Die Rede ist von politischer Druckausübung auf Mitarbeiter und erzwungenen Kündigungen. Bis zu 200 Arbeitnehmer könnten von der Entlassungswelle betroffen sein. Hintergrund des Massenrauswurfs ist eine geleakte Liste mit Namen und Adressen von Unterstützern des Oppositionspolitikers Alexej Nawalny. Vor ihrer jüngsten Kundgebung am 21. April baten die Organisatoren ihre Unterstützer um eine Onlineregistrierung. So sollte die Verbindlichkeit der Teilnahme am Protest erhöht werden. Hacker gelangten in den Besitz der Liste und leiteten sie an staatliche Stellen weiter. Mit fatalen Konsequenzen, wie sich nun herausstellt.
Mein Chef rief mich zu sich, gab mir einen Zettel und forderte mich auf, meine Kündigung auf eigenen Wunsch zu schreiben
„Mein Chef rief mich zu sich, gab mir einen Zettel und forderte mich auf, meine Kündigung auf eigenen Wunsch zu schreiben.“ Mit diesen Worten schilderte ein früherer Mitarbeiter dem Fernsehsender „Doschd“ die Vorgänge. Mehrere Bedienstete beschrieben gegenüber anderen russischen Medien ähnliche Unterredungen. Einem Zugführer, der seit 2004 bei der Moskauer Metro arbeitet, wurde ein „außerplanmäßiger Urlaubstag“ versprochen – er blieb daher zu Hause. Als er tags darauf bei der Arbeit erschien, warf man ihm als Begründung für eine fristlose Entlassung „Bummelei“ vor. Mehrere Vorgesetzte erwähnten, dass die Strafmaßnahmen „von oben“ angeordnet seien – vom Chef des Moskauer Transportwesens und Vizebürgermeister Maxim Liksutow. Nicht ausgeschlossen ist, dass die Kreml-Verwaltung hinter der Aktion steht. Bisher schwiegen die Stellen zu den Vorgängen.
Wenn sich die Betroffenen gegen den Rauswurf wehren wollten, wurden Schritte angedroht: „Dann finden wir etwas gegen dich.“ Mehrere Mitarbeiter wollen dennoch mithilfe von Anwälten oder der Gewerkschaft für ihr Recht kämpfen. Ein Gewerkschaftsvertreter der Metro-Angestellten sprach von einer „Ausnahmesituation“ und versprach den Betroffenen rechtlichen Beistand.
Wie in Zeiten der Sowjetunion
Politische Druckausübung auf Studierende sowie Arbeitnehmer öffentlicher Institutionen oder staatlicher Betriebe ist in Russland nicht neu. So häufen sich etwa vor Wahlen regelmäßig Berichte über betriebliche Versammlungen, bei denen an die Pflicht zur Wahlteilnahme appelliert wird und Ratschläge zur richtigen Stimmabgabe erteilt werden.
Auch vor den jüngsten Kundgebungen der Nawalny-Anhänger intensivierte die Staatsmacht ihren Druck auf ihr untergeordnete Einrichtungen. Doch ein Massenrauswurf wie jetzt ist unerhört und zeugt von einer neuen Qualität der Repressalien. Im Kontext der jüngsten Maßnahmen gegen Unterstützer der Opposition fühlen sich viele an das Vorgehen des Sowjetstaats erinnert. Damals blieben politisch „Unzuverlässigen“ bestimmte Berufe verwehrt. Wer „abweichende“ Meinungen hatte, hatte mit Nachteilen für sich und seine Familie zu rechnen.
De Maart
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