CoronaImmer mehr Balkanstaaten setzen auf chinesisches und russisches Serum

Corona / Immer mehr Balkanstaaten setzen auf chinesisches und russisches Serum
Impfstoff-Diplomatie: Noch auf dem Rollfeld empfing der montenegrinische Premierminister Zdravko Krivokapic am Mittwochabend seine serbische Amtskollegin Ana Brnabic (l.), die 2.000 Dosen des russischen Impfstoffs Sputnik V im Gepäck hatte Foto: AFP/Savo Prelevic

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Die ausbleibende Belieferung mit westlichen Impfstoffen lässt immer mehr Balkanstaaten sich nach China und Russland wenden. Ähnlich wie Moskau und Peking setzt nun auch Serbien in der Region auf Impfdiplomatie: Großzügig, aber keineswegs selbstlos tritt Belgrad an die Nachbarn Impfstoff ab.

Selbst das streng nach Westen orientierte NATO-Mitglied Kroatien hat vom endlosen Warten auf von der EU beschaffte Impfstoffe genug. Es sei „nicht illegitim“, auch außerhalb der EU nach „Impfstoffquellen“ zu suchen, „vor allem, wenn die Lieferung in der EU stockt“, begründet Gesundheitsminister Vili Beros, warum Kroatien nun mit Russland über die Lieferung des Sputnik-Serums verhandelt: „Jede Regierung lässt sich durch die Sorge um die Gesundheit seiner Bürger leiten. Die EU ist sich dessen bewusst.“

Kroatiens Premier Andrej Plenkovic hat die von seinem Gesundheitsminister angedachte Belieferung schon vor Zulassung des Sputnik-Serums durch die Europäische Arzneimittelagentur EMA zwar mittlerweile dementiert: Zagreb wolle nur 600.000 Dosen zur Lieferung nach einer EMA-Lieferung „reservieren“. Doch der von Russland und China großzügig mit Serum versorgte Impfvorreiter Serbien ist in Südosteuropa nicht mehr allein. Die ausbleibende Belieferung mit westlichen Impfstoffen lässt immer mehr Staaten der Region zum Impf-Rettungsring aus dem Osten greifen.

Am Wochenende wurden in Ungarn die ersten Impfungen mit Sputnik-Impfstoff verabreicht – auch ohne EMA-Zulassung. „Mit jedem Tag, an dem wir auf Brüssel warten, würden wir hunderte ungarischer Leben verlieren“, so Premier Viktor Orban in gewohnt pathetischem Ton. Auch die Slowakei erwägt, dem ungarischen Vorbild zu folgen. Es sei Zeit, mit den Russen „Gespräche“ über eine Belieferung mit Sputnik zu beginnen, so Premier Igor Matovic in dieser Woche per Facebook: „Es ist ein großartiger Impfstoff mit großer Effizienz.“

Ähnlich wie Moskau und Peking weltweit den Retter aus der Impfpatsche mimen, setzt auch Belgrad im EU-Wartesaal auf dem Westbalkan medienwirksam auf die Karte der Impfdiplomatie: Großzügig, aber keineswegs selbstlos tritt Serbien Impfdosen an die Nachbarn ab. Im Schneegestöber und im Blitzlichtgewitter der Fotografen überreichte Serbiens Staatschef Aleksandar Vucic am Grenzübergang Tabanovce Nordmazedoniens Premier Zoran Zaev am Sonntag einen Karton mit 4.680 Pfizer-Impfdosen zur Immunisierung der Ärzte in den Covid-Kliniken des Nachbarlands. Er sei glücklich, „unseren Brüdern“ helfen zu können, denn „ein anderes Interesse hat Serbien nicht“, versicherte der allgewaltige Landesvater: „Ein echter Freund ist derjenige in der Not.“

Noch keine Lieferung durch Covax-Programm erhalten

Das Paket mit den Impfdosen hätte auch „ohne Propaganda-Pomp“ übergeben werden können, mäkelt indes das Webportal nova.rs: Sein Kuriereinsatz und die Impfstoffnöte der Nachbarn habe Vucic nur zur „Selbstreklame“ genutzt, um wieder einmal den „Helden, Wohltäter und regionalen Leader“ zu mimen. Tatsächlich hat Serbiens von China und Russland gespeister Blitzaufstieg zum Land mit der zweithöchsten Impfquote Europas dem autoritär gestrickten Vucic einen ungekannten PR-Erfolg beschert. „Beim Impfstoff-Wettlauf zahlt sich der Drahtseilakt zwischen West und Ost aus“, so die Agentur Balkan Insight.

Als Impfstoffkurier ist mittlerweile auch Serbiens Regierungschefin Ana Brnabic im Einsatz, die am Mittwochabend mit 2.000 Sputnik-Dosen in Montenegros Hauptstadt Podgorica erwartet wurde. Der Dank von Montenegros Vizepremier Dritan Abazovic für Serbiens „humanitäre Geste“ ist verständlich. Obwohl EU-Anwärter wie Albanien, Bosnien und Herzegowina, Kosovo, Montenegro oder Nordmazedonien teilweise schon vor Monaten Impfstoff-Lieferungen aus dem Covax-Programm bezahlt haben, haben sie bisher nicht einmal Notlieferungen zur Immunisierung der Ärzte erhalten.

Zu Jahresbeginn riefen 13 EU-Außenminister in einer Erklärung dazu auf, den Westbalkan-Staaten Impfdosen abzutreten. Der Appell fand keinen Widerhall: Deutschland, Österreich und Luxemburg hatten ihn ohnehin nicht unterzeichnet. In der Not suchen die Betroffenen nun anderswo Brot. Montenegro und der bosnische Teilstaat der Republika Srpska haben mittlerweile russischen Sputnik-Impfstoff bestellt, Nordmazedonien chinesisches Sinopharm-Serum geordert.