Der Druck auf die Grünen ist enorm. Tausende Klimaaktivisten sind am Freitag in Glasgow auf die Straße gegangen, um am Rande der dort laufenden Weltklimakonferenz für strengere Maßnahmen zum Schutz der Erde zu protestieren. Die Gründerin von Fridays for Future, Greta Thunberg, erinnerte zuletzt an die besondere Verantwortung Deutschlands in der Welt, als großer Emittent und reiches Industrieland voranzugehen für das Ziel, die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen. Die Grünen dabei im Blick. Und auch in Deutschland regt sich Widerstand. Am frühen Freitagmorgen blockierten rund 40 Aktivisten die Kohlezufuhr zum Kraftwerk in Grevenbroich, um gegen die Klimapolitik zu protestieren.
Die Grünen müssen in den Koalitionsverhandlungen mit SPD und FDP liefern, sie dürfen sich bei ihrem Markenthema Umwelt- und Klimaschutz keine Blöße geben. Das weiß die Parteispitze um die Vorsitzenden Annalena Baerbock und Robert Habeck. Doch es ist nicht leicht für die Ökopartei, zufriedenstellende Ergebnisse für die eigene Wählerschaft zu erreichen. Grün-pur sähe jedenfalls anders aus als das, was im Sondierungspapier vage zum Klimaschutz formuliert wurde und was wahrscheinlich im Koalitionsvertrag niedergeschrieben werden wird. Beispiel Kohleausstieg: Dieser solle „idealerweise“ von 2038 auf 2030 vorgezogen werden, heißt es im Sondierungspapier nur.
Prompt hagelte es Kritik von großen Umweltverbänden wie dem BUND, Greenpeace und dem WWF. Die Interessengruppen hatten die Grünen vor einer Mogelpackung beim deutschen Klimaschutzgesetz gewarnt: „Eine Aufweichung des Gesetzes wäre ein katastrophaler Fehlstart“, schrieben sie.
In einer bemerkenswerten Aktion räumte nun die gesamte Grünen-Spitze in einer schriftlichen Entgegnung ein: „An einigen Stellen lässt das Sondierungspapier es leider noch an der nötigen Klarheit fehlen.“ Zudem baten die Grünen die Verbände um Unterstützung bei den Verhandlungen zu den Umwelt- und Klimathemen: „Es wäre dafür sehr hilfreich – und in Teilen seid ihr ja bereits dran –, wenn Ihr darauf hinwirken könntet, dass SPD und FDP hier ambitionierte Vorschläge einbringen“, schrieb die Grünen-Führung. „Wenn wir das weiter alleine tun müssen, erschwert das die Verhandlungen enorm.“
Druck aufbauen
Verhandler von SPD und FDP wollten sich dazu nicht öffentlich äußern. Man habe Verschwiegenheit vereinbart, hieß es. Aus Kreisen der Verhandlungsgruppen war jedoch Erstaunen zu vernehmen. Tenor: Die Grünen bekommen es allein nicht hin und suchen ganz offiziell Hilfe bei Lobbygruppen in den Koalitionsverhandlungen. Das sei befremdlich.
Wir verhandeln in guter Atmosphäre. Und dass es ab und zu mal ruckelt, ist das Normalste von der Welt.
Parteichefin Annalena Baerbock spielte den Ball nun zurück und setzte die anderen beiden Parteien mit dem Hinweis unter Druck, man könne die Verhandlungen auch noch länger laufen lassen. Sie will sich jedenfalls nicht auf einen Zeitplan für einen Koalitionsvertrag festlegen. „Wir können noch nicht sagen, wann er fertig ist“, machte Baerbock am Freitag im rbb-Inforadio deutlich. Bei zentralen Baustellen gebe es noch viel zu tun. „Wir müssen noch ein bisschen intensiver tagen“, sagte sie. Gerade über den Verkehrssektor müsse noch gesprochen werden. Der Kampf gegen die Erderwärmung sei ferner eine Aufgabe aller drei Parteien: „Eine Klimaregierung kann nicht nur von einem Partner getragen werden.“
Die SPD-Verhandlerin und Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz, Malu Dreyer, zeigte sich dagegen optimistisch. „Wir verhandeln in guter Atmosphäre. Und dass es ab und zu mal ruckelt, ist das Normalste von der Welt“, sagte sie im ZDF.
Erste Unstimmigkeiten
Doch die ersten Unstimmigkeiten im bislang betont harmonischen Verhandlerchor sind nun nicht mehr zu überhören. Grünen-Bundesgeschäftsführer Michael Kellner hatte sich etwa beschwert: „Wir sehen derzeit zu wenig Fortschritt, was die inhaltliche Substanz anbetrifft“, sagte er. Alles nur Taktik? Um mehr für die Grünen rauszuholen? Vielleicht, schließlich gab Kellner keine genaueren Hinweise darauf, an welchen Stellen es hakt.
Dabei liegen einige Streitpunkte schon jetzt auf der Hand. In der Steuerpolitik etwa, bei der SPD und Grüne Wohlhabende stärker belasten und kleinere und mittlere Einkommen entlasten wollen. Die FDP blockiert dies aber mit einer Absage an Steuererhöhungen für Spitzenverdiener. Oder die Pendlerpauschale. Letztere würden die Grünen gerne abschaffen, die FDP will sie auf jeden Fall erhalten.
Immerhin: Anders als bei den Jamaika-Verhandlungen 2017 kontert man Verhandlertaktik dieses Mal offenkundig mit indirekten Bemerkungen. So setzte FDP-Fraktionsgeschäftsführer Marco Buschmann nach der Kellner-Äußerung am Donnerstag einen Tweet ab, der auf dessen Unzufriedenheit gemünzt sein könnte: „Gemeinsames Schimpfen über Abwesende erleichtert zwar vorübergehend die seelische Anspannung, löst aber keine Probleme …“ Es ist ein Zitat aus dem Truppendiensthandbuch „Die Führung der Kompanie“ des österreichischen Heeres. Bleibt abzuwarten, wann der erste Ordnungsruf von SPD-Kanzleranwärter Olaf Scholz kommt.
Wer zum Teufel hat den Grünen (sowohl hier, wie auch im Ausland) erzählt, dass man mit lumpigen 15 % der Wählerstimmen die absolute Majorität hat?
Es geht auch ohne die gruenen...und sogar problemlos.