Dienstag28. Oktober 2025

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BulgarienRätselhafter Wahlsieger Trifonow kündigt Regierungsbildung ohne Partner und Mehrheit an

Bulgarien / Rätselhafter Wahlsieger Trifonow kündigt Regierungsbildung ohne Partner und Mehrheit an
Was Slavi Trifonov mit Bulgarien vorhat, bleibt vorerst unklar Foto: AFP

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Die Bildung einer neuen Regierung steht in Bulgarien auch nach der zweiten Parlamentswahl in 100 Tagen in den Sternen. Ohne Partner und ohne Mehrheit will sich nun die populistische Protestpartei ITN alleine an die Regierungsmission wagen – und stößt auf Skepsis.

Gerupfte Wahlverlierer haben selten Grund zur Freude. „Wir sehen keinerlei Potenzial in Bulgarien für ein erfolgreiches Regieren in den kommenden Monaten und Jahren“, kündete Toma Bikow, Parlamentarier der rechtspopulistischen Gerb-Partei, anstelle seines abgetauchten Parteichefs Bojko Borissow schon in der Wahlnacht den Journalisten mit angesäuerter Miene den Wechsel der langjährigen Regierungspartei in die Opposition an.

Nach Auszählung von 98,9 Prozent der Stimmen hat Gerb (23,69 Prozent) die angestammte Position als stärkste politische Kraft des Landes erstmals seit 2009 an die erstarkte Protestpartei „Es gibt ein solches Volk“ (ITN, 23,91 Prozent) verloren. Zwar neigt sich die fast zwölf Jahre währende, von endlosen Korruptionsskandalen überschattete Ära von Ex-Premier Borissow wohl endgültig ihrem überfälligen Ende entgegen. Doch eine neue Mehrheit ist auch nach der zweiten Parlamentswahl innerhalb von 100 Tagen nicht in Sicht: Wer künftig den Balkanstaat regiert, ist völlig ungewiss.

Mit der bürgerlichen DB (12,56 Prozent) und dem Linksbündnis „Aufstehen! Mafia raus!“ (5,03 Prozent) haben neben der populistischen ITN zwar zwei weitere im April erstmals ins Parlament eingezogene Protestparteien erneut den Sprung über die Vier-Prozent-Hürde geschafft. Doch der Erwartung, dass sich die erstarkten Parlamentsneulinge gemeinsam an die Bildung einer möglicherweise von der sozialistischen BSP (13,51 Prozent) tolerierten Minderheitsregierung wagen würden, widersprach der populäre ITN-Gründer und Entertainer Slawi Trifonow schon am Tag nach der Wahl entschieden.

Koalition ist in Bulgarien zu einem schmutzigen Wort geworden

Slavi Trifonov, ITN-Chef

Nach der Wahl im April hatte der eigenwillige ITN-Chef nur ein Bündnis mit den traditionellen Parteien Gerb, BSP und der als Oligarchenpartei verschrienen DSP (10,66 Prozent) resolut ausgeschlossen. Nun will Trifonow auch nicht mehr mit den beiden anderen Protestparteien kooperieren. „Koalition ist in Bulgarien zu einem schmutzigen Wort geworden“, begründete der 54-Jährige zu Wochenbeginn, warum er seine Partei alleine, ohne Partner, aber auch ohne Mehrheit die Regierungsmission wagen lassen will.

Viel Skepsis

Dafür wartete der sich über seine Pläne bisher sehr bedeckt haltende Politnovize mit den Namen eines 18-köpfigen Schattenkabinetts auf: Der 51-jährige Ökonom und frühere Vizepremier Nikolai Wassilew soll nach dem Willen des ITN-Chefs künftig die Regierungsgeschäfte führen.

Der neue Regierungschef und seine Ministerriege müssten über „Moral“, Fremdsprachenkenntnisse und Abschlüsse an renommierten Universitäten verfügen, begründete Trifonow die Nominierung des einstigen Parteigängers der NDSW von Ex-Zar Simeon Sakskoburggotski zu seinem Wunschpremier.

Das eigenwillige Vorpreschen des rätselhaften Wahlsiegers stieß in ersten Reaktionen jedoch selbst bei potenziellen Unterstützern auf Skepsis. Die von Trifonow skizzierten Reformen seien „kosmetischer Natur und werden zu keinen tiefgreifenden Veränderungen führen“, mäkelte Wladislaw Panew, der stellvertretende Vorsitzende der DB-Fraktion im Parlament.