Serbien/KroatienMit Preissenkungen für Grundnahrungsmittel läuten die Regierungen den Vorwahlkampf ein

Serbien/Kroatien / Mit Preissenkungen für Grundnahrungsmittel läuten die Regierungen den Vorwahlkampf ein
Kroatiens Regierungschef Andrej Plenkovic steht in seinem Land wegen der Preissenkungen in der Kritik Foto: Angelos Tzortzinis/AFP

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Im erklärten Kampf gegen die Inflation haben die Regierungen in Kroatien und Serbien mit dem Einzelhandel verbilligte Preise für ausgesuchte Lebensmittel vereinbart. Kritiker sprechen von populistischer Symptombekämpfung ohne nachhaltigen Effekt: Die Billigwurst diene vor allem der Stimmenhatz.

Als selbsterklärter Vorkämpfer gegen die Teuerungswelle sucht Serbiens nationalpopulistischer Staatschef Aleksandar Vucic wieder einmal das Rampenlicht. Demonstrativ fischte der Landesvater auf einer Pressekonferenz von der Fleischwurst über Joghurt bis zum Geschirrspülmittel 20 Billigprodukte aus einem Einkaufskorb, um mit der detaillierten Nennung der Preisnachlässe für die Regierungsaktion „Bessere Preise“ die Werbetrommel zu schlagen: Im erklärten Kampf gegen die Inflation hat Belgrad mit dem Einzelhandel ermäßigte Preise für ausgesuchte Grundnahrungsmittel vereinbart.

Die in den unabhängigen Medien geäußerten Zweifel an der Qualität der von ihm angepriesenen Fleischwurst für 260 Dinar (2,22 Euro) pro Kilo konterte der umtriebige Präsident hernach gar mit einem persönlichen Vorkoster-Einsatz: Gemeinsam mit Finanzminister Sinisa Mali und Handelsminister Tomislav Momirovic ließ sich Vucic letzte Woche beim genüsslichen Verzehr eines mit Mayonnaise bestrichenen und mit Billigwurst belegten Brots filmen.

„Wir sind glücklich, unseren Bürgern zu helfen, das zu essen, was sie mögen“, verkündete der Präsident mit dem Billigsandwich in der Hand – und warf der heimischen Opposition erneut „Lügen“ vor.

Was den gewieften Selbstvermarktern in Serbien recht ist, ist auch ihren Amtskollegen im benachbarten Kroatien billig. Den mit den dortigen Supermarktketten abgesprochenen Preisabsenkungen für 30 Produkte könnten Preisnachlässe für bis zu 1.300 weitere Produkte folgen, deren Preise auf das Niveau vom 31.12.2022 zurückgebracht werden sollen – den Tag vor der Einführung des Euro. „Wir schützen diejenigen, die ein kleines Einkommen haben“, preist Kroatiens konservativer Premier seine Anstrengungen zur Preisbegrenzung.

Skepsis bei Ökonomen

Ökonomen in beiden Staaten bewerten das Wirken der staatlichen Preisbegrenzer trotz eifrigen Selbstlobs eher skeptisch. Kritiker in Kroatien beklagen die völlig intransparenten Verhandlungen Zagrebs mit den Einzelhandelsketten. Premier Andrej Plenkovic mime mit sozialistisch anmutenden Preisbegrenzungen zwar den „Retter“: Doch nach der sommerlichen Touristensaison würden in den Supermärkten ohnehin kräftig die Preise sinken.

Auch in Serbien sprechen Kritiker von populistischer Symptombekämpfung der Inflation ohne nachhaltigen Effekt. In den letzten drei Jahren seien die Lebensmittelpreise in Serbien um 57,8 Prozent gestiegen, die Renten hingegen nur um 36 Prozent, die Durchschnittslöhne um 43 Prozent, relativiert Milan Culibrk, der Chefredakteur der Zeitschrift NIN, die Präsidentenbehauptung, dass es sich in Serbien „immer besser leben“ lasse. Nach der Türkei und Ungarn weise Serbien mit zuletzt 12,5 Prozent die höchste Inflationsrate Europas auf: Auch mit Billigfleischwurst lasse sich „die Wahrheit nicht vernebeln“.

Zumindest ein Teil der Wähler dürften „die billigen Würste des Präsidenten schlucken“, orakelt hingegen resigniert die unabhängige Zeitung Danas. Tatsächlich wird in Serbien spätestens im nächsten Frühjahr mit vorgezogenen Parlaments- und Kommunalwahlen gerechnet und stehen auch in Kroatien 2024 die Parlamentswahlen an. Als „reinen Vorwahlpopulismus“, der „im Wesentlichen nichts löst“, bewertet der Ökonom Goran Radosavljevic die in den Nachbarstaaten von der Politik nahezu synchron erwirkten Supermarktrabatte.

Romain
18. September 2023 - 22.06

Und wenn die Wahlen herum sind, will keiner mehr etwas darüber wissen und kommen mit Ausreden