Dienstag21. Oktober 2025

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PolenGroße Frauendemo gegen Abtreibungsverbot

Polen / Große Frauendemo gegen Abtreibungsverbot
Seit Wochen gehen die Menschen in Polen gegen das drohende Abtreibungsverbot auf die Straße Foto: AFP/Wojtek Radwanski

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Polens Regierung hat die Frauenstreiks gegen das Abtreibungsverbot bisher ausgesessen. Das Urteil ist noch immer nicht publiziert und damit das Verbot nicht rechtskräftig. Dennoch verweigern rund 90 Prozent der Spitäler Abreibungen. Dagegen gingen auch gestern Tausende auf die Straße.

Mit mehreren Polizeiblockaden haben Polens Sicherheitskräfte am Sonntag versucht, Tausende empörter Frauen davon abzuhalten, vor die bescheidene Villa Jaroslaw Kaczynskis im Warschauer Nobelquartier Zoliborz zu ziehen. „Wir wollen die Freiheit, wir wollen alles!“, skandierten die Demonstrantinnen auf ihrem bunten Marsch durch die Warschauer Innenstadt. Hundertschaften der Polizei marschierten dagegen in voller Kampfmontur auf, teils mit Gummigeschoss-Gewehren bewaffnet. In einem regelrechten Katz-und-Maus-Spiel gelang es dabei den Demonstranten immer wieder, die Polizeisperren zu umgehen.

Die NGO „Frauenstreik“ hatte landesweit just am symbolischen Jahrestag der Ausrufung des Kriegsrechts von 1981 durch General Jaruzelski zu Protestmärchen gegen das de facto völlige Abtreibungsverbot und die PiS-Regierung insgesamt aufgerufen. Unterstützt wurden die Frauen dabei von aufmüpfigen Bauern und unzufriedenen Unternehmern. Die Bauern hatten bereits in der Nacht zum Sonntag vor der Villa des Regierungsparteichefs demonstriert.

Die Polizei rief am Sonntag immer wieder zur Auflösung des Protestzuges auf und begann Personalien aufzunehmen und Bußgelder zu verteilen. Wegen Corona sind Versammlungen von mehr als fünf Personen verboten, außer es handelt sich dabei um Besucher Heiliger Messen in den katholischen Kirchen.

„PiS hau ab!“, skandierten die Demonstrantinnen und Demonstranten, die sich von dem Großaufgebot der Polizei wenig beeindrucken ließen. In gewohnt unflätiger Weise forderten sie den Rückzug von Vize-Premierminister Kaczynski aus der Politik, die Rücknahme des Verfassungsgerichtsurteils und die Einführung einer Fristenregelung nach westeuropäischem Vorbild. Wie die Protestfront gegen Lukaschenko in Belarus bedient sich auch der „Frauenstreik“ in Polen mittlerweile dem kaum zu überwachenden sozialen Netzwerk Telegram.

So wurde der Marschbeginn am Sonntag offiziell später angesetzt und auf eine Marschroute ganz verzichtet. Zu Auseinandersetzungen mit den Sicherheitskräften kam es auch in Warschau, doch mit der Situation in Belarus sind die polnischen Proteste nicht zu vergleichen. Zum einen sind Kaczynski und seine umstrittene Regierung demokratisch gewählt worden, zum anderen ist das Vorgehen der polnischen Polizei zwar manchmal rabiat, doch in keiner Weise mit der Gewalt und Folter in Belarus zu vergleichen.

Regierung will die Proteste aussitzen

Insgesamt spielt die Kaczynski-Regierung beim „Frauenstreik“ seit Wochen auf Zeit. Noch immer hat Premierminister Mateusz Morawiecki das Verfassungsgerichtsurteil nicht publizieren lassen. Das Abtreibungsverbot ist deswegen juristisch noch nicht gültig. Im Sejm eingebracht ist dagegen ein Gesetzentwurf von Staatspräsident Andrzej Duda, der darauf hinausläuft, die radikale Auslegung des Verfassungsgerichts etwas aufzuweichen und jährlich rund 100 von bisher rund 1.100 Abtreibungen zuzulassen.

Das von der PiS als „Kompromiss“ bezeichnete „Duda-Gesetz“ harrt allerdings seiner Behandlung. Die Regierung hofft offenbar darauf, dass sich die Wogen erst etwas glätten. Dazu hatten der Streit ums EU-Budget und das Veto der PiS-Regierung den „Frauenstreik“ in den letzten Wochen in den Hintergrund treten lassen. Das Übrige sollen, so hofft Kaczynski, die Festtage und die erwarteten weiteren Schneefälle richten. Die Proteste am Sonntag in Warschau und rund einem Dutzend weiterer Städte haben indes gezeigt, dass die Wut vieler Polinnen und Polen immer noch groß ist.