Hilfe im Fluss

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Deutsche Unternehmer wollen die medizinische Versorgung in tropischen Flussdörfern in Myanmar mit Klinikschiffen verbessern.

Von Mathias Peer

Deutsche Unternehmer wollen in Myanmar mit Klinikschiffen die medizinische Versorgung in tropischen Flussdörfern verbessern. Die „Swimming Doctors“ stehen dabei vor erheblichen Herausforderungen.

Der Weg zum Arzt führt die Burmesin Daw Wine über eine 30 Zentimeter breite Holzplanke. Die Schritte kosten die 51-Jährige Überwindung: Ein Geländer gibt es nicht – ein Fehltritt und man landet im Fluss. Daw Wine ist gewohnt, dass sie hier vorsichtig sein muss: Es ist bereits ihr vierter Besuch bei den „Swimming Doctors“ – ein Klinikschiff, das einmal im Monat vor ihrem Dorf vor Anker geht. Entstanden ist es dank einer Initiative des deutschen Immobilienunternehmers Jürgen Gessner (68).

Eine Frau wäscht ihre Kleider im Wasser des Irrawaddy

Bessere Versorgung

Für Daw Wine, die Medikamente gegen Bluthochdruck braucht, war ein Termin beim Hausarzt früher deutlich komplizierter: Die Frau, die mit ihrem Bruder und ihrer Schwester in Myanmar auf einem Bauernhof am Flussdelta des Irrawaddy lebt, musste dafür erst mit einem kleinen Holzboot in das Dorfzentrum fahren. Von dort brauchte sie dann ein Auto, das sie zur nächsten Praxis fuhr. „Das hat immer sehr lange gedauert“, erzählt sie. „Außerdem war der Arzt nicht so gut. Ich wusste vorher nie, ob er mir wirklich helfen kann.“

Die Idee, diese Situation zu ändern, kam Gessner schon vor Jahren: Als 2008 ein Zyklon in Myanmar wütete und zehntausende Menschen tötete, half der Gründer des niedersächsischen Beratungsunternehmens Gessner und Rapp beim Wiederaufbau. Um auch nach der Naturkatastrophe zu helfen, rief er die „Swimming Doctors“ ins Leben, die die medizinische Versorgung abgelegener Flussdörfer verbessern sollen. Alleine ist er dabei nicht: Die Stiftung des Hamburger Unternehmers Friedhelm Behn unterstützte ihn finanziell bei der Anschaffung eines neuen Schiffs. Der gemeinnützige Arm des mittelständischen Klinikverbundes Artemed betreibt in der gleichen Gegend ein eigenes Klinikschiff.

Eine Hilfsschwester misst den Sauerstoffgehalt im Blut eines jungen Patienten auf dem Ärzteschiff in Irrawaddy-Delta in Myanmar.

Welten prallen aufeinander

Deutsche Ärzte unterstützen Gessners Projekt, in dem sie zusammen mit den angestellten lokalen Ärzten als Freiwillige auf dem Schiff mitarbeiten. Die Zusammenarbeit ist nicht immer einfach. In einem der Behandlungszimmer an Bord des Swimming-Doctors-Schiffs stoßen zwei Welten aufeinander. Der burmesische Arzt Than Myint empfängt einen jungen Patienten, ein Grundschüler aus einem Nachbardorf. Vera Pedersen, Unfallchirurgin und Notfallmedizinerin aus München, sieht ihrem Kollegen über die Schultern. Than Myint übersetzt für sie die Beschwerden auf Englisch: „Juckender Hautausschlag, kommend und gehend“, meldet er. Than Myint überlegt kurz. Das passe zu einer Wurminfektion, sagt er. Er würde Steroide und Antihistaminika verschreiben. „Ist das alles? Sollten wir ihn nicht erst einmal untersuchen?“, fragt Pedersen.

Krankenschwester Yi Yi Mint in einem ruhigen Moment auf dem Ärzteschiff in Irrawaddy-Delta in Myanmar.

Die Frage ist rhetorisch gemeint – die Patienten zu untersuchen, ist für Pedersen unverzichtbar. Im Klinikschiff läuft aber vieles anders als in einer deutschen Praxis: Die Luft im Behandlungszimmer ist heiß und stickig, ein altes Ultraschallgerät, das in einer deutschen Klinik wohl schon vor Jahren ausgemustert worden wäre, steht zwischen den beiden Ärzten. Auch ihr persönlicher Hintergrund trennt sie: Than Myint – ein älterer Herr mit dünnem, schwarzen Haar – studierte noch in der Zeit der Militärjunta, die ein halbes Jahrhundert lang in Myanmar herrschte. International war das Land isoliert, es fiel bei den Bildungsstandards zurück. Der Austausch von lokalen und europäischen Ärzten, die fast jeden Monat für einige Zeit vorbeikommen, soll zum Wissenstransfer beitragen.

Im Irrawaddy-Delta sind die „Swimming Doctors“ inzwischen nicht mehr wegzudenken. Allein im vergangenen Jahr wurden rund 10.000 Patienten an Bord behandelt – meistens mit Medikamenten, möglich sind aber auch kleinere chirurgische Eingriffe. 1500 Kyat, knapp einen Euro, bezahlen die Patienten pro Besuch. Wer mittellos ist, bekommt die Behandlung aber auch umsonst.