Portugals Staatschef Rebelo de Sousa hat sich die Entscheidung nicht leicht gemacht. Acht Tage lang beriet der 72-Jährige mit Parteien, Gewerkschaften und Arbeitgebern, wie es nach dem Scheitern des Haushaltes weitergehen sollte. Die Beratungen endeten mit einem Paukenschlag: Rebelo de Sousa kündigte an, dass die Portugiesen am 30. Januar eine neue Regierung wählen müssen. Portugals Präsident hat eine erhebliche Machtfülle. Er kann Gesetze blockieren und bei politischer Instabilität das Parlament auflösen.
„In Momenten wie diesem gibt es immer eine Lösung in der Demokratie“, sagte das Staatsoberhaupt in einer TV-Ansprache. „Und zwar dem Volk das Wort zu geben.“ Er vertraue darauf, dass sich der Gemeinsinn der Bürger durchsetzen werde, um klare Mehrheitsverhältnisse zu schaffen. „Wie immer sind die Portugiesen die beste Garantie für die Zukunft des Landes.“ Die Worte von Marcelo Rebelo de Sousa, der vom Volk vertrauensvoll „Marcelo“ gerufen wird, haben Gewicht. Er ist noch vor der Kicker-Ikone Cristiano Ronaldo die populärste Persönlichkeit des Landes.
Wie immer sind die Portugiesen die beste Garantie für die Zukunft des Landes
Bisher sieht es jedoch nicht danach aus, dass der Wunsch nach einer stabilen Regierung in Erfüllung gehen wird. Umfragen sagen Portugals sozialistischem Regierungschef Costa, der einen sozialdemokratischen Kurs fährt, zwar wieder einen Wahlsieg voraus. Aber eine absolute Mehrheit ist weiter nicht in Sicht. Der 60-jährige Sozialist wäre also erneut von den Stimmen zweier linker Kleinparteien abhängig. Diese haben ihn seit seinem Amtsantritt 2015 unterstützt. Doch vor kurzem, Ende Oktober, kam es zur Rebellion: Die kleinen Linksparteien stimmten mit der konservativen Opposition gegen den Haushaltsentwurf für 2022.
Nach der neuesten Wahlstudie, welche die nationalen Tageszeitungen Diário de Notícias und Jornal de Notícias veröffentlichten, könnte sich Costas Sozialistische Partei bei der kommenden Neuwahl leicht verbessern und auf 38 Prozent kommen. Die Konservativen, die in Portugal unter dem Namen Sozialdemokratische Partei antreten, sinken weiter auf etwa 24 Prozent. Auch die beiden kleinen Linksparteien müssen nach ihrem Nein zum Haushalt mit Abstrafung durch die Wähler rechnen. Nur die rechtspopulistische Partei Chega könnte spürbar von der Krise profitieren und auf sieben Prozent zulegen.
Dritthöchste Schuldenquote in der EU
Für Portugal wäre ein solcher Wahlausgang kein gutes Omen. Sozialistenchef Costa müsste sich wieder links der Mitte eine wackelige Mehrheit suchen. Von der rechten Seite kann er keine Unterstützung erwarten. Die Zitterpartie würde also weitergehen. Die Neuwahl würde dann Portugals Machtkrise nur verlängern. Die Verabschiedung eines Haushaltes, in den 2022 die milliardenschweren Brüsseler Pandemiehilfen einfließen sollen, würde sich weiter verzögern. Das könnte fatale Folgen haben: Ohne Etatplan, in dem Ausgaben und Ziele festgezurrt werden, gibt es keine EU-Hilfen.
Dabei hat Portugal die Überweisungen aus dem Brüsseler Corona-Aufbauprogramm dringend nötig. Das Land, das stark vom Tourismus abhängig ist, gehört zu den am härtesten durch die Pandemie betroffenen EU-Staaten. Die nationale Wirtschaftsleistung brach im Jahr 2020 um 8,4 Prozent ein – der EU-Schnitt des Konjunktureinbruchs liegt bei 5,9 Prozent. Für die kommenden Jahre wurden Lissabon 16,6 Milliarden Euro aus dem europäischen Wiederaufbautopf zugesagt, davon müssen 13,9 Milliarden nicht zurückgezahlt werden.
Doch die allergrößte Sorge in Portugal ist der Schuldenberg. Durch die Sonderausgaben und den Steuereinbruch im Pandemiejahr 2020 stieg die Staatsschuld auf 135 Prozent des Bruttoinlandsproduktes. Damit ist Portugal nach Griechenland und Italien das EU-Land mit der dritthöchsten Schuldenquote. Auch deswegen hatte Premier Costa einen Haushalt vorgelegt, der zwar einige soziale Wohltaten vorsah, aber zugleich das Staatsdefizit wieder deutlich verringern sollte. Eine Gratwanderung, die vorerst, mangels Mehrheiten, gescheitert ist.
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