NordkosovoGewalteskalation: Wer schickte die bewaffneten Maskenmänner?

Nordkosovo / Gewalteskalation: Wer schickte die bewaffneten Maskenmänner?
Serbiens Präsident Aleksandar Vucic präsentiert Erklärungen zum Gewaltausbruch in Nordkosovo, die niemanden so richtig überzeugen Foto: Oliver Bunic/AFP

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Von Besinnung und Entspannungswillen keine Spur: Nach den Schusswechseln in Nordkosovo, die mindestens fünf Menschenleben forderten, überziehen sich Kosovo und Serbien mit Schuldvorwürfen. Zur Frage, wer die uniformierten Maskenmänner ausgerüstet und geschickt hat, schweigt sich Belgrad beredt aus.

Der Blick auf den Tatort der tödlichen Schusswechsel blieb den lokalen Berichterstattern im überwiegend serbisch besiedelten Nordkosovo zu Wochenbeginn verwehrt: Gepanzerte Einsatzfahrzeuge der Polizei riegelten am Tag nach der blutigen Eskalation der Gewalt in Kosovo alle Zufahrtswege in das Dorf Banjska ab.

Heftige MG-Salven hatten die verschreckten Einwohner des 350-Seelen-Weilers unweit von Zvecan in der Nacht zum Sonntag aus dem Schlaf gerissen. Erst hatten uniformierte Maskenträger einen albanischen Angehörigen der Kosovo-Polizei an einer Straßenblockade erschossen und zwei weitere verletzt. Dann hatten sich die rund 30 schwer bewaffneten Männer in dem serbisch-orthodoxen Kloster des Ortes verbarrikadiert – und sich mit Kosovos Sicherheitskräften ein stundenlanges Feuergefecht geliefert.

Die traurige Bilanz der offensichtlich bewusst geschürten Eskalation der Gewalt: Außer dem erschossenen Polizisten wurden mindestens vier der serbischen Maskenmänner getötet, mehrere weitere Menschen verletzt.

Zum Gedenken an den getöteten Polizisten erklärte Kosovos Regierung den Montag zum nationalen Trauertag. Doch von Besinnung und Entspannungswillen war nach dem Blutvergießen weder in Belgrad noch in Pristina irgendein Ansatz zu verspüren. „Pristina und Belgrad beschuldigen sich gegenseitig“, titelte am Montag die serbische Zeitung Danas.

Bei den rund 30 Angreifern habe es sich um eine „professionelle Formation“ gehandelt, die ihre Attacke „lange vorbereitet“ habe, so Kosovos Premier Albin Kurti. Die laufenden Ermittlungen müssten noch zeigen, wie und wann die „terroristische Gruppe“ in gepanzerten Fahrzeugen mit getönten Scheiben und ohne Kennzeichen nach Kosovo gelangt sei und wer deren „Dirigenten“ seien. Doch für Kurti bestehen keine Zweifel, dass die „Söldner“-Truppe „die politische, finanzielle und logistische Unterstützung“ Belgrads genieße.

Vucics Erklärungen wenig überzeugend

Auffällig spät meldete sich in Belgrad am Sonntagabend, mehr als 17 Stunden nach den ersten Schüssen, auch Serbiens sonst so mitteilungsfreudiger Staatschef Aleksandar Vucic zu Wort. „Kurti ist der einzige Schuldige für alles, was sich ereignet hat“, so die Botschaft von Serbiens populistischem Landesvater, dem die Fäden in Kosovo zunehmend aus den Fingern zu rutschen scheinen. Er wolle den Tod des albanischen Polizisten zwar „nicht rechtfertigen“, aber es sei nur eine Frage der Zeit gewesen, bis die Kosovo-Serben, die von der Polizei seit Monaten verfolgt und provoziert würden, „sich erheben, weil sie Kurtis Terror nicht länger ertragen können“.

Eine klare Antwort auf die Journalistenfrage, wer die Maskenmänner denn ausgerüstet und in Marsch gesetzt habe, blieb Vucic schuldig. Von einem spontanen Aufstand, wie von Serbiens Präsident suggeriert, könne bei der „strukturierten und gut organisierten Gruppe“ keine Rede sein, so zu Wochenbeginn Avni Islami, Professor für Sicherheitswissen in Pristina. Die Formation wirke wie eine „Imitation“ der russischen Söldner-Truppe Wagner.

Doch auch in Serbien selbst stoßen die wenig überzeugenden Erklärungsversuche von Vucic auf Kritik. „Wen willst du mit Deinen Erklärungen erniedrigen? Die Bürger oder die Sicherheitsdienste?“, ätzte der oppositionelle Präsidentschaftskandidat Zdravko Ponos auf dem früheren Twitter-Netzwerk X: „Entweder Du bist nicht informiert oder Dir gehorchen die privaten Strukturen nicht mehr.“

Wohin sind die Maskenmänner geflohen

Tatsächlich bleibt bei der nächtlichen Attacke trotz des verrauchten Pulverdampfs viel im Nebel. Sicher scheint laut serbischen Medien, dass zwei der vier erschossenen Maskenmänner aus Nordkosovo stammen. Doch wo ist außer den vier getöteten, sechs verhafteten und zwei verletzten Angreifern, die Pristina vermeldete, der Rest der rund 30 Mann starken Truppe geblieben?

Berichte, wonach der Großteil der Angreifer nach Serbien geflüchtet sei und zwei verletzte Kämpfer in der Klinik im südserbischen Novi Pazar behandelt würden, scheinen die Vorwürfe Pristinas zu bestätigen, dass die Kämpfer in Militärcamps in Serbien ausgebildet und ausgerüstet worden seien. Doch hat sie tatsächlich der eher überrumpelt wirkende Vucic oder ein Auftraggeber aus heimischen oder russischen Geheimdienstkreisen in Marsch gesetzt?

Rada Trajkovic von der oppositionellen „Europäischen Bewegung der Kosovo-Serben“ nennt als denkbaren Drahtzieher auch den von den USA bereits 2021 auf die schwarze Sanktionsliste gesetzten „Geschäftsmann“ Milan Radoicic. Der stellvertretende Chef der „Serbischen Liste“, der als Vucic-Vertrauter gilt, wird von Kosovos Justiz wegen des Verdachts der Beteiligung an dem Mordattentat auf den oppositionellen Kosovo-Politiker Oliver Ivanovic gesucht.