KroatienNeuer Aufwind im Superwahljahr

Kroatien / Neuer Aufwind im Superwahljahr
„Es reicht!“: Plakate während einer Demonstration in Zagreb – organisiert von der Opposition Foto: AFP/Damir Sencar

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Ausgerechnet Kroatiens konservativer HDZ-Premier Andrej Plenkovic hat mit der kontroversen Kür des neuen Generalstaatsanwalts die zersplitterte Opposition neu geeint. Im linksliberalen Lager mehren sich zum Auftakt des Superwahljahrs die Stimmen, die für ein gemeinsames Wahlbündnis plädieren.

Selbst in den Seitenstraßen des Zagreber Markusplatz drängten sich die Massen. „Genug der Korruption, genug der Lügen!“ rief der sozialdemokratische Oppositionschef Peter Grbin (SDP) den sich am Wochenende vor dem kroatischen Regierungssitz drängenden Demonstranten zu: „Dies ist unser Land und wir werden niemanden erlauben, es zu berauben!“

Es ist die Empörung über die florierende Korruption, den konservativen Regierungschef Andrej Plenkovic (HDZ) und die Kür des regierungsnahen, aber umstrittenen Juristen Ivan Turudic zum Generalstaatsanwalt, die Kroatiens sonst so zersplitterte Linke eint. Als „kriminelle Bande“, die Kroatien schon seit 30 Jahren „terrorisiere“, bezeichnete gar Kreso Beljak, der Chef der linksliberalen Bauernpartei HSS, die regierende HDZ.

Der unerwartet starke Andrang bei der von 13 linksliberalen Oppositionsparteien organisierten Kundgebung hat nicht nur deren Führungspersonal beflügelt, sondern auch die Medien verblüfft. „Der Markusplatz war überfüllt“, vermeldete erstaunt das Webportal „index.hr“. Die Demonstration habe gezeigt, „dass die Jugendlichen in Kroatien doch an Politik interessiert sind“, konstatierte erfreut die Zeitung Jutarnji List.

Während das linksliberale Lager mit Blick auf die nahenden Parlaments-, Europa- und Präsidentschaftswahlen wieder Morgenluft schnuppert, zeigt sich Platzhirsch Plenkovic weniger erbaut. Obwohl auf der Demonstration auch des in Lagerhaft ums Leben gekommenen Dissidenten Alexej Nawalny gedacht wurde, sprach der Premier hernach genervt von einer „prorussischen Kundgebung der radikalen Linken“ mit „vulgären und primitiven“ Botschaften.

Die sonst so zerstrittene Linke ist geeint

Eigentlich hat der schon seit 2016 amtierende „Plenki“ zur schlechten Laune wenig Grund. Zwar werfen ihm Kritiker zunehmend autoritäre Anwandlungen vor. Doch trotz einer endlos langen Kette von Korruptionsskandalen mit 30 vorzeitig abgelösten Ministern sahen die letzten, im Januar veröffentlichten Umfragen seine HDZ mit 25,6 Prozent erneut klar vor der SDP (15,8 Prozent), der alternativen „Mozemo“ (8,3 Prozent) und den beiden Rechtskonkurrenten „Most“ und DP (jeweils rund acht Prozent).

„Die HDZ lässt sich nicht ändern, Kroatien schon“, so die Losung eines Protestbanners. Er habe das Land nicht nur in die Schengen- und Eurozone geführt, sondern auch sicher durch die Corona-Pandemie und die durch den Ukraine-Krieg verursachte Krise gelotst, so hingegen das Mantra des Premiers. Doch außer dem Unsicherheitsfaktor des hohen Anteils von Unentschlossenen (18 Prozent) hat sich der HDZ-Chef mit dem starrsinnigen Festhalten an dem völlig diskreditierten Tuduric selbst ein überflüssiges Problem geschaffen.

Wegen der starken Zersplitterung des linksliberalen Lagers gingen bisher viele Stimmen der an der Fünfprozenthürde gescheiterten Kleinparteien verloren – und kamen indirekt der HDZ zugute. Doch die Skandalernennung von Tuduric hat die sonst so zerstrittene Linke erneut geeint: Sollte es ihr glücken, mit zwei oder gar einem Wahlbündnis in die Wahlen zu ziehen, könnte die Mission Amtsverlängerung für die HDZ mühsamer werden, als bis vor kurzem geglaubt.

Von einem „Wendepunkt“ spricht bereits SDP-Chef Grbin – und ruft alle linksliberalen Parteien zur Zurückstellung „des eigenen Egos“ und zur Schaffung eines gemeinsamen Wahlbündnisses auf. Noch reagiert allerdings die „Mozemo“-Spitzenkandidatin Sandra Bencic eher skeptisch auf die Bündnisofferte. Sie fürchtet, dass ein Teil der eigenen Wähler sich eher in Wahlabstinenz üben könnte, als für einen Pakt mit „traditionellen Parteien“ zu stimmen: „Wir neuen Parteien haben die Möglichkeit, auch neue Wähler zu mobilisieren.“