Vages Versprechen auf ReisefreiheitEU-Plan zu Impfpass könnte zu neuem Flickenteppich führen

Vages Versprechen auf Reisefreiheit / EU-Plan zu Impfpass könnte zu neuem Flickenteppich führen
Ob Sommerurlauber auch am Findel ein Impfzertifikat vorzeigen müssen, wird wohl vom jeweiligen Zielland abhängen – die EU-Länder sollen vieles selber entscheiden Foto: Editpress

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Der europäische Impfpass nimmt Gestalt an – doch die Hoffnung auf einen ungetrübten Sommerurlaub bleibt vage. Die EU-Kommission stellte am Mittwoch in Brüssel zwar einen Entwurf vor, der Reisen in Zeiten von Corona erleichtern soll. Doch von einem Ausweis ist keine Rede mehr, nur noch von einem Zertifikat. Zudem bleibt unklar, ob das neue Impfdokument dem Inhaber spezielle Rechte verleiht – oder nicht.

Ziel sei es, die „Reisefreiheit in der EU sicher und verantwortungsbewusst wiederherzustellen“, sagte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen bei der Vorlage ihres Gesetzentwurfs, den alle 27 EU-Staaten umsetzen sollen. Das neue „digitale grüne Zertifikat“ werde dies ermöglichen. Die Entscheidung, welche Reise-Beschränkungen aufgehoben werden, obliege aber weiter den nationalen Regierungen.

Derzeit gelten in der EU viele, oft widersprüchliche Regeln. So dürfen Belgier ihr Land gar nicht verlassen – die Regierung hat ein Verbot von Auslandsreisen verhängt. Deutschland hat Grenzkontrollen eingerichtet, die den Reiseverkehr in Österreich, Tschechien und teilweise auch in Frankreich behindern. Die Kommission hat gegen diese Beschränkungen der im EU-Recht verankerten Freizügigkeit protestiert, jedoch keine Gegenmaßnahmen ergriffen.

Probleme beginnen bei der Umsetzung

Das neue „grüne“ Zertifikat dürfte an dem Chaos wenig ändern. Es ist nicht als Reisepass konzipiert, sondern lediglich als Nachweis für eine Impfung gegen Covid-19, einen negativen Corona-Test oder eine überstandene Erkrankung an dem Virus. Die Daten sollen auf Smartphones gespeichert oder auf einem Papierdokument mit Barcode verzeichnet werden. Der Datenschutz sei selbstverständlich gewährleistet, heißt es in Brüssel.

Doch hier beginnen schon die Probleme. Die technische Umsetzung liegt nämlich bei den EU-Staaten – und jedes Land hat seine eigenen Vorstellungen. So werden die Daten in Frankreich zentral gespeichert, in Deutschland jedoch nicht. „Es ist nicht sichergestellt, dass die digitale Variante des Zertifikats dezentral gespeichert wird und nicht in einem zentralen Impfregister“, kritisiert der Europaabgeordnete Patrick Breyer (Piraten).

Unklar ist auch, was die Daten überhaupt wert sind. Bisher können nicht einmal Experten sagen, ob geimpfte oder genesene Menschen weniger Viruslast tragen und vor einer Weiterverbreitung von Corona geschützt sind. Doch einige Länder, darunter Deutschland, wollen über den praktischen Nutzen des Impfzertifikats erst dann entscheiden, wenn diese wichtige Frage geklärt ist.

EU-Länder sollen über Privilegien entscheiden

Ein weiteres Problem ist, dass nicht alle Impfstoffe verzeichnet werden sollen. Zunächst kommen nur Impfungen mit den von der EU zugelassenen Vakzinen infrage. Das sind derzeit die Mittel von Biontech/Pfizer, Moderna, AstraZeneca und Johnson&Johnson. Ungarn verimpft aber auch das russische Vakzin Sputnik V und das des chinesischen Herstellers Sinopharm, andere Länder wollen es ähnlich halten.

Laut Kommission soll es den Mitgliedstaaten freistehen, ob sie Bescheinigungen über Impfungen mit diesen Mitteln anerkennen oder nicht. Die EU-Länder sollen auch selbst entscheiden, ob sie den Inhabern Vorteile bei Reisen oder Restaurantbesuchen gewähren. Andererseits soll das Zertifikat aber keine „Voraussetzung für die Ausübung der Freizügigkeit sein“, wie die EU-Kommission betont. Nicht-Geimpfte dürften nicht diskriminiert werden.

Dies könnte zu einem neuen Flickenteppich führen. Beliebte Reiseländer wie Griechenland, Spanien oder Österreich wollen mit großzügigen Regeln Touristen anlocken. Deutschland und Frankreich stehen jedoch auf der Bremse. Zunächst müssen aber die 27 EU-Staaten dem Vorschlag aus Brüssel zustimmen. Das kann dauern – ob der neue Impfpass wie geplant rechtzeitig zu den Sommerferien fertig wird, ist längst nicht sicher.

Asselborn: „Nicht der Sinn dieser Initiative“

Auf Tageblatt-Nachfrage hin wiederholt Außenminister Jean Asselborn die Position der Luxemburger Regierung, dass ein Impfpass oder -zertifikat keine Diskriminierungen mit sich bringen dürfe. „Keine Fluggesellschaft soll ausschließlich Geimpfte in ihre Maschinen lassen“, sagt Asselborn, „das geht nicht“. Dass Restaurantbesucher einen Impfpass benötigen werden, kann sich Asselborn auch nicht in der Praxis vorstellen. Das sei „nicht der Sinn dieser Initiative“. Auch die Einreiseregeln der EU-Staaten sollten nicht direkt an einen Impfpass gekoppelt sein. Ein solches Zertifikat solle Erleichterungen bringen, etwa indem dann kein negativer PCR-Test mehr verlangt wird bei einer Einreise. Einreiseverbote für Nicht-Geimpfte dürfe es nicht geben, so Asselborn. A.B.