Parteien und Marketing: Wie sag ich’s meinem Wähler?

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Wenn sich Parteigrößen streiten, spricht das ganze Land darüber. Für programmatische Inhalte müssen Marketing-Spezialisten ran.

Als die CSV vor zwei Wochen die Serie ihrer Bezirkskongresse in Esch mit der südlichen Folge abschloss, ahnte sie noch nicht, dass trotz außergewöhnlich starker Medienpräsenz nur ein kleiner Nebensatz in der Öffentlichkeit hängen bleiben würde. Weil RTL in seiner TV-Reportage weniger auf programmatische Aussagen als auf flinke Sätze fokussiert war, drang nur der Nebensatz von Parteipräsident Marc Spautz über die rosa Uniformen für die Polizei ins Bewusstsein der Öffentlichkeit. Obwohl sie für die Zukunft der Menschen schwerwiegender sind als der populistische Ausrutscher, blieben die Andeutungen von Spitzenkandidat Claude Wiseler unbeachtet.

Erschwerend für die CSV ist derzeit ebenfalls die von Medien und Oppositionspolitikern genüsslich geführte personalpolitische Diskussion, wobei diese nicht von Letzteren, sondern von Frau Viviane Reding mit ihrem „Ich kann vieles“ ausgelöst wurde. Dass Reding mit ihrer Talentvermarktung in der CSV überdies keine Ausnahmeerscheinung ist, zeigte zuletzt Léon Gloden, der „Député-maire“ von Grevenmacher. Auch er fühlt sich befähigt, so allerlei Posten in einer nächsten Regierung zu übernehmen, sagte er dem Luxemburger Wort. Sogar Kammerpräsident könne er. Auch diese Personaldiskussion rückt Inhalte in den Hintergrund. Doch Schwierigkeiten, die politischen Vorstellungen an den Mann bzw. die Frau zu bringen, ist kein CSV-eigenes Problem.

Die Parteien sollen der politikwissenschaftlichen Theorie zufolge zur politischen Willensbildung der Wähler beitragen. Dazu sollen sie Ideen liefern. Am Wähler, zwischen diesen zu entscheiden. Genauer gesagt, in der Wahlkabine jene Kandidaten auszuwählen, die am geeignetsten wären, die gewünschten Inhalte umzusetzen. Doch umfangreiche Wahlprogramme, wie sie regelmäßig geschrieben und dem Wähler vorgelegt werden, hat auch in der Vergangenheit bereits außer den politischen Gegnern kaum jemand gelesen.

Wenn sich Otto Normalwähler schon Inhalte zu Gemüte führte, dann über abgespeckte Versionen: hundert Seiten Wahlprogramm auf vier DIN-A-Seiten eingedampft. Wobei stets einige wenige Gedanken berücksichtigt wurden. Solche, die der Partei wichtig und ihrer Ansicht nach auch für den Wähler von Bedeutung waren. Doch auch hier drohte bereits in der Vergangenheit eine Übersättigung. Wer einen Stoß unbestellten Papiers aus dem Briefkasten fischte, schmiss ihn in der Regel beherzt in den daneben stehenden Altpapiercontainer.

Wie überzeugt man den Wähler?

Wie also die politische Message an den Wähler bringen, um ihn dazu zu bewegen, für die Partei zu stimmen? Hier beginnt die Aufgabe der Vermarkter, des Marketing. Acht Monate vor dem Wahltermin kommen die Parteien auf Touren. Für sie bedeutet der kurze, in der Regel auf einen Monat befristete und nach außen sichtbare Wahlkampf eine finanzielle Höchstleistung.

Die LSAP geht von einem Wahlkampfbudget von rund 600.000 Euro aus. Das ist etwas weniger als das letzte Mal, sagt Generalsekretär Yves Cruchten. Man habe in der Vergangenheit Wahlkämpfe gehabt, die rund eine Million gekostet hätten. Etwas mehr dürfte es sich die CSV kosten lassen: bis zu einer Million. Teuer seien insbesondere die großflächigen Plakate entlang der Straßen, die sogenannten „Wesselmänner“, sowie TV- und Radiospots, sagt Laurent Zeimet, CSV-Generalsekretär. Bei der DP dürfte sich die Ausgabenhöhe zwischen diesen beiden Beträgen bewegen. So genau habe man noch nicht darüber geredet, erklärt Generalsekretär Claude Lamberty. Von den vier aktuellen bzw. gewesenen Regierungsparteien werden „déi gréng“ voraussichtlich am wenigsten ausgeben. Am Samstag beschloss der Kongress in Strassen ein Wahlkampfbudget von 450.000 Euro, in etwa so hoch wie 2013.

Die Mittel werden u.a. für Plakate und Flugblätter, TV-, Radio- und Kinospots sowie für die Entlohnung der Werbespezialisten benötigt. Denn die dünne Personaldecke und fehlendes Know-how insbesondere in Sachen soziale Medien zwingen die Parteien, auf Profis auszuweichen – Marketingagenturen wie Bizart für die CSV oder Medienfabrik für die LSAP.

