Die Erleichterung über Montenegros vermeintliche Zeitenwende ließ die Sympathisanten von Neu-Premier Zdravko Krivokapic selbst die Epidemie vergessen. Versammlungsverbot hin, Präventivmaßnahmen her: Mit Feuerwerk, Gesängen und hupenden Autokorsos feierten sie in der Nacht zum Samstag ausgelassen die Vereidigung einer Regierung, an der erstmals seit 30 Jahren die DPS des allgewaltigen Dauerregenten Milo Djukanovic nicht mehr beteiligt ist.
Montenegro habe erneut eine „Reifeprüfung“ bestanden, freut sich der 62-jährige Professor der Ingenieurwissenschaften über die Bestätigung seines zwölfköpfigen Expertenkabinetts: Die Verpflichtung seiner Regierung sei es, „die Bürger nicht zu enttäuschen“.
Doch bereits der zähe Koalitionspoker und die heftige Debatte über sein Regierungsprogramm demonstrierten, dass der späte Politnovize bei seiner Regierungsmission vor einem Berg von Problemen steht. Nicht nur die katastrophale Wirtschaftslage, Mafia-Machenschaften, Clanwirtschaft und Korruption erschweren als Vermächtnis der jahrzehntelangen DPS-Herrschaft den Neubeginn in dem 620.000 Einwohner zählenden Kleinstaat.
Strippenzieher Djukanovic ist als Präsident noch bis 2023 im Amt – und dürfte der neuen Regierung das Leben kräftig erschweren. Gleichzeitig kann sich die wenig homogene Koalition, die von serbophilen Nationalisten und rechtsklerikalen Kräften bis hin zu libertären Bürgerrechtlern reicht, im Parlament nur auf eine wacklige Einstimmenmehrheit stützen. Krivokapic gelang es bei den mehrmals vom Scheitern bedrohten Koalitionsverhandlungen zwar, sein Konzept eines Expertenkabinetts weitgehend durchzusetzen. Doch die erhöhte Kompetenz durch die weitgehende Verbannung postenhungriger Parteichefs von der Regierungsbank hat der Premier mit einer verringerten Machtbasis zu bezahlen.
Auf Distanz zu Serbien
Ausgerechnet aus den Reihen der mitregierenden, serbophilen Demokratischen Front (DF), die ihn einst als Spitzenkandidaten nominierte, sah sich der Premier bei der Debatte um sein Regierungsprogramm den heftigsten Angriffen ausgesetzt: Bei jeder Abstimmung wird er um eine Mehrheit kämpfen müssen.
Kritik hagelte es beim mühsamen Stotterstart des Hoffnungsträgers von allen Seiten. Bürgerrechtler, aber auch die Minderheitsparteien werfen Krivokapic eine zu große Nähe zur serbisch-orthodoxen Kirche vor. Die nach Belgrad gepolte DF wiederum kritisiert seine auffällige Distanz zu Serbiens Regenten Aleksandar Vucic – und die Verweigerung der von ihr begehrten Ministerposten.
Zwar wirkte der politische Späteinsteiger bei dem chaotischen Koalitionspoker nicht immer souverän. Doch zumindest scheint der fünffache Familienvater über ein breites Nervenkostüm und die nötige Gelassenheit für seine scheinbar unmögliche Regierungsmission zu verfügen. „Wovor fürchten wir uns?“, so seine erste Botschaft an seine Landsleute im neuen Amt: „Montenegro wird die besten Beziehungen mit seinen Nachbarn haben, aber kein zweiter serbischer Staat werden. Montenegro ist unabhängig – und wird das auch bleiben.“
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