am Pranger stehen.

„Die Situation in Bezug auf die Achtung des Rechtsstaatsprinzips in einigen Mitgliedstaaten“ rechtfertige eine sofortige Anwendung des neuen Instruments, heißt es im Entschließungstext. Die EU-Abgeordneten nähmen jedoch „mit Enttäuschung zur Kenntnis“, dass die Kommission bislang keine entsprechenden Schreiben an betroffene Mitgliedstaaten gerichtet habe.

Warschau und Budapest hatten sich vehement gegen den Rechtsstaatsmechanismus gewehrt und dabei über Wochen ein billionenschweres Finanzpaket aus dem EU-Haushalt und dem Corona-Hilfsfonds blockiert. Schließlich stimmten sie zu, nachdem die Staats- und Regierungschefs zugesichert hatten, dass Kürzungen von EU-Geldern erst erfolgen würden, nachdem der EuGH das Instrument rechtlich geprüft habe.

Die entsprechenden Klagen reichten die beiden Länder vorvergangene Woche in Luxemburg ein. Auch ein beschleunigtes EuGH-Verfahren wird wohl bis zu einem Jahr dauern. Ungarn, Polen und eventuell anderen EU-Ländern drohen also frühestens Ende 2022 Sanktionen.

Gipfelentscheidungen haben keine Rechtskraft

In ihrer Entschließung führen die Abgeordneten nun an, „dass Klagen vor dem EuGH (…) keine aufschiebende Wirkung haben“. Auch kritisieren sie, dass die Kommission vor der Anwendung des Rechtsstaatsmechanismus dafür noch „Leitlinien“ entwickeln wolle. Dies hatte die Behörde mit Blick auf den Gipfel-Kompromiss mit Polen und Ungarn angekündigt.

Allerdings wollen die EP-Abgeordneten dieses Argument nicht gelten lassen. Gipfelentscheidungen hätten keine rechtlichen Auswirkungen und könnten die Anwendung von bereits in Kraft getretenen Gesetzen nicht aufschieben. Zudem haben die Parlamentarier bereits mehrmals darauf hingewiesen, dass die Ausarbeitung der von der EU-Kommission ins Feld geführten Leitlinien ebenfalls kein Grund sein könne, den Rechtsstaatsmechanismus anzuwenden. EU-Kommissar Johannes Hahn hatte vor zwei Wochen im EP erklärt, die Kommission wolle mit den Leitlinien sicherstellen, dass die ersten Fälle, die mit dem Rechtsstaatsmechanismus angestrengt werden, auch erfolgreich sind. Zudem hat die EU-Kommission wiederholt betont, dass keine Fälle vergessen werden. Demnach wolle sie den Rechtsstaatsmechanismus nach grünem Licht aus Luxemburg gegebenenfalls rückwirkend auf Verstöße ab Januar anwenden. (AFP/Red.)