Mitten in der Ukraine-Krise haben Russland und Belarus am Donnerstag gemeinsame Militärmanöver begonnen. Bei der Übung solle etwa „die Abwehr äußerer Aggression“ trainiert werden, teilte das Verteidigungsministerium in Moskau mit. Im Westen wird befürchtet, dass Russland im Zuge des Manövers einen Einmarsch in die Ukraine vorbereitet. Die britische Außenministerin Liz Truss warf Moskau eine „Kalter-Krieg-Rhetorik“ vor und rief zu ernsthaften Verhandlungen auf.
In Berlin wurden unterdessen die Bemühungen um eine diplomatische Lösung des Konflikts fortgesetzt. Zum zweiten Mal seit Beginn der Krise um den Aufmarsch Zehntausender russischer Soldaten an der ukrainischen Grenze saßen hochrangige Vertreter der beiden Konfliktparteien am Verhandlungstisch. Die außenpolitischen Berater der Präsidenten Wladimir Putin und Wolodymyr Selenskyj sprachen unter Vermittlung ihrer Kollegen aus Deutschland und Frankreich miteinander.
Gleichzeitig stimmte sich der deutsche Kanzler Olaf Scholz mit den Spitzen der drei baltischen Staaten Litauen, Estland und Lettland ab. Scholz betonte, dass die Europäische Union und die NATO „geschlossen und entschlossen“ in der Krise agierten. „Es geht im Augenblick um nicht weniger als darum, einen Krieg in Europa zu verhindern.“ Scholz bekräftigte, dass die Bundeswehrtruppen in Litauen um 350 weitere Soldaten aufgestockt würden. „Wir stehen an eurer Seite, das ist mir ganz wichtig“, sagte er. Zu Waffenlieferungen an die Ukraine äußerte er sich nicht. Estland will neun Artilleriegeschütze an die Ukraine liefern, die noch aus DDR-Beständen stammen. Die Bundesregierung hat die Genehmigung noch nicht erteilt. Deutschland lehnt Waffenlieferungen in die Ukraine grundsätzlich ab.
Verärgerter Lawrow
Die britische Außenministerin Truss schlug bei ihrem Treffen mit dem russischen Außenminister Sergej Lawrow harte Töne an. „Frieden und Stabilität“ in Europa seien gefährdet, warnte sie bei einer gemeinsamen Pressekonferenz. „Noch ist Zeit für Russland, seine Aggression gegen die Ukraine zu beenden und den Pfad der Diplomatie einzuschlagen.“ Lawrow zeigte sich sichtlich verärgert von dem Auftreten seiner Kollegin. So kritisierte er etwa die britische Forderung, Russland solle Truppen von seinem eigenen Gebiet an der Grenze zur Ukraine abziehen.

Zudem warf Lawrow dem Westen vor, er wolle Russland „betrügen“, denn die Sicherheit eines Landes könne nicht auf Kosten eines anderen gewährleistet werden. Moskau fordert verbindliche Zusicherungen etwa über ein Ende der NATO-Osterweiterung. Das westliche Militärbündnis, in dem auch Großbritannien Mitglied ist, beruft sich hingegen auf die freie Bündniswahl von Staaten.
Panzer unweit der Ukraine
Kurz vor der Begegnung der beiden Außenminister begannen im Nachbarland Belarus die zehntägigen, groß angelegten Manöver. Sie werden nach Angaben beider Seiten etwa im Süden der Ex-Sowjetrepublik unweit zur Ukraine und im Westen an der EU-Außengrenze abgehalten. Moskau veröffentlichte ein Video, das Panzer mit Tannenzweigen zur Tarnung zeigte. Zu sehen und zu hören war, wie geschossen wurde.
Russland hatte in den vergangenen Wochen schweres Militärgerät nach Belarus verlegt – darunter Luftabwehrsysteme vom Typ S-400. Zudem wurden nach Angaben aus Moskau Kampfflugzeuge des Typs Suchoi Su-25SM über 7.000 Kilometer aus dem Osten Russlands am Pazifik in das Gebiet von Brest nahe der polnischen Grenze gebracht.
