„Wir haben gewonnen“ – fast trotzig wiederholt Landeshauptmann Wilfried Haslauer in allen Interviews seine euphemistische Sicht des Desasters. Seine ÖVP hatte zwar bei der Landtagswahl am Sonntag Platz eins behauptet, war aber um 7,4 Prozentpunkte auf 30,4 Prozent abgestürzt. Die Grünen mussten mit 8,2 Prozent (minus 1,1) ebenfalls Federn lassen. Der dritte Regierungspartner, die liberalen Neos, scheiterte mit 4,2 Prozent (minus 3,1) gleich an der Fünf-Prozent-Hürde. Vom Tief der Regierungsparteien profitierte nicht die um weitere 2,1 Punkte auf ein Rekordtief von 17,9 Prozent gesunkene SPÖ, sondern wie schon bei den vorangegangenen Landtagswahlen in Tirol, Niederösterreich und Kärnten die FPÖ. Die Rechtspopulisten verbuchten mit 25,7 Prozent ein Plus von 6,9 Punkten.
Für die blaue Spitzenkandidatin Marlene Svazek wäre sogar noch mehr drin gewesen, hätte nicht eine weitere Partei überraschend erfolgreich im Protestwählerteich gefischt: Die ansonsten in Österreich mit Ausnahme der steirischen Landeshauptstadt Graz keine Rolle spielenden Kommunisten schnellten von 0,4 Prozent bei der Landtagswahl 2018 auf 11,6 Prozent und damit auf Platz vier im Parteienranking. In der Stadt Salzburg entschied sich gar ein Fünftel der Wählerschaft für die Kommunisten, die mit 21,5 Prozent nur knapp drei Prozent hinter der führenden ÖVP liegen.
Teuerung dominierte
Mit Ideologie hat der KPÖ-Triumph wenig bis gar nichts zu tun. Wird die Partei nur von den eingefleischten Kommunisten gewählt, dann gibt es Ergebnisse wie die 0,4 Prozent vor fünf Jahren. Es ist der soziale Sprengstoff, der die KPÖ-Rakete antreibt. Wie schon in Graz, wo sie seit vielen Jahren erfolgreich das Thema Wohnen und seit 2021 mit Erika Kahr sogar den Bürgermeistersessel besetzt, reüssierte die KPÖ nun auch in der Mozartstadt mit Slogans wie „Wohnen darf nicht arm machen“. Spitzenkandidat Kay-Michael Dankl erreichte damit angesichts der allgemeinen, besonders auf die Mietkosten niederschlagenden Teuerung ein wachsendes Zielpublikum. Salzburg ist für Mieter seit jeher eines der teuersten Pflaster, weshalb die Inflation hier umso schmerzhafter empfunden wird.
Wie es nun im Land weitergeht, ist vorerst offen. Da es keine realistische Variante jenseits der ÖVP gibt, hat Haslauer drei Optionen: Eine Koalition mit der FPÖ oder eine mit der SPÖ, in die zusätzlich die Grünen geholt werden könnten, obwohl für die Mehrheitsbeschaffung nicht unbedingt nötig. Als Erstes wird Haslauer zwar Sondierungsgespräche mit der FPÖ führen, was aber keine Priorisierung bedeutet, sondern nur dem Ranking der Partei nach dem Wahlergebnis geschuldet ist. Haslauer ist kein Freund der FPÖ. Er hatte diese Option schon 2018 – und sich für die kompliziertere Dreiervariante der „Dirndl“-Koalition entschieden.
Gleich am Wahlabend stellt er klar, dass er sich von den Rechtspopulisten nicht wie seine niederösterreichische Amtskollegin Johanna Mikl-Leitner Zugeständnisse wie die Rückzahlung von Corona-Geldstrafen abpressen lassen werde. FPÖ-Landeschefin Svazek drängt freilich auf eine Regierungsbeteiligung und verweist auf die stabile Mehrheit von 22 der 36 Landtagsmandate, welche eine ÖVP-FPÖ-Koalition hätte. Nur mit der SPÖ käme Haslauer auf eine knappe Mehrheit von 19 Mandaten, mit den Grünen als drittem Partner wären es aber ebenfalls 22. Das Manko dieser Konstellation: Es wäre ein Bündnis der Verlierer.
SPÖ sucht Chef(in)
Was die Parteien mit den von knapp 390.000 Wählern neu gemischten Karten machen, wird außerhalb Salzburgs wohl bald aus dem Fokus geraten. Indirekt könnte die Salzburger Wahl aber sehr konkrete bundespolitische Auswirkungen haben. Denn der KPÖ-Erfolg mit ursozialdemokratischen Themen dürfte in der SPÖ jenen Auftrieb geben, die es ebenfalls „back to the roots“ zieht. Das wiederum hat Einfluss auf die am Montag gestartete Mitgliederbefragung. 148.000 Genossen sollen bis 10. Mai darüber entscheiden, ob Parteichefin Pamela Rendi-Wagner im Amt bleiben oder einer ihrer beiden Herausforderer, Burgenlands Landeshauptmann Hans-Peter Doszkozil oder der Trauskirchener Bürgermeister Andreas Babler, übernehmen soll. Das Arbeiterkind Babler verspricht, mit einer „Politik von unten“ jene sozialen Fragen in den Mittelpunkt der Parteiarbeit zu stellen, die im endlosen SPÖ-Machtkampf untergegangen sind.
Nach dem Aufstieg der Kommunisten in Graz und Salzburg empfiehlt er sich als Kandidat, mit dem die SPÖ diese bislang kaum beachtete Konkurrenz am linken Rand in Schach halten könnte. Doskozil dagegen ist ein Angebot an jene SPÖ-Wähler, denen neben der sozialen Frage auch das gerade wieder akut werdende Migrationsproblem wichtig ist. Der frühere burgenländische Landespolizeichef vertritt hier eine Linie, die gar nicht so weit von der der FPÖ entfernt ist. Parteichefin Rendi-Wagner hat vor allem ein Problem: Der erst 2017 vom damaligen SPÖ-Kanzler Christian Kern in die Politik geholten Quereinsteigerin fehlt als topqualifizierte Ärztin und Diplomatengattin der sozialdemokratische Stallgeruch, nach dem sich viele Genossen sehnen.
De Maart
„Wohnen darf nicht arm machen“
ALLE reden darüber, keiner unternimmt was.
So wie überall, woran das wohl liegt?