Mittwoch5. November 2025

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PolenOpposition versucht, Junge und Nichtwähler an die Urnen zu locken

Polen / Opposition versucht, Junge und Nichtwähler an die Urnen zu locken
Oppositionsparteien riefen gestern zu einer Großdemonstration in Warschau auf Foto: AFP/Wojtek Radwanski

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Eine ursprünglich als Marsch zur Unterstützung der vom europaweit strengsten Abtreibungsgesetz geknechteten Frauen geplante Demonstration wurde zwei Wochen vor der entscheidenden Parlamentswahl in eine Veranstaltung zur Beförderung der allgemeinen Wahlteilnahme umgestaltet. Einzig das Motto „Marsch der Millionen Herzen“ blieb.

„Wir haben genug und wollen die Wende“ und „Gemeinsam sind wir stark“, machen den Anhängern der Opposition in Polen Mut. Manche von ihnen sind die ganze Nacht hindurch mit Bussen aus entlegenen Landesteilen in die Hauptstadt Warschau gefahren. Auf dem Weg mussten sie zum Teil große Umwege fahren, um zu tanken. Denn der staatliche Mineralölkonzern „Orlen“ hatte auffallend viele Tankstellen an den Autobahnen und Schnellstraßen wegen angeblicher „technischer Probleme“ geschlossen.

Just auf die Wahlen hin hatte das vollständig von der Kaczynski-Partei PiS kontrollierte Unternehmen die Benzinpreise auf das niedrigste Niveau in der EU gedrückt. Auch dies treibt die Umfragewerte der Regierungspartei „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS) in die Höhe. Noch liegt sie durchschnittlich rund fünf Prozentpunkte vor Donald Tusks liberaler Bürgerplattform (PO). Dieses Problem sollte die Großdemonstration vom Sonntag lösen. Der Marsch durch Warschaus Innenstadt wurde auch von der Linken unterstützt, nicht aber vom liberal-konservativen Wahlbündnis „Dritter Weg“, das sich immer mehr zwischen Regierung und Opposition positioniert.

„Unsere Kraft kann durch nichts mehr aufgehalten werden“, sagte Tusk in einer Rede zum Marschauftakt. „Niemand in den Reihen der Macht da oben soll sich Illusionen machen: Dieser Wandel ist unvermeidlich“, dröhnte er von einer Bühne herab. Wenn er all diese hunderttausende lachenden Gesichter sehe, spüre er, dass sich Polen an einem Wendepunkt befinde, sagte Polens Oppositionsführer.

Auf der Bühne neben Tusk traten dann der bekannte Konzertveranstalter und Kinderhilfeaktivist Jerzy Owczak und der radikale Bauernführer Michal Kolodziejczak von der Partei „AgroUnia“ auf. Sie hat sich erst kürzlich mit der PO verbündet, da sie wohl alleine an der Fünfprozent-Hürde scheitern würde. Owczak sollte die jungen Erstwähler motivieren, an den Wahlen in zwei Wochen teilzunehmen; Kolodziejczak die Bauern dafür gewinnen, erstmals überhaupt für Liberale zu stimmen. Seit die traditionelle Bauernpartei PSL massiv eingebrochen ist, kämpfen sowohl PiS wie PO um die Stimmen der Bauern.

Zwist zwischen PO und PiS beenden

Nach drei Stunden Marschzeit war klar, dass die liberale und linke Opposition so kurz vor den entscheidenden Wahlen noch mehr Bürger auf die Straßen gelockt hatte als Anfang Sommer zum Jahrestag der ersten halbfreien Wahlen in Polen von 1989. Damals waren es etwa eine halbe Million gewesen, diesmal laut Tusk doppelt so viele. „Ich will euch berichten, dass wir mehr als eine Million sind!“, sagte Tusk auf seiner Abschlussrede. „Dies ist die größte politische Manifestation in der polnischen Geschichte“, freute sich Tusk. Der Oppositionsführer versprach ein Ende des bereits seit 18 Jahren andauernden Zwists zwischen den beiden Parteien PO und PiS. „Wir rechnen ab und dann versöhnen wir uns“, sagte Tusk. Er spielte dabei ans Wahlversprechen an, fehlbare PiS-Politiker und von der PiS eingesetzte Staatsbeamte wegen Rechtsbeugung vor Gericht zu ziehen. Es geht dabei vor allem um den auch von der EU immer wieder kritisierten Versuch, Polens Justiz nach dem Willen der PiS gleichzuschalten.

Ähnliche Versprechen machte Tusk bereits im Wahlkampf 2007. Damals wurden sie nicht verwirklicht, obwohl man den damaligen und heutigen Justizminister Zbigniew Ziobro wohl hätte belangen können. Doch vor 16 Jahren fehlte dafür trotz des Wahlsiegs der politische Wille. Ob das 2023 anders wäre, muss sich erst noch zeigen.