Die Militärführungen in Belarus und Russland hatten immer wieder betont, die Truppenverlegung im Zuge des Manövers habe reinen Übungscharakter, sei für niemanden eine Bedrohung und stehe im Einklang mit internationalem Recht. Laut Kreml sollen die russischen Soldaten nach Ende der Übung wieder zu ihren Standorten zurückkehren.
„Geste großer Gewalt“
Angesichts des Aufmarschs Zehntausender russischer Soldaten in der Nähe der Ukraine wird befürchtet, dass der Kreml eine Invasion plant. Moskau bestreitet das. Für möglich wird auch gehalten, dass die russische Seite Ängste schüren will, um die NATO zu Zugeständnissen bei Forderungen nach neuen Sicherheitsgarantien zu bewegen.
Frankreichs Außenminister Jean-Yves Le Drian bezeichnete die „extrem massiven“ Manöver inmitten der Ukraine-Krise bei dem Sender France Inter als „Geste großer Gewalt“, die die französische Regierung beunruhige. „Jedes Land hat natürlich das Recht, Militärmanöver zu organisieren, aber hier gibt es eine sehr bedeutende Anhäufung von Übungen an der Grenze zur Ukraine“, sagte der Minister.
NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg fand ebenfalls deutliche Worte. „Dies ist ein gefährlicher Moment für die europäische Sicherheit“, sagte er bei einer Pressekonferenz mit dem britischen Premierminister Boris Johnson in Brüssel. Zugleich drängte Stoltenberg Russland zu weiteren Gesprächen im NATO-Russland-Rat. Er habe einen Brief an Lawrow geschickt und die Einladung zur Fortsetzung des Dialogs bekräftigt. Es gehe darum, auf dem diplomatischen Weg voranzukommen.
Übende Kriegsschiffe
Parallel zu dem Manöver in Belarus ließ Russland Kriegsschiffe im Schwarzen Meer üben. Das Außenministerium in Kiew protestierte gegen die Sperrung von großen Seegebieten um die von Russland annektierte Halbinsel Krim. Die Schifffahrt im Asowschen und im Schwarzen Meer würde praktisch unmöglich gemacht. Nach Medienberichten gelten die Sperrungen unter anderem unmittelbar bei der Meerenge von Kertsch vom 13. bis 19. Februar. Der Kreml wies Vorwürfe zurück, dass es eine Einschränkung für Handelsschiffe gebe.
Im Mittelmeer hält indes die französische Marine mit dem Flugzeugträger „Charles de Gaulle“ und weiteren Einheiten noch bis April eine Übung ab. Ziel ist nach Angaben aus Paris der Kampf gegen Strukturen der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) im Nahen Osten.
Bald US-Soldaten in Dänemark?
Dänemark leitet Verhandlungen mit den USA über eine neue Verteidigungszusammenarbeit ein und zeigt sich dabei ausdrücklich offen für US-Soldaten auf dänischem Boden. Das sagte die dänische Ministerpräsidentin Mette Frederiksen am Donnerstag auf einer Pressekonferenz in Kopenhagen. Wie ein entsprechendes bilaterales Abkommen am Ende aussehen werde, sei noch unklar. Frederiksen und Verteidigungsminister Morten Bødskov signalisierten jedoch, dass die Zusammenarbeit US-Soldaten und militärische Ausrüstung auf dänischem Boden umfassen könnte. Ein größeres Engagement der USA in Dänemark könne den amerikanischen Zugang zum europäischen Kontinent verbessern, sagte Frederiksen. Bødskov unterstrich, dass es nicht um US-Stützpunkte in dem skandinavischen Land gehe. Atomwaffen auf dänischem Boden werde es nicht geben. Die Kooperation solle einem Abkommen ähneln, wie es Norwegen 2021 mit den USA eingegangen sei.
De Maart
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