Dienstag11. November 2025

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SerbienIn Brüssel mehren sich die Stimmen zum Einfrieren von EU-Geldern für den russophilen EU-Beitrittsanwärter

Serbien / In Brüssel mehren sich die Stimmen zum Einfrieren von EU-Geldern für den russophilen EU-Beitrittsanwärter
Protest im serbischen Parlament am Dienstag: Auf dem Schild des Oppositionspolitikers Dragan Djilas (l.) steht: „Du hast die Wahl gestohlen“; auf dem Poster mit dem serbischen Präsidenten Aleksandar Vucic steht: „Mafia-Chef“ Foto: Andrej Isakovic/AFP

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Die Proteste gegen die Wahlmanipulationen sind in Serbien zwar abgeflacht. Doch immer nervöser zieht Präsident Vucic gegen seine Kritiker vom Leder. Zur Sorge hat der autoritär gestrickte Staatschef guten Grund: In Brüssel mehren sich die Stimmen nach Einfrierung der EU-Mittel für den Beitrittskandidaten.

Im Notfall packt der selbsterklärte Oberlehrer der Nation eben das Teleskopstäbchen aus. An einer von ihm mit Diagrammen voll gemalten Tafel dozierte Serbiens allgewaltiger Präsident Aleksandar Vucic zu Wochenbeginn im Studio des regierungsnahen Senders „Happy TV“ gebärdenreich, wie ausländische Medien, Geheimdienste, Politiker und NGOs Serbien „zu zerstören“ suchten: „Sie attackieren mich, weil ich Serbien behüte – und schütze.“

Vucic zeige, „wie der hybride Krieg gegen unser Land aussieht“, titelte nach dem Präsidentenmonolog zufrieden das Webportal des regierungsnahen Kurir. Doch obwohl die Proteste gegen die massiven Manipulationen bei den Parlaments- und Kommunalwahlen im Dezember abgeflacht sind, zieht der dünnhäutige Landesvater immer unversöhnlicher und nervöser gegen seine in- und ausländischen Kritiker vom Leder.

Mal bezeichnet der autoritär gestrickte Staatschef den britischen Guardian als das „schlimmste kriminelle Blatt“ – und schließt in seiner internationalen Medienschelte von der Bild-Zeitung bis zur Frankfurter Allgemeinen ausdrücklich auch die deutschsprachige Presse ein. Dann bezichtigt er die internationalen Wahlbeobachter wegen der monierten Unregelmäßigkeiten der „Lüge“ oder reiht die deutschen Friedrich-Ebert- und Heinrich-Böll-Stiftungen in die Riege „allerlei Rockefellers“ ein, die Serbien zu „schwächen“ trachteten: „Unser Land versuchen diejenigen zu zerstören, denen es nicht passt, dass es unabhängig ist.“

Bei der von ihm ausgemachten „Hetze gegen Serbien“ seien die USA zumindest „fairer“ als die Europäer, wettert der zwischen Ost und West lavierende Populist. Zur miesen Laune hat Vucic guten Grund: Nach den verfälschten Skandalwahlen mehren sich in Brüssel die Stimmen, die für die Aussetzung der EU-Zahlungen für den russophilen Beitrittskandidat Serbien plädieren.

Vucic setzt auf Erstarken der Rechtspopulisten

So wird am heutigen Donnerstag in Straßburg die Absegnung einer Europaparlamentsresolution zu den serbischen Wahlen erwartet, deren klare Botschaft bei den Belgrader Machthabern erneut Wutschnauben auslösen dürfte. Außer der von Vucic abgelehnten Einsetzung einer internationalen Untersuchungskommission angesichts der zahllosen Wahlmanipulationen wird in dem Resolutionsentwurf auch das Einfrieren von Vorbeitrittsmitteln gefordert, sofern Serbien sich der Umsetzung der Empfehlungen der internationalen Wahlbeobachter verweigere.

Europa wird zwar kaum für den von der serbischen Opposition ersehnten Machtwechsel in Belgrad sorgen, auch wenn Vucic seinen einstigen Ruf als „Reformator“ in EU-Diplomatenkreisen nachhaltig verspielt hat. Doch die Distanzierung des Europaparlaments von den Belgrader Wahlmanipulatoren wird von Serbiens bedrängter Opposition als willkommene Unterstützung erfahren: Aus Protest gegen die „gestohlenen Wahlen“ und um sich von den Regierungsparteien abzusetzen, legten die Oppositionsabgeordneten am Dienstag im neu konstituierten Parlament ihren Amtseid in der Vorhalle ab.

Die nahenden Europawahlen und die anstehende Neubesetzung der EU-Kommission dürften das serbische EU-Sorgenkind in den nächsten Monaten zwar kaum in den Brüsseler Fokus rücken lassen. Doch auch wenn Orban-Freund Vucic auf die Verbesserung seiner Position durch ein Erstarken der national- und rechtspopulistischen Kräfte in Europa und einen Machtwechsel in Washington setzt, kommt ihm der vermehrte Gegenwind in der EU-Arena und der Gesichtsverlust durch die Resolution eher ungelegen. „Europäische Ohrfeige für das Vucic-Regime“, titelte am Mittwoch die regierungskritische Zeitung Nova.