Ausgerechnet der künftige Ratsvorsitzende Slowenien wird für die EU immer mehr zum Problem. Als „Grund zur Sorge“ bezeichnet die oberste EU-Korruptionsjägerin Laura Kövesi ausgerechnet das Land, das am 1. Juli den EU-Vorsitz übernehmen wird. Der Grund: Ljubljana hat alle Fristen verstreichen lassen, um für die am 1. Juni ihre Arbeit aufnehmende EU-Staatsanwaltschaft in Luxemburg zwei delegierte Staatsanwälte zu benennen.
„Slowenien kann die EU-Staatsanwaltschaft nicht aufhalten, aber das Fehlen aufrichtiger Zusammenarbeit erschwert es uns, das zu tun, wofür wir geschaffen wurden – den Schutz des EU-Budgets zu verbessern und die Rechtsstaatlichkeit zu wahren“, ärgert sich Kövesi gegenüber der Zeitung Delo. Es ist nicht das erste Mal, dass die rechtspopulistische Regierung von Janez Jansa seit ihrem Amtsantritt im März 2020 mit EU-Institutionen ins Gehege gerät: In kurzer Zeit hat sich der frühere EU-Musterknabe zum EU-Problemkind gemausert.
Orbans Freund
Seine Schmähungen von unliebsamen Journalisten hatten Rechtsausleger Jansa schon im vergangenen Frühjahr Ermahnungen des Europarats, der EU-Kommission und der Europäischen Rundfunkunion (EBU) beschert. Beeindruckt zeigt sich der politische Busenfreund von Ungarns Premier Viktor Orban bei seinem Feldzug gegen die „Lügenberichterstattung“ allerdings kaum.
Die Führung des öffentlich-rechtlichen TV-Senders RTV wurde auf Druck seiner Regierung zu Jahresbeginn ausgetauscht. Der ihm missliebigen Nachrichtenagentur STA hat Jansa den Geldhahn abgedreht. Weil ihm Ende März der Wunsch verweigert wurde, einen Propagandafilm zum Thema Medienfreiheit in Slowenien bei einer Anhörung im Europäischen Parlament einzuspielen, brach der Premier seinen Video-Auftritt kurzerhand abrupt ab.
Slowenien kann die EU-Staatsanwaltschaft nicht aufhalten, aber das Fehlen aufrichtiger Zusammenarbeit erschwert es uns, das zu tun, wofür wir geschaffen wurden
Nicht nur mit seinen vorschnellen Wahlsieg-Glückwünschen an den abgewählten Ex-US-Präsidenten Donald Trump hat sich der wegen seiner exzessiven Twitter-Botschaften als „Marschall Twito“ verspottete Jansa diskreditiert. Für Unmut auch im EU-Wartesaal sorgte im April ein ihm zugeschriebenes „Non-paper“, das für eine Neuziehung der Grenzen auf dem Westbalkan plädiert. Zwar dementiert Jansa, der Autor zu sein. Doch das „slowenische Papier“ hat das Land ausgerechnet vor Beginn der Ratspräsidentschaft noch stärker isoliert.
Bröckelnde Macht
Auch wegen Jansas bröckelnder Machtbasis im eigenen Land droht die EU ab 1. Juli mit Slowenien von einer flügellahmen Ente geführt zu werden: Nicht einmal mehr Tagesordnungen vermag seine von Zerfallserscheinungen geplagte Minderheitsregierung noch durchs Parlament zu boxen.
Ein Regierungswechsel oder die Ansetzung von Neuwahlen kurz vor Sloweniens EU-Vorsitz scheint dennoch eher ausgeschlossen. Sesselkleber Jansa wolle sich den EU-Vorsitz „an den zerknitterten Regierungsmantel heften“, ätzt das Wochenblatt Mladina. Doch es mehrten sich die Anzeichen, dass sich ranghohe EU-Politiker den erhofften Gruppenfotos mit dem in Brüssel zunehmend als „abstoßend“ empfundenen Premier verweigern und ihre Teilnahme an EU-Treffen in Slowenien absagen könnten: „Der EU-Vorsitz könnte für Jansa zu einer bitteren Erfahrung werden.“
De Maart
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