Schneeballwürfe und Buhrufe überschatteten die Festtagsreden an Bulgariens Nationalfeiertag am Schipka-Pass. Trotzig schwenkten die Anhänger der nationalistischen Wiedergeburt-Partei russische Flaggen, während sie Premier Kiril Petkow am Donnerstag als „Verräter“ beschimpften. „Wir begehen den Tag der Befreiung so wie niemals zuvor – empört, angewidert, konfus und machtlos“, umschreibt die Zeitung Sega die Stimmungslage: „Inmitten von Putins Krieg in der Ukraine haben wir Russland für die Vergangenheit zu danken – und für die Gegenwart zu verurteilen.“
Als Entscheidung im russisch-osmanischen Krieg und Befreiung Bulgariens vom türkischen Joch wurde der Jahrestag der Schlacht am Schipkapass 1878 schon zu sozialistischen Zeiten zum Nationalfeiertag erklärt. Bis heute fühlen sich viele Bulgaren Russland stark verbunden. Doch der Ukraine-Krieg stellt nicht nur das Bild von Russland infrage, sondern bringt auch die Bruchlinien der wenig homogenen Regierungskoalition schonungslos ans Tageslicht.
Inmitten von Putins Krieg in der Ukraine haben wir Russland für die Vergangenheit zu danken – und für die Gegenwart zu verurteilen
Ein entlassener Minister, ein verhafteter General und zwei ausgewiesene Diplomaten: Schon die erste Kriegswoche in der Ukraine wurde beim nahen Schwarzmeer-Anrainer von heftigen Politturbulenzen überschattet. Die Kluft zwischen Moskau-Verstehern und Putin-Kritikern teilt nicht nur Bulgariens Gesellschaft, sondern auch die Regierungsreihen.
Bereits im Januar hatte Petkow die Putin-Forderung nach Rückzug der NATO-Truppen aus den früheren Warschauer-Pakt-Staaten resolut zurückgewiesen. Gleichzeitig sorgte die sozialistische BSP mit ihrer kategorischen Ablehnung von Russland-Sanktionen und der Stationierung zusätzlicher NATO-Truppen bereits vor Kriegsausbruch für Spannungen in der wenig homogenen Vierparteienkoalition. Am Dienstag sah sich Petkow schließlich gezwungen, seinen parteilosen Verteidigungsminister Stefan Janew zu entlassen. Der Grund: Der russophile Ex-Übergangspremier hatte den Ukraine-Krieg nach Moskauer Sprachregelung als „Operation“ bezeichnet.
Spionageverdacht gegen General
Präsident Rumen Radew schien über die Ablösung seines Vertrauensmanns zunächst nicht erbaut, rückte aber danach öffentlich von ihm ab: Janew sei als Übergangspremier zwar erfolgreich gewesen, doch er habe von ihm als Minister „mehr erwartet“.
Doch nicht nur der eskalierende Krieg, empörte Protestdemonstrationen und das umstrittene, von Friedensaktivisten in den Farben der Ukraine gelb-blau bemalte Denkmal für die Sowjetische Armee bringen derzeit Spannungen in die traditionell engen Beziehungen des NATO-Mitglieds zu Moskau.
Am Mittwoch wurde ein hochrangiger General wegen Spionageverdacht für Russland verhaftet. Gleichzeitig kündigte Sofia die Ausweisung von zwei russischen Diplomaten an, die als seine Kontaktleute galten. Moskau spricht empört von einer „Provokation“. Derweil scheinen die Kriegsbilder aus der Ukraine zunehmende Risse in Bulgariens bislang positivem Russland-Bild offenzulegen: So sind im Balkanstaat die Zustimmungswerte für Putin von 55 auf 32 Prozent gefallen.
De Maart
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