BelarusLukaschenko lässt am Sonntag ein neues Parlament wählen – Oppositionsparteien sind verboten

Belarus / Lukaschenko lässt am Sonntag ein neues Parlament wählen – Oppositionsparteien sind verboten
Die Parlamentswahlen in Lukaschenkos Reich stehen nach dem mit Putins Hilfe im Herbst 2020 brutal niedergeschlagenen Volksaufstand unter einem besonders schlechten Stern Foto: AFP/Dmitry Astakhov

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Immerhin noch zwei oppositionelle Kandidaten wollten sich für die sonntäglichen Parlamentswahlen in Belarus (Weißrussland) registrieren lassen. Ohne Erfolg, sie wurden auf der Zielgeraden vom Urnengang ausgeschlossen.

Und so unterstützen nun alle am Sonntag (25. Februar) zu den „Wahlen“ für die Volkskammer antretenden 265 Kandidaten den seit bald 30 Jahren mit eiserner Faust regierenden Alexander Lukaschenko. Sie werden um 110 Parlamentssitze kämpfen. Das Volk hat also dennoch – just einen Tag nach dem zweiten Jahrestag der auch via den Osten von Belarus erfolgten russischen Invasion ins südliche Nachbarland Ukraine – eine gewisse Wahlmöglichkeit. 

Die Parlamentswahlen in Lukaschenkos Reich stehen nach dem mit Putins Hilfe im Herbst 2020 brutal niedergeschlagenen Volksaufstand unter einem besonders schlechten Stern. Noch 2019 konnte der Westen Lukaschenko immerhin noch zwei Oppositions-Abgeordnete abringen. Doch heuer war niemand mehr in Minsk, der überhaupt noch mit Lukaschenko hätte verhandeln können. Außer der Schweiz haben sich alle Botschafter des Westens aus Belarus zurückgezogen.

Zu sehr sind EU und USA schockiert über die Brutalität des Lukaschenko-Regimes, die selbst Putins Diktatur in Russland übertrifft. Mindestens 1.420 anerkannte politische Häftlinge schmachten in Gefängnissen und Arbeitslagern, die sich einzig dank der geografischen Lage Belarus’ in Mittelosteuropa nicht nördlich des Polarkreises (wie im Fall Nawalny) befinden. 

Erst am Dienstag ist im Minsker Gefängnisspital der oppositionelle Sozialdemokrat Ihar Lednik gestorben; der schwer herzkranke Politiker aus Bobruisk ist bereits der fünfte politische Gefangene, der in Lukaschenkos Straflagern zu Tode gefoltert wurde oder aber niemals die nötige medizinische Betreuung erhielt. In dieser Stimmung der Angst und Repression finden also am Sonntag Parlamentswahlen statt.

Die fünf größten, seit Jahren marginalisierten Oppositionsparteien – die konservative „Belorussische Volksfront“ (BNF), liberale „Vereinigte Bürgerpartei“ (ODG), die oppositionellen Kommunisten „Gerechte Welt“ und zwei sozialdemokratische Parteien – hatte Lukaschenko sofort nach den Massenprotesten von 2020 verbieten lassen. Noch harrten einzig die Grünen aus, die einen Kandidaten aufstellten. Doch im Januar wurde auch ihr Chef von der Wahlliste gestrichen.

Damit stehen noch vier Lukaschenko-treue Parteien und viele sogenannte „Unabhängige“ zur Auswahl. Favoritin ist die Präsidentenpartei „Belaja Rus“ (bisher 68 von 110 Sitzen). Eine systemtreue „Opposition“ simulieren Lukaschenko-treue Kommunisten (11 Sitze), Republikaner (8) und Liberale (1). 2019 wurden dazu 21 von Lukaschenko handverlesene „Unabhängige“ ins Parlament, die „Belorussische Volksversammlung“, delegiert. 

Alles wird gefälscht, selbst die abgegebenen Stimmzettel werden nicht einmal ausgezählt

Ein Oppositioneller aus Belarus im Warschauer Exil

„Alles wird gefälscht, selbst die abgegebenen Stimmzettel werden nicht einmal ausgezählt“, sagt ein Oppositioneller im Warschauer Exil. Schlecht ist das für die vor Ort höchstens noch im Untergrund tätige Opposition dennoch: Weil erstmals unabhängige Parteien verboten sind, war auch kein Wahlkampf mehr möglich. Bisher waren Parlamentswahlen die einzige Möglichkeit, mit dem Volk zu sprechen und für alternative Herrschaftslösungen wie etwa Demokratie und Menschenrechte zu agitieren. Laut Beobachtern in Minsk verzichtete heuer auch die Lukaschenko-treue Seite auf die Agitation. „Es fanden überhaupt keine politischen Meetings in Unis und in Fabriken mehr statt“, berichtet der Oppositionspolitiker in Warschau. 

Keine OSZE-Wahlbeobachter

Die beiden genauso wie die Oppositionsparteien verbotenen Menschenrechtsgruppen „Belorussisches Helsinki-Komitee“ und „Wjasna“ (Frühling) kritisieren in einer Stellungnahme, dass es 2024 wie bereits in früheren Urnengängen keine unabhängigen Wahlkommissionsmitglieder oder Wahlbeobachter gebe. Das OSZE-Mitglied Belarus hatte bereits Anfang Januar entschieden, diesmal auch keine OSZE-Wahlbeobachter mehr zu den Parlamentswahlen einzuladen. Laut „Wjasna“ hat sich immerhin der Frauenanteil der Kandidaten auf 35 Prozent erhöht. Etwa 40 Frauen und 70 Männer, viele davon neue Abgeordnete, werden also voraussichtlich bis 2029 sämtliche von Lukaschenko eingereichten Gesetzesnovellen durch die Volkskammer winken.

Am Sonntag finden gleichzeitig auch Lokalwahlen statt. Zu deren knapp 19.000 Lukaschenko-treuen Kandidaten wollten sich 28 Oppositionelle gesellen, also knapp 0,15 Prozent. Doch auch diese wurden von den Listen ausgeschlossen. 

Dazu ist es erstmals explizit verboten, den Stimmzettel vor dem Einwurf in die Urne zu fotografieren. Im August 2020 konnte die Opposition so nachweisen, dass nicht der seit 1994 amtierende Lukaschenko, sondern Oppositionsführerin Switlana Tichanowskaja die Präsidentenwahlen gewonnen haben sollte. Tichanowskaja wurde daraufhin vom Inlandsgeheimdienst KGB ins litauische Exil gezwungen.

den Tarzan
23. Februar 2024 - 12.21

Zwei die Angst haben.