Sonntag26. Oktober 2025

Demaart De Maart

EuGH-UrteilEU darf Polen und Ungarn Mittel kürzen – doch Brüssel zögert

EuGH-Urteil / EU darf Polen und Ungarn Mittel kürzen – doch Brüssel zögert
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sprach zwar gestern im EU-Parlament, aber nicht zum EuGH-Urteil in Sachen Rechtsstaatsmechanismus Foto: Jean-François Badias/AP/dpa

Jetzt weiterlesen!

Für 0,99 € können Sie diesen Artikel erwerben:

Oder schließen Sie ein Abo ab:

ZU DEN ABOS

Sie sind bereits Kunde?

Der umstrittene neue Rechtsstaatsmechanismus der EU ist rechtskräftig und kann sofort angewandt werden. Dies hat der Europäische Gerichtshof (EuGH), das höchste EU-Gericht, am Mittwoch in Luxemburg entschieden.

Dem EuGH-Urteil zufolge kann die EU-Kommission für Mitgliedstaaten bestimmte Finanzmittel einbehalten, wenn Verstöße gegen demokratische Rechte und Freiheiten vorliegen und dadurch Schaden für das EU-Budget droht. Die Klagen aus Ungarn und Polen wurden zurückgewiesen.

Dennoch müssen beide Länder, denen systematische Eingriffe in die Pressefreiheit und die Justiz vorgeworfen werden, noch nicht mit Finanzsanktionen rechnen. Denn die EU-Kommission lässt sich Zeit. Bevor man gegen Rechtsstaats-Verstöße vorgehe, könnten noch „Wochen“ vergehen, sagte eine Sprecherin von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in Brüssel. Auf einen Zeitpunkt wollte sie sich nicht festlegen. Zunächst will die Brüsseler Behörde das Urteil eingehend prüfen. Danach sollen bereits vorhandene „Leitlinien“ für die Kürzung von EU-Geldern überarbeitet werden. Erst danach könne man an die Umsetzung des Urteils gehen und Länder mit Rechtsstaats-Verstößen förmlich notifizieren.

Vor den Wahlen in Ungarn im April sei nicht mit einer Entscheidung zu rechnen, sagte die Europaabgeordnete Katarina Barley (SPD). Das von der Kommission vorgesehene Verfahren werde mindestens fünf Monate dauern, vielleicht sogar neun. Die „Hinhaltetaktik“ der EU-Behörde sei aber nicht hinnehmbar, so die EP-Vizepräsidentin. Sie verstoße gegen geltendes Recht.

Nach Auffassung des EU-Parlaments hätte von der Leyen sofort nach Inkrafttreten des Rechtsstaats-Mechanismus Anfang 2021 aktiv werden müssen. Die Abgeordneten hatten im Herbst eine Untätigkeitsklage eingereicht, um die Kommission zum Handeln zu zwingen. Diese Klage werde erst zurückgezogen, wenn ein EU-Land förmlich notifiziert werde, sagte der grüne Abgeordnete Sergey Lagodinsky. „Ursula von der Leyen muss nun unverzüglich handeln und die Verfahren gegen Polen und Ungarn auslösen“, so der Grünen-Abgeordnete Daniel Freund. Ein Zögern würde der Demokratie weitere Schäden zufügen, sagte er mit Blick auf die Wahl in Ungarn.

Budapest und Warschau drohen mit Blockade

Prügel bezieht die Brüsseler Behörde auch aus den beiden betroffenen Ländern. Die EU wandele sich von einem Raum der Freiheit zu einem Verbund, in dem man rechtswidrig Gewalt anwenden könne, um den Mitgliedstaaten die Freiheit zu nehmen, sagte der polnische Justizminister Zbigniew Ziobro. „Die Entscheidung ist ein lebender Beweis dafür, wie Brüssel seine Macht missbraucht“, schrieb Ungarns Justizministerin Judit Varga auf Twitter.

Ungarn und Polen haben damit gedroht, die EU lahmzulegen, falls es tatsächlich zu Budgetkürzungen kommen sollte. Die rechtspopulistischen Regierungen in Budapest und Warschau könnten bei wichtigen, einstimmigen Entscheidungen im Ministerrat ihr Veto einlegen.

Die EU wäre dann blockiert. Beobachter in Brüssel vermuten, dass von der Leyen auch deswegen zögert. Die Kommissionschefin wich Nachfragen aus. Ursprünglich sollte sie am Mittwochnachmittag im Europaparlament in Straßburg Rede und Antwort stehen. Sie sagte den Termin jedoch kurzfristig ab und schickte ihren Haushaltskommissar Johannes Hahn vor. Von der Leyen habe Wichtigeres zu tun, sagte eine Sprecherin: Sie müsse sich um die Ukraine-Krise kümmern.

EU-Rechtsstaatsmechanismus

Der sogenannte Rechtsstaatsmechanismus ist ein Instrument, mit dem die Europäische Union ihren Mitgliedstaaten Gelder vorenthalten kann, wenn diese sich nicht an die gemeinsamen Grundwerte halten. Durch die „Allgemeine Konditionalitätsregelung zum Schutz des Haushalts der Union“ – so der offizielle Titel – können Zahlungen aus dem EU-Haushalt für Länder gekürzt oder Mittel aus den Strukturfonds eingefroren werden. Sanktionen drohen, wenn EU-Mitgliedstaaten gegen Grundwerte wie die Unabhängigkeit der Justiz verstoßen – und sich die Verstöße negativ auf die finanziellen Interessen der Union auswirken. Einen solchen Zusammenhang mit dem Haushalt muss die EU-Kommission den Ländern nachweisen, was juristisch als schwierig gilt. Nachdem der Europäische Gerichtshof (EuGH) am Mittwoch die Klage von Polen und Ungarn gegen den Rechtsstaatsmechanismus abgewiesen hat, kann die EU-Kommission jetzt Verfahren einleiten.

HTK
17. Februar 2022 - 10.08

"..Bevor man gegen Rechtsstaats-Verstöße vorgehe, könnten noch „Wochen“ vergehen, sagte eine Sprecherin von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen." Und dann wundern wir uns wenn wir nicht ernst genommen werden. Das Brüsseler Raumschiff ist zum bürokratischen Wasserkopf geworden. Ähnliche Durchschlagskraft wie bei der Pandemie. Polen und Ungarn als Putin's Enklave? Oh mei.