Freitag7. November 2025

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ItalienNach Attacken auf Gewerkschafter droht den Neofaschisten der „Forza Nuova“ ein Verbot

Italien / Nach Attacken auf Gewerkschafter droht den Neofaschisten der „Forza Nuova“ ein Verbot
„Forza Nuova“-Chef Giuliano Castellino spricht in Rom zu seinen Anhängern – seit einem Angriff auf ein Gewerkschaftsbüro sitzt er in Haft Foto: AFP/Tiziana Fabi

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Die befürchteten starken Proteste zum Tag der Einführung der Green-Pass-Pflicht blieben in Italien aus. Krawalle durch die neofaschistische Forza Nuova (FN) fanden diesmal nicht statt. Trotzdem denken inzwischen viele Politiker über ein Verbot der Neonazis nach.

Der römische „Führer“ der neofaschistischen Forza Nuova, Giuliano Castellino, hatte am vergangenen Samstag an der Spitze einiger Dutzend Forza-Nuova-Mitglieder die Zentrale der größten italienischen Gewerkschaft CGIL gestürmt. Büros wurden zerstört, Mobiliar und Computer zerschlagen. Zuvor hatte Castellino die den Gewerkschaftssitz beschützenden Polizisten aufgefordert, ihnen den Gewerkschaftschef „Landini auszuhändigen oder wir holen ihn uns!“. Auch der Gründer der FN, Roberto Fiore, wurde von der Polizei im Inneren des Gewerkschaftsgebäudes gefilmt.

Die Bilder, die an die randalierenden Trump-Unterstützer von 6. Januar erinnerten, erschütterten Öffentlichkeit und Politik. Sämtliche im Parlament vertretenen Parteien verurteilten die Gewalt. Selbst die Lega und die noch rechtsextremeren Fratelli d’Italia (FdI) unter Georgia Meloni konnten nicht umhin, der Gewalt abzuschwören. Wenngleich die Parteichefin hinter der Aktion eine „faschistische Gewalt“ nicht zu erkennen vermochte.

Rechte gut vernetzt

Das linke Spektrum im Parlament stellt einen Eilantrag auf Verbot der Forza Nuova. Regierungschef Mario Draghi erklärte, „darüber nachzudenken“ und die Frage im Kabinett behandeln zu wollen.

Um ihre Wählerschaft zu erhöhen, buhlten Lega und FdI seit langem auch um den extrem rechten Rand. Es ist in Italien kein Geheimnis, dass die ebenfalls postfaschistischen „Fratelli“ eng mit der militanten Forza Nuova vernetzt ist. Ordner der FN sicherten Wahlkampf- und andere Parteiveranstaltungen der Meloni-Partei ab. Auch finanzielle Verbindungen werden von investigativen Journalisten immer wieder ans Licht gebracht. Forza Nuova hatte inzwischen ihr Aktionsfeld erweitert: Waren die Neonazis bislang bei Ausschreitungen rechtsextremer Fußball-Hooligans sowie bei von der Rechten organisierten Protestveranstaltungen aktiv, so haben sich jetzt in Corona-Zeiten vor allem die No-Vax- und die No-Green-Pass-Bewegungen durchsetzt. Viele impfbesorgte Bürger, die sich aus persönlichen Motiven nicht mit den Maßnahmen der Regierung einverstanden erklärten, merkten nicht, wie sie vom gewaltbereiten rechten Flügel unterwandert wurden. Und selbst Matteo Salvini, der um die Führungsposition im rechten Spektrum fürchtet, will sich nicht eindeutig von den Neofaschisten abwenden.

Verbot nicht einfach

Ein Verbot der militanten Rechten ist nicht so ohne Weiteres zu erwirken. Die Verfassung der Republik setzt hier eindeutige Schranken: Eine Organisation kann nur aufgelöst werden, wenn sie „eine unmittelbare Bedrohung der verfassungsmäßigen Institutionen darstellt“ oder „eine Reorganisierung des Faschismus oder der faschistischen Partei in jedweder Art plant und ausführt“. Ob dieser Fall eintritt, ist von den Kammern des Parlaments zu prüfen und zu entscheiden. Eine Hürde, die schwierig zu nehmen ist, denn das Spektrum, in dem man sich ideologisch äußern darf, ist in Italien ziemlich weit gefasst.

Händigt Gewerkschaftschef Landini aus oder wir holen ihn uns!

Seit der Attacke auf einen Gewerkschaftssitz ist Neofaschisten-Chef Giuliano Castellino in Haft

Bei Gefahr im Verzug könnte die Regierung allerdings auch per Dekret ein Verbot erlassen. Politwissenschaftler warnen jedoch vor einem solchen Schritt: Die so Verbotenen könnten sich als Märtyrer hinstellen und alsbald unter einem neuen Namen eine ähnliche Organisation gründen, wie es Beispiele der Vergangenheit bereits zeigten. Warnungen gibt es auch aus den Kreisen von Polizei und Geheimdiensten: Derzeit habe man einen Überblick über die Kräfte der FN und ähnlicher Gruppierungen. Dränge man diese in die Illegalität, könnten sich Strukturen bilden, die nicht so leicht aufzuklären sind. Allerdings sind solche Vorbehalte der Dienste mit Vorsicht zu genießen: Aus der jüngeren Geschichte Deutschlands weiß man, dass neonazistische Organisationen gern von V-Leuten infiltriert werden und weder Polizei noch Innengeheimdienst großes Interesse daran haben, die von ihnen mitgeschaffenen Strukturen aufzulösen. Etliche Journalisten vor allem aus dem linken Politspektrum befürchten ähnliche Szenarien auch im Belpaese.

Wie sich die Politik zur Frage Forza Nuova stellen wird, könnte sich in der kommenden Woche zeigen. Innenministerin Luciana Lamorgese – vor allem von Lega und FdI wegen ihrer „laxen“ Flüchtlingspolitik angegriffen – will nach den am Wochenende abgehaltenen Stichwahlen auf Kommunalebene das Thema FN-Auflösung dann sowohl in die Ministerkonferenz als auch ins Parlament bringen. Ein Zeichen setzte bereits die Untersuchungsrichterin Annalisa Marzano: Fiore und Castellino bleiben wegen ihrer Beteiligung an den Ausschreitungen gegen den Gewerkschaftssitz ebenso in Haft wie die FN-Aktivistin Pamela Tesa, der frühere Rechtsterrorist Luigi Aronica sowie der Führer der Protestbewegung „Io apro“, Biagio Passaro.

Nur mit Pass zur Arbeit

In Italien muss ab sofort jeder Beschäftigte in der Privatwirtschaft oder im öffentlichen Sektor nachweisen, dass er geimpft, genesen oder auf das Coronavirus getestet ist. Nur dann kann mit einem sogenannten Grünen Pass die Arbeitsstelle betreten werden. Die Maßnahme setzte Ministerpräsident Mario Draghi trotz Protesten der Gewerkschaften und der Opposition durch. Er will damit die Sicherheit am Arbeitsplatz erhöhen und mehr Italiener zur Impfung bewegen. Am Tag der Einführung des Corona-Zertifikats an allen Arbeitsplätzen ist es wie erwartet zu Protesten gekommen. Das befürchtete Chaos blieb am Freitag bis zum Mittag allerdings aus.