All-inclusive

Für die LSAP soll die Agentur mehr als ein Rundum-Betreuungspaket liefern. Von ihr wolle man wissen, wo es sich lohnt, am besten Werbung zu machen, sagt Cruchten. Wenn eine Partei beispielsweise für den kostenlosen öffentlichen Transport eintritt, lohnt es sich nicht, entlang der Autobahn dafür zu werben. Auch den Blick von außen auf die eigene Partei erwarte man sich von den Profis.

Anders als in der Vergangenheit setzt die CSV dieses Mal nicht allein auf eine Agentur. Die helfe zum Beispiel bei der Gestaltung des Konvents am 24. März in Ettelbrück, wo die Kandidaten vorgestellt werden. Geholfen hat sie auch der grafischen Auffrischung des landesweit verteilten Flugblatts „op de Punkt“. Bei der Formulierung der politischen Botschaften greift die CSV hingegen auf die Unterstützung eines Kommunikationsberaters zurück, betont Zeimet.

In der heutigen Medienflut, die ständig über die Menschen hereinbricht, werde es für Parteien zunehmend schwieriger, die Kommunikation mit dem Wähler allein zu verwalten, sagt Cruchten zu Beginn unseres Gespräches über Parteien und Marketing. Die Aussage unterstreicht die Hilflosigkeit der Parteien, nicht nur der LSAP, im Umgang mit den neuen Medien. Man habe bisher keine „professionelle Approche“ dazu gehabt, meint der sozialistische Generalsekretär.

Personalisierte Botschaften

Dennoch will man 2018 auf den virtuellen Plattformen verstärkt bestehende Wähler motivieren und neue hinzugewinnen. Bloß, wie Facebook und Co. dazu nutzen? Ideal wären personalisierte Botschaften, um jeden FB-Nutzer persönlich anzusprechen, also eine individuell zugeschnittene Botschaft statt eines FB-gerechten, doch allgemeinen Flugblatts. „Wir haben weder Leute noch Mittel dazu“, erklärt CSV-Generalsekretär Laurent Zeimet. Cruchten weiß zwar von einer Software, die solche extrem personalisierten Botschaften ermöglichen würde. Doch derlei Wahlkampf widerspreche seinen Prinzipien, sagt er. Klar sei hingegen, dass die Wahlkampfausgaben im Netz dieses Mal höher als für klassische Plakatwerbung sein werden.

Niemand wagt, die Bedeutung der Materialschlacht auf das Wahlergebnis zu schätzen. Klar sei nur, dass bei gewonnener Wahl auch auf die gute Kampagne geschlussfolgert werde und bei einem Misserfolg der Generalsekretär herhalten müsse, meint Zeimet schmunzelnd. „Das Ganze muss stimmen“, fügt er hinzu. Kandidaten, das Wahlprogramm und eine zu den Kandidaten passende Kampagne. Zuerst müsse die inhaltliche Ausrichtung stimmen, sagt DP-Generalsekretär Claude Lamberty. Wenn sich die Menschen damit identifizieren, achten sie nicht darauf, ob die Plakate passend sind oder nicht.

Wie in der Vergangenheit werden sich die Parteien um ein Abkommen zur zeitlichen und materiellen Begrenzung der Wahlkampagne bemühen. Erste Kontakte soll es bereits gegeben haben. Dieses Mal dürfte – neben dem offiziellen Termin für den Auftakt der heißen Wahlkampfphase, der Begrenzung der Zahl großflächiger Plakate, von TV- und Radiospots sowie Printanzeigen – die Internetwerbung verstärkt thematisiert werden.

Der interessierte Wähler wird in der Zwischenzeit den Wahlkampf klassisch via Pressekonferenzen und -mitteilungen, Auftritten der Spitzenkandidaten bei Festen und anderen Anlässen beobachten können. Wobei vor allem parteiinterne Kämpfe noch für so manch spannende Augenblicke sorgen dürften.


Geld wird rückerstattet

Das Gesetz sieht eine teilweise Rückerstattung der Wahlkampfkosten vor. Folgende Beträge gingen an die Parteien nach den Wahlen 2013:

Partei Betrag
CSV 542.000 Euro
DP 367.000 Euro
LSAP 367.000 Euro
ADR 92.500 Euro
déi gréng 210.000 Euro
déi Lénk 82.500 Euro
Pompeafric
27. Februar 2018 - 12.53

Das ganze Trauerspiel (davon nehm ich keine Partei aus), kotzt mich nur noch an. Dafür werde ich mich sicherlich auch nicht mehr bewegen und etwas sinnvolleres mit meiner Zeit anfangen als den Urnengang

CESHA
27. Februar 2018 - 7.41

Meinetwegen könnten sich die Parteien die ganzen Werbungskosten sparen: Mir ist egal, wer die meisten Plakate am Strassenrand hat und was alles versprochen wird: Für mich zählt nur, was die betreffenden Parteien in der Vergangenheit geleistet haben oder eben nicht.